Post für Dich
Nach dem Ende meines Studiums in Regensburg ist es nun leider soweit: Ich muss Schluss machen mit meiner Wohnung. Das fällt mir viel schwerer, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ein Abschied.
von Lena Alt
Meine liebe Wohnung,
Jetzt ist es soweit, es ist vorbei mit uns beiden. Aber bitte mach Dir keine Vorwürfe. Es liegt nicht an Dir, es liegt an mir. Ich muss hier einfach raus. Wir zwei haben uns nicht immer gut verstanden, haben uns aber trotzdem sehr lieb gewonnen. Ich Dich zumindest.
Du hast mich unabhängig gemacht. Du warst für mich da, warst mein Zufluchtsort, als ich nach dem Abi von Zuhause ausgezogen bin. Du warst mir ein neues warmes Heim. Gut, Du warst nicht immer warm. Deine Heizungen sind alt und oft sehr kalt. Aber mit drei Decken um mich gewickelt konnte ich darüber zumindest lächeln.
Du hast mir stets meinen Raum gegeben, den ich brauchte, um mich zu entfalten. Deine Wände haben meinen vielen Büchern zwar keinen Halt geben können, aber du hast Dich nie beschwert, als ich sie dann einfach viel zu hoch gestapelt habe. Nie hast Du auch nur ein einziges Wort über meine vielen Sachen verloren, die stets überall herumlagen. Man könnte behaupten, das liegt daran, dass Wohnungen im Allgemeinen nicht viel reden. Aber wir zwei haben uns doch stets gut unterhalten. Manche Wände haben Ohren, Deine haben Münder. Ganz viele. Du hast mir rund um die Uhr Botschaften meiner Nachbarn überbracht. Gute, schlechte, laute und leise Botschaften.
Du hast stets dafür gesorgt, dass ich mich nicht langweilen muss. Dass ich mir nicht selbst überlegen musste, wie ich in der Prüfungsphase prokrastinieren muss. Du hast für die nächtlichen Feuerwehreinsätze gesorgt, für den Schlüsseldienst gegenüber, der des Nachts in fremde Türen bohrt, für die Partys über mir. Alles nur für mich, damit ich auch ja nicht zu viel schlafe. Ich danke Dir dafür!
Aber wir hatten auch unsere Probleme. Der Schimmel an Deiner Wand. Wirklich, Du hättest etwas mehr auf Dein Äußeres achten können. Aber auch das haben wir gemeinsam überwunden, genauso wie das Mottenproblem. Ich habe Dir ein Licht aufgehen lassen, wenn Dir hin und wieder eine Birne durchgebrannt ist; Dir einen Dichtungsring gegeben, wenn Du mal wieder nicht ganz dicht warst; und Dir geholfen, wenn wieder einmal eine Schraube bei Dir locker war. Ja, der Umgang mit Dir war nicht immer einfach, aber ich habe viel Zeit und Geduld in Dich investiert. Und ganz ehrlich, das habe ich sehr gern getan. Zugegeben war vieles davon purer Eigennutz. Deine Pflege hat mir gut getan, ging es Dir gut, dann ging es mir auch gut. Dann habe ich mich wohl in meinem Zuhause gefühlt.
Umso schwerer fällt mir nun der Abschied. Du wirst mir fehlen. Aber ich muss weiterziehen. Wenn ich bei Dir bleibe, werde ich nur auf der Stelle treten. Wie gesagt, es liegt an mir, dass ich nun gehen muss. Aber sei bitte nicht traurig. Du wirst immer mein erstes eigenes Zuhause bleiben.
Auch für Dich wird es weitergehen, glaube mir. Du wirst MieterInnen nach mir haben, denen Du genauso viel bedeutest. Sie werden Dich hoffentlich genauso pflegen wie ich. Sie werden genauso viel Spaß bei Dir haben. Sie werden Deine Aussicht in den grünen Innenhof genießen, die ich immer so genossen habe. Sie werden Dein Dasein mit Leben füllen, wie ich es getan habe. Also mach Dir bitte keine Sorgen, Dir wird es gut gehen.
Ich ziehe nun aus, in eine andere Stadt. Ich will ehrlich mit Dir sein: Ich hab auch schon eine andere Wohnung. Also weine mir bitte nicht nach. Freu Dich auf das, was kommt. Es wird gut werden.
In Liebe,
Deine Lena
P.S.: Das mit dem Textmarkerstrich an der linken Wand tut mir leid. Es war keine Absicht. Bewahre ihn in Deinem Herzen und lass ihn Dich an mich erinnern. Oder lass ihn einfach überstreichen.