»MINONA« – Eine romantische Schicksalsfigur? Eine Theaterreview

»MINONA« – Eine romantische Schicksalsfigur? Eine Theaterreview

Die Oper »Minona. Ein Leben im Schatten Beethovens« wurde am Samstag, 25. Januar 2020, im Theater Regensburg am Bismarckplatz uraufgeführt. Die Aufführung der Oper in zwei Akten von Jüri Reinvere dauerte in etwa zwei Stunden und 20 Minuten und ließ
das Publikum mit vielen Gefühlslagen zurück. Das bedrängte, isolierte und besessene Leben
Minonas wurde den ZuschauerInnen so lebhaft dargelegt, dass im Publikumssaal nicht nur
seelisch mitgelitten wurde. Angespannt und zugleich erleichtert verließ man im Anschluss an
die Premiere das Theater und konnte sich mit dem soeben Erlebten auf verschiedensten
Ebenen auseinandersetzen.

von Marlene Grimberg und Paula Boden

 

»Warum wurde ich von Anfang an allein gelassen?«  

Diese Frage stellt sich Minona, die – so sagt man – uneheliche Tochter von Beethoven. In der ersten Szene der Oper von Jüri Reinvere sitzt Minona (Theodora Varga) als bereits alte Frau am Klavier und singt ein Loblied auf den großen Künstler Beethoven. In den nun folgenden Szenen wird der Zuschauer in die tragische Lebensgeschichte der Minona eingeführt, welche offiziell als die Tochter von Baron von Stackelberg (Adam Krużel) und Josephine Brunsvik (Anna Pisareva) zur Welt kommt und von nun an ein »anonymes« Leben führt.

Die damals noch junge Josephine klagt ihrer Tante nach einer Liebesnacht mit ihrem Klavierlehrer Beethoven ihr Leid, denn sie glaubt, von ihm schwanger zu sein. Sie hat Angst, ihr strenger und pietistischer Ehemann Stackelberg könnte ihr durch eine Scheidung die gemeinsamen Kinder entreißen. Schweren Herzens entscheidet sie sich deshalb dafür, ihr ungeborenes Kind als das Seine auszusetzen.

Den ZuschauerInnen wird diese Situation parallel zu einer Szenerie der »alten Minona« vorgetragen, die mit dem Lesen eines gefundenen Briefes auf die Geschichte ihrer Mutter zurückblickt. Sie versucht, ihre Lebensgeschichte nachzuvollziehen. Was dem Publikum nun geboten wird, ist das einsame und traurige Leben Minonas, die nach der späteren Trennung ihrer Eltern mit Stackelberg in Estland aufwächst. Hier erlebt sie eine von Gewalt geprägte, harte Kindheit, in der sie ihrem pietistischen Vater Stackelberg nie gerecht zu werden scheint und sich stattdessen hingebungsvoll mit der Musik beschäftigt. Dargestellt wird diese Kindheitsszene in einer aufwendigen Inszenierung aus einem Schwarz-Weiß-Film im Hintergrund und der eigentlichen Szene im Vordergrund. Minona erinnert sich eindrucksvoll, mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Gewalt des Vaters und lässt die ZuschauerInnen dadurch mit einem unbehaglichen Gefühl in die Pause gehen.

Die junge Minona (Anna Pisareva) mit ihrem Vater (Adam Krużel). © Jochen Klenk

Ein Glockenklingeln markiert das Ende der Pause und die ZuschauerInnen setzen sich abermals auf ihre gepolsterten Theaterplätze. Irritiert erwartungsvoll sitzt das Publikum auf seinen Plätzen und beobachtet den schwarzen Vorhang, der sich gediegen und bequem nach oben bewegt. Die zweite Hälfte der Oper »Minona« scheint von nun an nur noch düster und künstlerisch überholt. Das erschwerte Bühnenklima bereitet einem als ZuschauerIn im Laufe der letzten Stunde nicht nur psychischen Schmerz, auch physisch sitzt man am Ende verspannt vor den sich verbeugenden SchauspielerInnen und hofft auf die Erlösung, die Minona in den letzten Minuten der Oper so wehleidig besingt. Tief verstört bewegt sich Minona (Anna Pisareva) in ihren jungen Jahren auf die im Verlauf des Stückes weit ausgefächerte Obsession mit Beethoven zu. Eine Familie gründet sie nie, Liebe und Zuneigung erfährt sie nur von einer Altbekannten aus Estland, bei der sie dann in Wien unterkommt. Nicht nur einmal versucht Minona, sich das Leben zu nehmen – sie schluckt etliche Pillen, aber überlebt. Dramatisch und künstlerisch schwerwiegend in Szene gesetzt. Am Ende des Stückes geht es hauptsächlich um die Frage, ob das Leben eine Enttäuschung für Minona darstellt, oder vielmehr die Menschen um sie herum. Isoliert und zurückgezogen lebt Minona in Gedanken an Beethoven und die Musik und es schmerzt sie vom Verlassensein; das Leben ohne Liebe und Zuneigung setzt ihr immer stärker zu. Die Überdramatik wird durch Disharmonien und lauten Gesang auch sehr nah ans Publikum getragen. Bis Minona am Ende nach der Erlösung ruft und ihr das Dunkel gelassen wird, vergehen etliche qualvolle Minuten im Zuschauerraum.

Auch das Bühnenbild lässt das Publikum etwas ratlos zurück – modern gewollt wird ein schwarzgekleideter Kameramann mitinszeniert, der während der Aufführung die Protagonisten in Nahaufnahme auf eine große über dem Bühnenbild konstruierte Leinwand projiziert. Darunter befindet sich ein Stahlkäfig, der im Laufe der Oper oft für Nebenszenerien eingesetzt wird und dem ganzen Spektakel eine unaufhaltsame Unruhe verschafft.

 

Die Inszenierung des wartenden Lebens von Minona ist insofern gelungen, als dass den ZuschauerInnen und ZuhörerInnen das Ende und der spärliche Applaus als Erlösung vorkamen. Vielleicht war das so gewollt – vielleicht sollte das Publikum mit Minona mitleiden und verstehen, wie sich Besessen Sein zu eigener Folter umwandeln kann. Erleichtert und ruckartig leert sich der Zuschauerraum an diesem Samstag, nach einer unangenehm langgezogenen Runde des Applaus.

 

Karten für die Oper kann man auf der Website des Theaters reservieren.

 

Wir danken dem Theater Regensburg und dem Fotografen Jochen Klenk für die Zurverfügungstellung der Bilder.

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