Wolle Wohnung kaufen?
Ich kann euch nur raten, nehmt euch in Acht vor Leuten, die sich im Hausflur mit euch unterhalten. Seid froh, wenn sie euch nur etwas verkaufen wollen. Gefährlich wird es, wenn sie euch abschwatzen wollen, was ihr braucht, um euch im Flur unterhalten zu können: eure Wohnung.
von Lena Alt
Vormittags, halb zehn im Kasernenviertel. Nein, leider kein Knoppers, sondern nur ich in meiner Wohnung. Ohne Knoppers. Und ohne meinen Freund, denn der hat gerade die Wohnung in Richtung Uni verlassen. Wie jeden Morgen habe ich ihn an der Wohnungstür verabschiedet. Freund raus, Tür zu, auf dem Weg zur Kaffeemaschine. Und dann klopft es zaghaft an der Tür.
Auf dem nicht besonders langen Weg zur Tür schaue ich mich in der Wohnung um, welchen Gegenstand mein Freund vielleicht vergessen hat, werde aber nicht fündig. Im Schlabberlook und verschmitzt grinsend öffne ich die Tür, neugierig, was ihn zum Umkehren bewegt hat. Aber ich habe ihm gedanklich Unrecht getan. Mein Freund hat nichts vergessen, er ist längst auf dem Weg in den Hörsaal. Vor meiner Tür steht ein junger Kerl, rissfreie dunkle Jeans, Pulli mit Hemd darunter, Brille. Erwartungsfroh schaut er mich an. Ich schaue ihn an, fragend, verdutzt, verwundert. Und weil der folgende Dialog so herrlich seltsam war, habe ich ihn direkt danach für euch aufgeschrieben.
»Ja?», frage ich zaghaft.
»Ich bin hier, weil ich gerne diese Wohnung mieten würde. [Nachname], wir haben telefoniert«, sagt er in einem entschlossenen, vertrauenerweckend wirkenden Tonfall, den Vermieter sicher toll finden.
»Aber ich wohne hier«, entgegne ich, noch leicht schläfrig, aber auch gespannt, welcher Streich meines Vermieters sich hier wohl hinter verbirgt.
Mein Gegenüber lacht. »Aber doch nur noch bis Januar, oder?« Damit hat er halbwegs recht. Die These stimmt nicht ganz, aber doch genug, dass ich verdattert nicke. Wieso weiß er, dass wir ausziehen werden?
»Ja also, dann. Ich würde diese Wohnung gerne mieten. Wir haben doch einen Termin zur Besichtigung jetzt.« Wenigstens diese Annahme kann ich entschieden verneinen. Mit mir hat keiner irgendwas vereinbart, und weder ich noch meine Wohnung waren gerade in der Verfassung, besichtigt zu werden.
Zugleich traurig, irritiert und enttäuscht blickt mein Gegenüber auf den Boden. »Dann haben Sie sich wohl für meinen Vorgänger entschieden. Schade, aber das hätten Sie auch gleich sagen können.« Jetzt bin ich erst recht verwirrt.
»Welcher Vorgänger?« Schon halb im Gehen, dreht er sich wieder um. »Na der, der gerade gegangen ist. Der Blonde, mit dem Rucksack. Schönen Tag noch«, antwortet er.
Endlich, viel zu spät, verstehe ich, was hier wirklich los ist. Wahrscheinlich hat der Groschen, der bei mir gefallen ist, meine direkte Nachbarin auch geweckt. Neugierig schaut sie aus ihrer Tür.
»Das war mein Freund. Der wohnt auch hier. Du bist zu der Wohnungsbesichtigung hier? Die ist nebenan« Ich deute auf meine Nachbarin, die die Situation deutlich schneller durchschaut hat als ich und freundlich, gestylt und professionell aus ihrer Tür tritt. Der arme Kerl wirkt so irritiert, verwirrt und voller Hoffnung auf eine Wohnung, dass ich nicht anders kann als mich zu entschuldigen.
»Sorry für die Verwirrung, viel Erfolg dir«, bringe ich noch heraus, bevor er in der Nachbarwohnung verschwindet.
Ich schließe meine Tür und muss bestimmt zehn Minuten lang lachen. Ich schicke meinem Freund etwa sieben unverständliche Sprachnachrichten, bevor ich es endlich schaffe, die Geschichte unverworren zu erzählen. Den ganzen Tag über herrscht ein heiteres Kommen und Gehen bei meiner Nachbarin, die scheinbar genau wie wir Anfang nächsten Jahres umziehen wird. Sonst hat zwar keiner mehr bei uns geklingelt, meinen Spaß hatte ich aber auch mit den übrigen Besichtigern. Wie ich euch ja schonmal erzählt habe, versteht man jedes Wort, das im Flur gesprochen wird. Also habe ich jetzt eine ganze Reihe Inspiration an Begrüßungs- und Willkommensfloskeln für meine eigene Wohnungssuche ab Jahresanfang. Hoffentlich klopfe ich nicht an der falschen Tür.