»Sex oder Ex« – eine Rezension des neuen Stücks im Theater am Haidplatz
43% der Männer und 22% der Frauen finden Sex »mindestens sehr wichtig in ihrem Leben«. Verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ganze 6% der Paare »überhaupt keinen Sex« in ihrer Beziehung haben. Durch die nicht nur unterhaltsamen, sondern durchaus auch informativen Fakten rund um das Thema Sex und Beziehung aus dem Programmheft stimmen wir uns auf die provokante Komödie »Sex oder Ex« von Anthony Neilson ein.
von Verena Gerbl und Kati Auerswald
Zum Stück
Jimmy (Guido Wachter) und Jess (Katharina Solzbacher) haben seit 14 Monaten und 4 Tagen keinen Sex mehr gehabt. Und das, obwohl sie seit 9 Jahren ein Paar sind – wenn auch unverheiratet. Dass so ganz ohne Sex eine Beziehung nur schwer funktionieren kann, ist beiden klar. Deswegen stellen sie sich folgendes Ultimatum: Entweder haben sie im Zuge ihrer Paartherapie vor dem Theaterpublikum auf der Bühne Sex, oder sie beenden ihre Beziehung. So schwer kann das eigentlich nicht sein: Sie lieben sich, finden sich nach wie vor attraktiv und hatten eigentlich immer ein erfüllendes Sexleben. Nach und nach erfährt das Publikum jedoch, wie das Paar, das auf den ersten Blick zwar so gar nicht in die Rollenbilder unserer Gesellschaft zu zwängen ist, dennoch in seiner Beziehung mit schwerwiegenden Unsicherheiten kämpft, Probleme nur schwer ansprechen kann und offensichtlichen Konfliktpunkten geradezu ausweicht.
Ausgehend von dieser bizarren Beziehungssituation schreibt Anthony Neilson eine spritzig-witzige Komödie mit vielen Lachern – aber auch überraschendem Tiefgang: Ist eine Partnerschaft ohne Sex möglich? Oder handelt es sich dann nur noch um Freundschaft? Was darf man sich im Bett vom Partner eigentlich wünschen, ohne diesen zu etwas zu zwingen? Sind Viagra und Pornographie auch heute tatsächlich noch Tabuthemen im Schlafzimmer? Von der skurrilen Ausgangslage weg entwickelt sich ein Drama, das den Zuschauer doch nicht komplett unberührt lässt – und auch uns zur Diskussion über widersprüchliche Genderbilder unserer Gesellschaft angeregt hat.
Right in yer Face!
Schöpfer Anthony Neilson wurde 1967 in Edinburgh geboren und zählt zu den bekanntesten Dramatikern Großbritanniens. Bekannt ist er vor allem als Begründer des sogenannten »in-yer-face-theatre«: eine Strömung, die in Großbritannien in den 1990er Jahren entstanden ist und ihr Publikum mit schockierenden und teils vulgären Stoffen konfrontieren will. Ihren Namen verdankt die Theaterströmung den direkten Publikumsansprachen durch die Schauspielenden von der Bühne aus. Als TheaterbesucherIn bekommt man gesellschaftliche Tabuthemen verpackt in teilweise obszöne Sprache somit »ins Gesicht« geschleudert, ohne sich derer entziehen zu können. Dennoch wollen VertreterInnen dieser Theaterströmung ihr Publikum nicht verstören, sondern durch intelligente Unterhaltung zum Lachen und Nachdenken bringen.
Das Theaterstück, in der deutschen Uraufführung in Regensburg unter Regie von Klaus Kusenberg, ist humorvoll und mit provokanter Sprache inszeniert. Die von der »in yer face«-Theaterströmung erwartete Gesellschaftskritik kam uns an manchen Stellen jedoch zu kurz. Ein schöner Theaterbesuch, in dem man die ein oder andere Lachträne verdrückt, war es dennoch. Das Anschauen lohnt sich deshalb auf jeden Fall. Pro Karte zahlt man mit Studierendenausweis ohnehin nur 8 Euro. Ein ziemlich guter Grund, doch hin und wieder einmal anstatt eines Kinobesuchs beim Theater am Haidplatz vorbeizuschauen – finden wir. Bei der Vielzahl an Stücken ist echt für jeden Geschmack etwas zu finden.
Beitragsfoto: Christina Iberl und Gerhard W. H. Schmidt von der Website des Theaters Regensburg