Orange is the new Black
Nein, ich rede hier nicht von Gefängnisinsassen oder -insassinnen. Auch nicht von der inzwischen nicht mehr ganz so aktuellen Netflix-Serie, in der ebensolche Jugendliche die Hauptrolle spielen. Diesmal geht es um ein paar ganz bestimmte Männer in meinem Leben: Um die netten Müllmänner des Lappersdorfer Wertstoffhofes, die stets in leuchtendem Orange gekleidet sind. Diese haben mich so lange um fast all meine Nerven gebracht, bis ich eines Tages beschloss, den Spuren von getrennten Tetra Paks und Joghurtbechern schließlich auf den Grund zu gehen.
Von Kati Auerswald
»Oh man, Kaaati!« Wenn dieser eine Satz in theatralisch ausgedehnter Länge unter gerollten Augen auf dem WG-Flur fällt, weiß ich inzwischen Bescheid: Ich habe den Müll mal wieder nicht fachgerecht getrennt, die leeren Shampooflaschen oder Folienverpackungen oder Tetra-Paks nicht einzeln aussortiert, sondern fälschlicherweise in den Gelben Plastiksack geschmissen. Da läuten bei meiner Mitbewohnerin Hannah sofort die Alarmglocken. Sie nimmt die Mülltrennung sehr ernst – ich weniger. Ich komme selbst vom Dorf und bin erneut in ein Dorf – an den Regensburger Stadtrand von Lappersdorf – gezogen. Doch selbst in meinem Kuhdorf zu Hause hatten wir nicht mehr als vier oder fünf Mülleimer – so wie eine einigermaßen normale Regensburger WG auch (wie ich es bisher beurteilen konnte), wenn nicht sogar weniger. Einen für den gelben Plastiksack, einen für den Restmüll, einen für den Biomüll und einen Altpapierkarton. Okay und dann vielleicht noch ein oder zwei Körbe, wo Konserven oder Altglas gesammelt werden. Im Kontrast dazu unsere WG: Mehr als unser halbes Vorratsregal ist mit unzähligen Kisten und Kartons vollgestellt, in welchen alles separat getrennt wird. Wirklich alles! Haushaltsfolien, leere Kunststoffhohlkörper von Waschmitteln, Obstschälchen, PET-Flaschen und Coffee-to-go-Becher sind nur einige Beispiele. Da bekommt die Mülltrennung meiner Meinung nach eine ganz neue Bedeutung.
Wenn sich also mal wieder ein paar Müllsäcke oder Körbe angesammelt haben oder uns die Platznot nötigt, müssen diese auf dem Wertstoffhof umweltgerecht entsorgt werden. Abgeholt wird bei uns nämlich nur Altpapier und Restmüll. An sich keine große Sache. Der Haken? Es gibt Öffnungszeiten, die es in sich haben. An zwei Wochentagen hat er gar nicht auf, ansonsten immer nur wenige Stunden (vormittags oder spät nachmittags). Und in diesen wenigen Stunden laufen die Mitarbeiter der Müllkolonne aufmerksam wie Wachhunde innerhalb der Müllzone auf und ab um zu kontrollieren, ob die Mülltrennung auch ja mit rechten Dingen zugeht. So ist meine Mitbewohnerin schon des Öfteren angehalten worden, noch vor Ort und Stelle den einen oder anderen Müllsack auszuleeren und jedes Shampoofläschchen und PET-Hohlkörperchen einzeln zu trennen und zwar in den jeweils dafür vorgesehenen Behältern auf dem Wertstoffhof.
In regelmäßigen Abständen muss ich vor meiner Mutter ordentlich Dampf über die Müllmänner ablassen, die ihren Job ja wirklich extrem ernst nehmen. »Haben die sonst keine Probleme in ihrem Leben? Ich meine, wenn ich zumindest wüsste, wieso ich jedes Fläschchen und Tütchen einzeln trennen muss, würde ich es ja eventuell verstehen. Aber so …« »Na, dann frag die Müllmänner doch einfach mal.«, meinte meine Mutter kurz angebunden. Ich dachte kurz nach. Wieso bin ich eigentlich nicht selbst darauf gekommen?
So besuchte ich also, mit einem gelben Plastikmüllsack bewaffnet, den Lappersdorfer Wertstoffhof, warf meinen Müllsack in den vorgesehenen Behälter und wandte mich ganz naiv und unschuldig schauend an einen der Müllmänner: »Entschuldigung, darf ich Ihnen mal eine Frage stellen?« Dass dieser Satz gerade von einer Blondine kommt, wird er sich anhand seiner Mimik wahrscheinlich gerade gedacht haben – doch er nickte freundlich. »Wieso muss ich hier bei Ihnen alles einzeln trennen? Ich komme ja auch vom Dorf und selbst da haben wir Tetra Paks, Joghurtbecher und Shampooflaschen zusammen in den gelben Plastiksack geworfen.« Er hielt kurz inne, grinste und drückte mir einen Infoflyer des Lappersdorfer Wertstoffhofes in die Hand. Dann hielt er mir einen 30-minütigen Vortrag über die Bedeutung der Mülltrennung, Rohstoffrückgewinnung, des Umweltschutzes, sowie alte und neue innovative Techniken und ihre enorme Wichtigkeit. Er berichtete mir von Seminaren, Weiterbildungen und Vorträgen, mittels derer die Mitarbeiter immer extra auf den aktuellsten Stand der Müllwelt geschult werden. In den neunzehn Jahren, in denen der Müllmann auf dem Wertstoffhof arbeitet, ist der Müll schon immer so getrennt worden – so ist es gesetzlich vorgeschrieben und so sollte es eigentlich sein – auch wenn sich nicht jeder daran hält. Er erklärte mir auch, dass besonders in den Großstädten die Mülltrennung ein Riesenproblem sei – was ja der Öffentlichkeit bekannt ist. Und dass beispielsweise Hamburg jetzt eine Maschine besitzt, die jedes Müllteilchen automatisch erkennt und trennt, wenn die Menschen alles in einen Behälter werfen – doch nicht jede Großstadt kann sich so eine Gerätschaft leisten. Der beeindruckendste Fund, den sein Kollege hier gemacht habe? Eine Sprengstoffbombe von 1945, die Schultern zuckend von einer Partnerfirma eingesammelt wurde mit den Worten: »Die ist seit 1945 nicht hochgegangen, also wird sie jetzt auch nicht hochgehen.« Ich war beeindruckt. Die Müllmänner wissen ja doch, wieso sie ihren Job so ernst nehmen. Ich habe mit vielem gerechnet, jedoch nicht mit einem scheinbar so großen Interessens- und Wissensimperium eines Mannes, der in Orange gekleidet ist. Hätte ich mich nach dieser halben Stunde nicht freundlich verabschiedet, hätte der Müllmann – sichtlich in Fahrt gekommen – wahrscheinlich immer mehr mit Fachbegriffen um sich geschmissen, die eindeutig bewiesen hätten, dass Mülltrennung eine wahre Wissenschaft für sich ist und gelebten Umweltschutz bedeutet.
Doch ich bin und bleibe erstmal überzeugt. Danke, lieber Müllmann, jetzt weiß ich, wieso ich in Lappersdorf den Müll so konsequent trennen muss und ich schwöre feierlich, niemals wieder auch nur einen leeren Joghurtbecher in den Plastikmüll zu schmeißen! Darauf mein Ehrenwort.
Schaut nächste Woche wieder rein, wenn euch Lotte von ihren neusten WG-Erlebnissen berichtet.