»Juan, dein Essen brennt!«
Wer kennt sie nicht? Die angebrannten Töpfe in der Spüle und der latente Duft von schief gegangenen Kochversuchen im Flur. Wohnheim-Küchen sind manchmal der Schauplatz von epischen Schlachten zwischen Studierenden und dem Herd oder zu ambitionierten Kochvorhaben. Ein kleiner Einblick in mein Leben zwischen brikettierten Pizzen, kaputten Rauchmeldern und schläfrigen Mitbewohnern.
Von Lotte Nachtmann
In meiner WG im Studentenwohnheim gibt es drei Arten von Bewohnern: Die einen sind genauso große Kochmuffel wie Selinas Mitbewohnerin und man trifft sie in der Küche maximal zum Abwaschen des Butter-Brot-Tellers an. Dann gibt es die klassischen Nudeln-mit-Pesto- oder Couscous-Kocher, die auch nach den maximalen 15-Minuten Zeitaufwand wieder in ihre Zimmer verschwinden. Aber immerhin können sie das, was sie da machen auch. Denn die dritte Kategorie setzt sich aus ambitionierten Hobby-Köchen, die an den prekären Küchenverhältnissen scheitern, Erstsemestern, die zum ersten Mal selbst einen Herd bedienen und Erasmus-Studenten, die ihre Landesküche vermissen, zusammen. In jedem dieser drei Fälle gleicht die Küche nach der mehr oder weniger erfolgreicher Fertigstellung des Gerichts einem Schlachtfeld … wenn sie überhaupt noch steht.
Dazu möchte ich Euch gerne eine kleine Anekdote aus meiner WG im Studentenwohnheim zum Besten geben. In meinem ersten Studienjahr hatte ich dort einen sehr liebenswerten, aber ein wenig verpeilten argentinischen Mitbewohner. Juan war für ein Semester in Deutschland, schien aber die Küche seiner lateinamerikanischen Heimat sehr zu vermissen. So versuchte er sich daran, die Linsen- und Fleischgerichte von Mama zu Hause nachzukochen. Hin und wieder hat das auch ganz gut funktioniert, auch wenn er einem schon ein wenig leidtat, wenn er da etwas unbeholfen im Topf herumstocherte. Leider hatte Juan das grundlegende Prinzip erfolgreichen Kochens noch nicht ganz verstanden: die Präsenz am Herd. So ereignete sich eines Nachmittags folgendes: Ich saß in meinem Zimmer, das direkt an die Küche der WG angrenzte, am Schreibtisch – vertieft in irgendeinen Lernstoff. Plötzlich stieg mir ein unangenehmer Geruch in die Nase: der Geruch von Verbranntem. Ich sprang sofort auf und hechtete in die Küche, die schon halb in Rauchschwaden stand. Das Brandnest war schnell lokalisiert: Juans Topf mit Linsen (oder besser gesagt, dem was davon noch übrig war) auf dem Herd mit voll aufgedrehter Hitze. Ich schnappte mir also dieses qualmende Monster und schleuderte es in hohem Bogen auf unsere Terrasse. Wutentbrannt stürmte ich durch den miefenden Flur und riss die Zimmertür meines Mitbewohners mit den Worten »Juan, Dein Essen brennt!« auf. Was ich sah, brachte mich dann aber doch zum Schmunzeln. Der liebe Juan blinzelte mich völlig verschlafen aus seinem Bett heraus an. Während des anstrengenden Kochprozesses hatte ihn wohl die Müdigkeit übermannt und er hatte ein kleines Nickerchen gemacht. Ein Nickerchen, das dann knapp drei Stunden gedauert und fast einen Feuerwehreinsatz in Königswiesen gekostet hat. Der Geruch von verbranntem Essen stand uns als Lehre noch tagelang in der Wohnung. Immerhin hatte die ganze Aktion ein Gutes: Wir wussten nun, dass unser Rauchmelder in der Küche kaputt war.
Der beinahe brennende Topf sollte Juan allerdings nicht davon abhalten, noch mehrmals seine kulinarischen Experimente auf dem Herd zu vergessen. Und auch sonst summiert sich nach bald zwei Jahren im Studentenwohnheim die Zahl angebrannter Töpfe, die ich gerettet habe, und bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Lebensmittel, die ich aus dem Ofen gezogen habe. So halten es manche Studierenden für eine ganz schlaue Idee, eine Pizza in den Ofen zu legen und dann einfach komplett das Haus zu verlassen. Mit den schwarzen Briketts, die dann übrig bleiben, kann man maximal noch einen Kachelofen befeuern oder Frisbee spielen. Unter den olfaktorischen Folgen leiden dann nicht nur die Mitbewohner, auch die Backbleche sind in der Regel nach spätestens einem Semester in einer Wohnheim-Küche ein hoffnungsloser Fall für den Sperrmüll. Denn weder Erstsemstern noch Erasmus-Studierenden ist scheinbar die Funktion von Backpapier bekannt. Da lobe ich mir doch meinen anderen Mitbewohner, der zwar auch das Prinzip des »Ich schiebe eine Pizza in den Ofen und verlasse das Haus« in Perfektion beherrscht, dann aber vergisst, den Ofen anzuschalten. Vielleicht gehört er ja der Fraktion »ambitionierte Hobbyköche« an und setzt auf die Niedrig-Gar-Methode.
Für nächste Woche übergebe ich hiermit den Kochlöffel an Lena und ihre WG.