Ein ziemlich passabler Vermieter
Wie wir schon häufiger im Zuge der Wohnsinn-Kolumnen feststellen durften, sind Vermieter eine ganz spezielle Sorte Mensch. Während meiner zwei Auslandssemester im französischen Clermont-Ferrand durfte ich in den Genuss einer ganz besonderen Begegnung dieser Art kommen.
Von Lotte Nachtmann
Vermieter können ganz schöne Korinthenkacker sein, bei denen ein Tomatensaucenfleck an der Wand schon zum Kautionsabzug führen kann und der jeden Quadratzentimeter seiner Wohnung bereits persönlich mit der Zahnbürste geschrubbt hat. Der Besitzer der Wohnung, die meine drei Freundinnen und ich vergangenes Jahr in Clermont-Ferrand bezogen haben allerdings, lässt sich als das Gegenteil eines solchen »Abnahme-Nazis« qualifizieren. Dieser Monsieur schien seine eigene Wohnung nämlich überhaupt nicht zu kennen. Nennen wir ihn mal »Bobby the White«, sein durchaus recht unpassender Name in UNSEREM WLAN-Netz. An den folgenden Situationen können wir sehr schön diesen Typ Vermieter festmachen, der seine Wohnung höchstens zum Ein- und Auszug neuer Mieter betritt, letztlich keine Ahnung hat, was er da überhaupt vermietet und es ihm – gelinde gesagt – auch völlig egal ist. Bobby the White ist ein etwas spießig angezogener anfang 30-Jähriger in Flip-Flops, der immer ein wenig verwirrt aus der Wäsche guckt und dessen leicht Frettchen-artiges Gesicht seine Mitmenschen immer dazu verleitet, ihm nicht böse sein zu können. Der Typ Mensch, der vermutlich früh geerbt hat und somit zu Eigentum und den nötigen Mitteln für eine Weltreise kam.
Aber beginnen wir zunächst mit unserem Einzug, beziehungsweise mit der Abnahme. Schon hier habe ich sehr schnell gemerkt, dass Bobby the White nicht den blassesten Schimmer hat, wie seine eigene Wohnung eigentlich aussieht. In jedem Zimmer schaute er sich erstmal verwirrt um und brauchte ein paar Minuten, um zu erfassen, was sich eigentlich darin befand. Inzwischen haben meine Freundinnen und ich die Vermutung, dass er sich seine Wohnung einfach sukzessive von seinen Mietern einrichten lässt. Da kann man schon mal den Überblick verlieren. Seine völlige Planlosigkeit sowie sein latentes Desinteresse spiegelten sich dann auch im Übergabeprotokoll wider, in dem so ziemlich alle Einrichtungsgegenstände als »passabel« deklariert wurden.
Soweit waren wir aber alle noch ziemlich enthusiastisch über unsere Mädels-WG. Doch die Absurditäten sollten sich noch häufen. Als Bobby the White uns mal wieder einen seiner Kurzbesuche abstattete, wartete eine meiner Mitbewohnerinnen gerade auf ein Paket. Wir hatten schnell gemerkt, dass unsere Wohnung aus unerklärlichem Grund über keine eigene Klingel verfügte und hatten daher ein Schild für den Paketzulieferer an die Haustür gehängt mit dem Hinweis, er solle sich bemerkbar machen, wenn er ein Paket für uns hätte. Bobby the White fragte uns daraufhin, ob unsere Klingel kaputt sei und wollte uns auch erst nach eigenen Nachforschungen glauben, dass es nie eine gegeben hatte. Und der gute Mann fragt sich bis heute, warum die Partygäste unserer Vormieterinnen ihn mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt haben. Auch zeigte er sich halbwegs verwirrt, als er feststellen musste, dass seine geniale Deckenabhängung mit indirekter Beleuchtung in unserem Flur nur dann ihre Berechtigung gehabt hätte, wenn an allen entsprechenden Stellen Lampen eingebaut gewesen wären.
Die letzte Anekdote rund um unseren lieben Bobby the White fällt wohl eher unter die Kategorie »Ich stecke so wenig Aufwand wie möglich in mein eigenes Haus«. So saßen wir einmal abends gemütlich beim Essen – unser Vermieter war mal wieder zu einem seiner Kurzbesuche da, bevor es auf seine große Weltreise ging und sein Haus endgültig aus seinem Interessenfeld verschwand. Plötzlich sahen wir auf unseren Handys die Anzeige, ein »Bobby the White« würde in unserem WLAN via Google Home streamen. In der Annahme, es habe sich jemand Fremdes in unser WLAN gehackt, hielten wir wie uns lustig war seinen Stream an, schalteten ihn lauter und leiser oder ganz aus. Da der Eindringling aber immer wieder kam, haben wir irgendwann unseren Vermieter gefragt, ob er sich einen Reim darauf machen könne. Letztlich stellte sich heraus, dass er selbst »Bobby the White« war, seine Wohnung, die sich unter unserer befand, keinen eigenen WLAN-Anschluss hatte oder er sich einfach keinen zulegen wollte und deshalb er, sowie die späteren Mieter seiner Wohnung, unser WLAN mitbenutzten.
Das war nur ein sehr kleiner Einblick in unser Leben mit einem maximal verpeilten sowie minimal an seiner Immobilie interessierten Vermieter während unseres Jahres in Clermont-Ferrand. Wenn ihr noch mehr Anekdoten von Bobby the White lesen wollt, folgt vielleicht auch ein zweiter Teil dieses wahrhaftigen Wohnsinns. Aber nächste Woche berichtet erst einmal Lena wieder aus ihrem Leben.
Mädchen, die in Clermont Ferrand studieren dürfen? Wie abgehoben ist das denn? und warum, wenn man so privilegiert ist, über einen Vermieter lästern, der offensichtlich doch kein unangenehmer Mensch ist? Kinder! gehts noch?