Klolektüre
Wohnungsanzeigen, Bücherverkauf oder Gesuche nach Probanden für psychologische Experimente? Langweilig. Regensburger Studenten zeigen sich um einiges kreativer, wenn es darum geht, Toilettentüren zu verschönern.
Der Tatort
Stimmt es, was man über Geisteswissenschaler munkelt? Sind sie wirklich kreativer als andere Studierende? Zumindest die PT-Toiletten beherbergen einige lyrische Ergüsse der angehenden Philosophen, Theologen und Pädagogen. Sie punkten auf fast jedem Lokus, den das Gebäude zu bieten hat, mit beachtlichem Einfallsreichtum und Humor – bevorzugt in Bibliotheksnähe. Die Tür ist schon komplett vollgeschmiert? Egal! Ein dicker Marker überkritzelt das schon.In Chemie und Physik sieht es damit eher mau aus.
Das psychologische Profil des Täters
Regensburger Wissenschaler waren nach umfangreichen Studien in der Lage, die Klo-Kritzler in zwei Hauptgruppen zu unterteilen: die äußerst kreativen und einfallsreichen Prokrastinierer und die feurigen Weltverbesserer. Ein Indiz dafür, dass es sich um Prokrastinierer handelt, ist die Nähe des Haupttatortes zur PT-Bib: ein Raum voll grübelnder und verzweifelter Hochschüler. Da kann es schon passieren, dass sich die Täter von den Bekundungen auf der Latrinentüre ablenken lassen und ihren Kummer einfach niederschreiben müssen. Die Tür wirkt in diesem Moment viel verständnisvoller als der eigene Laptop. Der ist schließlich zum größten Feind geworden, seit er ein Unheil verkündendes Word-Dokument mit dem Titel Hausarbeit beherbergt. Die leidenschaftlichen Weltverbesserer helfen, wo sie nur können: ein Rechtschreibfehler eines anderen Toilettenmalers? Gar kein Problem! Beziehungstipps? Eine ihrer leichtesten Aufgaben! Leider weiß nicht jeder diese Hilfsbereitschaft zu schätzen. Das führt die auf den Plan, die die Welt noch stärker zu verbessern wissen, es beginnt ein Wettbewerb um den klügsten und wortgewandtesten Spruch.
Opfer
Die anonymen Toiletten-Kritzler wenden sich an ähnlich verzweifelte Studenten, die in den Vorlesungen und Kneipen zu schüchtern sind, ihre Meinung zu äußern. »Wie lerne ich richtig für Klausuren?« oder »Ich bin schwanger von meinem 14-jährigen Nachhilfeschüler!«, sind Fragen und Hilferufe, die sie an ihre Kommilitonen, beziehungsweise die Klotüre, richten. So haben auch die eher Zurückhaltenden die Möglichkeit, ihre Beziehungstipps und Ratschläge an den Klogänger zu bringen. Aber nicht alle Täter sind so hilfsbereit.
Kommunikationsforscher haben herausgefunden, dass sich manche von ihnen gezielt an Studenten richten, die gerade selbst wegen gescheiterter Beziehungen oder Stress mit Freunden unglücklich sind. Die Opfer klammern sich an jeden Strohhalm, der ihnen Hoffnung zu versprechen scheint – genau das erkennen die Latrinen-Bemaler und versuchen sie zu beeinflussen: Sie nutzen die unschuldigen Toilettentüren für ihre niederträchtigen Vergeltungspläne an ihren Ex-Partnern und ziehen die Opfer in den Bann ihrer Rache.
Die geheime Botschaft
»Du lebst 88 Jahre und stirbst in Sekunden«, verkündete ein besonders weiser Student. Immerhin einfallsreicher, als ein einfaches »YOLO« an die Toilettentür zu klatschen. Doch was steckt sonst hinter den Nachrichten? Die Redaktion verbrachte Wochen damit, einen als Handynummer von Großer Penis getarnten Geheimcode zu entschlüsseln – ohne Erfolg. Auch eine verschwörerische Botschaft von E.T. gibt Rätsel auf. Dutzende Kreuztabellen mit scheinbar verwandten Sprüchen führten nur zu mehr Verwirrung. Es wird wohl noch dauern, bis die Wissenschaft die komplexen Gedankengänge der Klo-Kritzler entschlüsseln kann.
Fotos: Pia Weishäupl