Jeder spioniert jeden aus
Der US-amerikanische Botschafter John Emerson trifft an der Universität auf ein nur dezent kritisches Publikum.
Diplomatie ist die Kunst, so hat es der amerikanische Schriftsteller und Journalist mit dem passenden Namen Fletcher Knebel einmal in Worte gefasst, „einen Hund so lange zu streicheln, bis Maulkorb und Leine fertig sind“. Der amerikanische Botschafter John B. Emerson bewies bei seinem Besuch an der Uni Regensburg eindrucksvoll, was ein hochrangiger Diplomat, ein Botschafter zumal, in Perfektion beherrschen muss: die Redekunst.
Viel Neues zu sagen hatte Emerson nicht
Mit großem Pomp wurde der Gastauftritt Emersons am Freitag zelebriert. Als der Konvoi des amerikanischen Botschafters vorfuhr, hatte sich alles, was Rang und Namen hatte, schon erwartungsvoll in der Vorhalle des Vielberthgebäudes in Stellung gebracht. Die Uni hatte sich herausgeputzt, Präsident Hebel schmückte sich mit einer dicken Goldmedaille samt Goldkette, die auch einem amerikanischen Gangster-Rapper gut gestanden hätte.
Emerson redete dann auch, viel Neues zu sagen hatte er aber nicht. Dabei war es erst überraschend, dass Emerson überhaupt noch sprechen konnte mit all dem Honig, den Hebel und Stephan Bierling, der Politikprofessor und Mitveranstalter des Townhall Meetings, ihrem Gast in den Einführungsreden um den Mund geschmiert hatten. Der Auftritt war dann eine Demonstration diplomatischer Souveränität: eine Hand locker in der Hosentasche trat Emerson hinter dem Rednerpult hervor. Seine Entertainer-Attitüde verlieh ihm die nötige Bühnenpräsenz. So wirken Worte.
Interessanter als Emersons Antworten, waren Fragen und Reaktionen des Publikums
Der Vortrag barg wenig Unerwartetes. Seine Priorität sei es, hart dafür zu arbeiten, das Vertrauensverhältnis zwischen Deutschland und den USA wiederherzustellen. Die Entrüstung der Deutschen nach den Snowden-Enthüllungen über die NSA würden die Amerikaner verstehen und sehr ernst nehmen. Dass das Telefon der Kanzlerin abgehört wurde, habe natürlich nichts damit zu tun, Terrorismus zu bekämpfen und komme auch nicht mehr vor. Klar seien Deutschland und die USA Freunde, nicht nur Partner. Und so weiter.
Interessanter als die Antworten, waren eher die Fragen und Reaktionen des Publikums im rappelvollen H24. Ein Bellen gab es nur einmal: „Sie spionieren uns und unsere Politiker aus. Wie sollen wir Ihnen vertrauen oder in anderen Worten: Warum sollen Sie noch ein Ehrengast in diesem Haus sein?“, fragte ein Student. Ein Raunen und spontaner Beifall begleiteten die Frage. Bierling fühlte sich gleich dazu genötigt, dem Botschafter zur Seite zu springen. Wer ein Ehrengast sei, das entschieden in diesem Kontext immer noch der Präsident und er.
Jeder spioniert jeden aus
Beistand benötigte Emerson aber nicht. Das Vertrauen wolle er sich erarbeiten, indem er die enge Kooperation zwischen den beiden Nationen noch stärker ausbauen wolle: „Wir arbeiten extrem eng zusammen mit dem deutschen Geheimdienst, so haben wir 52 terroristische Anschläge verhindert, darunter mehr als die Hälfte auf deutschem Boden – von denen ihr nichts wisst.“ Noch Fragen?
Den Spionagevorwürfen begegnete Emerson mit dem Pragmatismus eines Realisten. Er selbst schalte seine Geräte aus, wenn er in seinem Büro sitze, weil sie als Mikrofon verwendet werden könnten. Jeder spioniere jeden aus. „Leider ist das die Welt, in der wir leben.“ In Zukunft gelte es, daran zu arbeiten, die Kooperation zu verbessern und dabei essenzielle Fragen zu klären: was Privatsphäre im digitalen Zeitalter bedeute, wo die Balance zwischen Schutz vor Terror und Schutz ebenjener Privatsphäre liege. „Wir teilen die gleichen Werte“, versicherte Emerson, „aber weil wir andere Erfahrungen gemacht haben, legen wir die Grenzen zwischen Schutz der Privatsphäre und Sicherheit der Bürger unterschiedlich aus“. Der größte Teil des Publikums gab sich mit der Antwort zufrieden, das Klatschen legte dies zumindest nahe.
„Deswegen habe ich nicht gerade sehr viel Respekt für Mr. Snowden.“
Eine Studentin wollte wissen, warum der Whistleblower Edward Snowden von den Amerikanern wie ein Staatsfeind behandelt werde. Unter den Deutschen gelte er eher als Held. Gefundenes Fressen für Emerson. Rhetorisch durchdacht zerlegte der Botschafter den Mythos Snowden in seiner Version der Ereignisse. Den Whistleblower porträtierte er als Feigling, der unschuldige Einzelpersonen tückisch hintergangen habe, um an die Informationen zu kommen, mit denen er dann zu den Chinesen, den Russen und an die Presse ging.
Als Gegenvergleich bemühte er Martin Luther King und seine Methode der Civil Disobedience: „Wenn du denkst, ein Gesetz ist ungerecht, dann gehst du raus und protestierst – wie die Bürgerrechtsbewegung der 60er“, sagte Emerson. Damals hätten die Verantwortlichen wie King die Konsequenzen akzeptiert und seien ins Gefängnis gegangen, nicht weggerannt. „Deswegen habe ich nicht gerade sehr viel Respekt für Mr. Snowden.“ Seine Redekunst stach: Der Applaus für seine Antwort fiel deutlich länger und lauter aus als der für die Frage.
Dass das Publikum ihm allerdings nicht alles abnahm, zeigte sich, als der Botschafter artig die Regensburger Universität lobte und dabei ihren „wunderschönen Campus“ hervorhob. Das Lachen der Studierenden irritierte Emerson aber nicht. Der Hund war dafür doch viel zu zahm.
Selten solch dämliche Statements gelesen.
Dass die Zuhörer des auch noch mit sich haben machen lassen…
Das Lächerlichste ist doch wohl seine indirekte Forderung, Snowden hätte sich seinem (wahrscheinlichen) Tod stellen sollen. Geht’s eigentlich noch?!
Es gab bis dato noch nicht einmal ein Bewusstsein für die Tätigkeiten der NSA, wäre Snowden auf die Straße gegangen, hätte er seine Mitstreiter an einer Hand abzählen können! Erst durch seine Offenlegung der Tatsachen wird den Leuten ein Problemzustand bewusst und JETZT kann man bzw. geht man auf die Straße!
Bei King war besagter Problemzustand länger evident.
Snowden hat sein Leben für die Privatsphäre aller Erdenbewohner riskiert, das zeugt nicht von Feigheit, sondern Zivilcourage.