Böhmischer Traum und Disko Partizani
Strohballen, Bierzelt und Bulldogs: Auf dem ersten Brass Wiesn Festival in Eching wurde nicht nur der Marsch geblasen. Unsere Autorin zieht den Hut.
Sechs Getränkestände, fünf Fressbuden, drei Ramschläden, ein Friseur und, ganz wichtig, ein Hutladen: Auf dem winzigen Festivalgelände laufen ein paar vereinzelte Gestalten herum, eine Blaskapelle spielt im Bierzelt. Einzig der riesige Banner neben der Open-Air-Bühne verrät, dass ich tatsächlich dort bin, wo ich sein sollte: Auf dem Brass Wiesn Festival in Eching.
Rund um den Platz sind mehrere Strohballen aufgeschichtet und einige ältere Bulldogs stehen herum. Das soll wohl den ländlichen, urbayerischen Charakter unterstreichen. Was das angeht, ist es den Veranstaltern hervorragend gelungen, bloß bei mir will sich einfach keine Festivalstimmung einstellen. Ich schlendere noch ein wenig herum und beschließe, meinen Schlafplatz für die nächsten zwei Nächte herzurichten.
Der Zeltplatz befindet sich nur wenige Meter vom Festivalgelände entfernt. Trotz der wenigen Besucher platzt der Campingplatz aus allen Nähten. Viele haben es sich schon außerhalb der Absperrungen bequem gemacht. Auch ich stelle mein Auto neben die Absperrung und funktioniere Kofferraum und Rücksitzbank zum Bett um.
Bald soll Da Blechhaufn spielen, eine der wenigen Bands, die ich kenne. Ich stelle mich vor die Bühne, um mir einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Das ist auch gar nicht so schwer: Es stehen nur etwa fünfzehn Leute vor der Bühne. Aus dem Zelt verklingen die letzten Töne der Perfect Brass Band und plötzlich füllt sich der Platz um mich herum. Rundherum sieht man viele in Dirndl oder Lederhose und Gummistiefeln Da Blechhaufen betritt die Bühne und legt los mit dem „Leckmicha Marsch“. Doch erst mit „Ghostrider“ geht die Party richtig los und plötzlich ist alles da, was ein Festival braucht: Gute Stimmung, ein paar Betrunkene und zwei Typen mit Matrosenmützen und einem Plüschtiger.
Und sie dauert den ganzen Abend an. Über die Hot 8 Brass Band aus New Oreleans, die mit einem einzigen Lied eine Dreiviertelstunde füllen können, und Shantel & Bucovina Club Orkestar, die mit Disko Partizai einheizen. Keller Steff und Band bringen das Publikum mit bayerischer Mundart zum Lachen und sind gleichzeitig der Rausschmeißer. Und ganz plötzlich ist der Abend vorbei und es geht in die Zelte, Busse oder Autos.
Der gewaltige Sound reißt selbst den betrunkensten Träumer aus seiner Trance
Nach einer kurzen Nacht werde ich von der Sonne geweckt. Duschen gibt es nicht, deshalb muss ich mit einer Deodusche und einer Katzenwäsche aus der Mineralwasserflasche vorlieb nehmen. Der Tag rauscht an mir vorbei, wie eine lange Reihe bunter Bilder und mit ihm die Holledauer Hopfareisser, die Schotterblosn, die Blechbriada, Alpenbrass Tirol, Vlado Kumpan und die Talking Horns. Bei der multikulturellen Express Brass Band komme ich wieder zu mir. Auf der Bühne hat sich eine riesige Formation mit etwa siebzehn Musikern gruppiert. Der gewaltige Sound reißt selbst den betrunkensten Träumer aus seiner Trance. Erst jetzt sehe ich, wie voll es inzwischen geworden ist. Während die Hot 8 Brass Band ihr zweites Stück zum Besten gibt, sichere ich mir schon mal einen Platz, direkt vor der Zeltbühne, denn als nächstes ist die bekannte Band Kellerkommando angekündigt.
Das Zelt bebt, als sie ihren Hit „Maus“ zum besten geben und ich bin ganz vorne mit dabei. Zum Schluss gehen alle für eine Zugabe auf die Knie. Draußen wartet bereits Russkaja, die etwas härtere Töne anschlagen und die Menge dazu bringt, im Kreis vor dem „Psycho Traktor“ wegzulaufen.
Als letztes bringt Moop Mama ihren Brass-Rap auf die Bühne und ich kann nicht anders, als mich von der schweißnassen Menge mitreißen zu lassen, bis es ganz plötzlich zu Ende ist und alle zivilisiert zum Ausgang strömen. Dieses Festival hat das Zeug, ein Kultfestival zu werden. Für das erste Mal – Hut ab.