Zündschnur am Dauerbrenner
Inzwischen haben wir uns fast daran gewöhnt, jedes Semester 500 Euro Studiengebühren an die Staatsoberkasse Bayern zu überweisen. Doch die Rufe nach einer Abschaffung sind nie verklungen. Jetzt gibt es den wohl vielversprechendsten Versuch: Unterschreiben bis Ende Januar mehr als 940 000 Menschen in bayerischen Rathäusern wird es einen Volksentscheid geben – wenn nicht die bayerische Regierung zuvor kommt und die Studiengebühren freiwillig abschafft.
Jahrelang war die Abschaffung der Studiengebühren so unrealistisch wie ein Verbot von Bayerns heißgeliebtem Gerstensaft. Dennoch: An Universitäten, am Stammtisch, in den Medien und im Landtag – die Diskussion hat nicht aufgehört. Haben die Studiengebühren nun zu einer Verbesserung der Lehre geführt oder doch nur die soziale Ungleichheit verschärft?
Ihre Meinung dazu können alle Wahlberechtigten in Bayern vom 17. bis zum 30. Januar kundtun: Wer in Rathäusern oder Bürgerbüros für ein Volksbegehren unterschreibt, gibt sich als Gegner der Studiengebühren zu erkennen. Wer es unterlässt, unterstützt den Status quo. In der Lautschrift-Umfrage gibt es mit 68 Prozent eine klare Mehrheit gegen Studiengebühren. Nur zehn Prozent sind für die Beiträge, 22 Prozent der über 3000 Befragten können sich nicht entscheiden.
Die Listen in den Rathäusern und Bürgerbüros liegen aus, weil die Freien Wähler 29 000 Unterschriften gegen Studiengebühren gesammelt haben. 27 000 Unterschriften hat das Innenministerium anerkannt – genug, um ein Volksbegehren auf den Weg zu bringen. Der Schritt legt die Zündschnur an ein Finanzierungsmodell, das seit seiner Einführung als politisch umstrittener Dauerbrenner vor sich hinschwelte.
Ziel: 940 000 für die Abschaffung
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte den Antrag auf ein Volksbegehren zuerst nicht durchgewunken, sondern an das bayerische Verfassungsgericht übergeben. Nach Ansicht der CSU darf es laut Artikel 73 der bayerischen Verfassung keine Volksbegehren geben, die den Staatshaushalt betreffen. Das würde das Recht des Parlaments, über das Landesbudget zu verfügen, untergraben.
Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) gab sich im Vorfeld der Entscheidung noch zuversichtlich, dass das Urteil zu Gunsten der Landesregierung ausfallen würde. Doch die Verfassungsrichter sahen dies anders und urteilten am 22. Oktober 2012: In Bayern soll es die Möglichkeit für ein Volksbegehren gegen Studiengebühren geben. Die Opposition jubelte und stellte einen Eilantrag zur Abschaffung an die Landesregierung.
Die Koalitionsregierung aus CSU und FDP lehnte wenig überraschend ab, nun liegt die Entscheidung bei den bayerischen Bürgern: Unterschreiben in diesem zweiwöchigen »Begehrstadium« mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigen, etwa 940 000 Menschen, muss sich der bayerische Landtag mit den Studiengebühren beschäftigen. Lehnt die Regierung dann eine Abschaffung erwartungsgemäß ab, kommt es zu einem landesweiten Volksentscheid. Eine Entscheidung einer solchen Abstimmung ist als Weisung an den Landtag sofort bindend.
Brisanz gewinnt die Debatte innerhalb der Regierungsparteien, weil im September Landtagswahlen anstehen und der Wahlkampf inoffiziell schon begonnen hat. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verabschiedete sich quasi sofort nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts von den Studiengebühren. Am Nutzen habe er schon immer gezweifelt. Der bayerische Staat konsolidiere sich von Jahr zu Jahr mehr und könne dank der guten Haushaltslage gut auf die Gebühren verzichten. Die FDP hingegen beharrt auf der Abgabe von 1000 Euro pro Jahr. »Die Studiengebühren haben zum hervorragenden Niveau der Hochschulen beigetragen«, sagte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Landeschefin. Eine Krisensitzung blieb ohne Ergebnis. Und so steckt die Regierung mittlerweile in einer Koalitionskrise. Denn die Studiengebühren sind in den Koalitionsverträgen festgeschrieben. Die FDP warf der CSU vor, Koalitionsbruch zu begehen, falls diese gegenüber der Opposition und der Bewegung gegen Studiengebühren einknicken.
Im Sommersemester 2013 zum letzten Mal?
Aber Seehofer will kein Volksbegehren kurz vor den Wahlen, das möglicherweise ein CSU-Projekt kippt. »Entweder schaffen wir die Studiengebühren ab, oder das Volk tut es«, hat er seiner Partei gesagt. Inzwischen gibt es verschiedene Vorschläge, den Zwist beizulegen . Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit der »nachgelagerten Studiengebühren«. Bei diesem Modell werden die über die gesamte Studienzeit angehäuften Gebühren erst beim Eintritt ins Berufsleben verlangt.
Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass das Sommersemester 2013 das letzte Mal sein wird, dass Studierende in Bayern zur Kasse gebeten werden Das hätte natürlich unmittelbare Konsequenzen für die Uni Regensburg, der im laufenden Wintersemester etwa sechs Millionen Euro zusätzlich aus Studiengebühren zur Verfügung stehen. Kein Wunder, dass sich der Pressesprecher der Uni, Alexander Schlaak, stellvertretend für die Universitätsleitung wenig begeistert davon zeigt, dass dieses Geld in Zukunft wegfallen könnte: »Mit den Studienbeiträgen konnte einen Vielzahl zusätzlicher Maßnahmen finanziert werden, die zu einer Verbesserung der Studienbedingungen an der Universität Regensburg beigetragen haben. Ein Wegfallen der Studienbeiträge würde das Ende für diese Initiativen bedeuten«, sagte Schlaak gegenüber der Lautschrift.
Falls ein Votum des Volksbegehrens negativ ausfällt oder gar die bayerische Regierung selbst das Ende der sogenannten Campusmaut einläutet, erwartet die Uni »eine adäquate Kompensation durch den Freitstaat« – wie Seehofer sie verspricht. Würde diese nicht erfolgen, könnten viele Verträge mit Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern nicht mehr bezahlt werden und auch studentischen Hilfskräften müsste gekündigt werden. Auch neue Lernmethoden müssten eingestellt sowie die Gelder für die Bibliothek verringert werden. Das schließt natürlich auch eine mögliche Verkürzung der Öffnungszeiten mit ein. »Das würde den Lernerfolg der Studierenden stark beeinträchtigen und kann dadurch weder im Interesse der Studenten, der Professoren noch der Politik liegen«, sagte Schlaak.
Wer kann beim Volksbegehren mitmachen?
- Alle wahlberechtigten Bürger können in den Rathäusern und Bürgerbüros ihres bayerischen Erstwohnsitzes mit ihrer Unterschrift zwischen dem 17. und dem 30. Januar 2013 teilnehmen.
- Eine Briefwahl gibt es nicht.
- Wer seinen Hauptwohnsitz nicht in Bayern hat, ist nicht stimmbe
rechtigt.
Wo kann man sich in Regensburg eintragen?
- Bürgerbüro Stadtmitte
- Bürgerbüro Nord
- Bürgerbüro Burgweinting
- Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr – Zulassungsstelle
Weitere Orte unter: www.wo-unterschreiben.de
Text: Simon Feichtmeier
Illustration: Christian Basl