»Brainfreeze«

»Brainfreeze«
Die Menschen schlagen den Mantelkragen höher und hasten mit gesenktem Blick durch die Straßen. Aber der kalte Wind ist tückisch, er bläst Worte durch die Schichten. Sie kratzen auf der Haut, breiten sich hinter den gerunzelten Augenbrauen aus und drücken auf die Gedanken. Kältekopfschmerz, das passt gut.

Von Ida Müermann

Chat GPT sagt: »Brainfreeze, oder englisch frozen brain syndrome, bedeutet so viel wie Kältekopfschmerz oder auch gefrorenes Gehirn-Syndrom. Der wissenschaftliche Begriff lautet sphenopalatine ganglioneuralgia und beschreibt einen kurzfristigen, intensiven Kopfschmerz, der typischerweise durch den Verzehr von kalten Nahrungsmitteln oder dem Eintauchen des Gesichts in eiskaltes Wasser verursacht wird.« Eiskaltes Wasser im Gesicht? Keine angenehme Vorstellung. Vorstellung? Realität: Wasser wird zu Worten. Wahlen, Wehrpflicht, Werbung, Waffen, Waldbrand, Weltklima, Wut, Wahnsinn, Wendepunkt. Wie eine Welle schäumen die News aus den Bildschirmen gegen die Köpfe in den kleinen fein säuberlich geputzten Zimmern.

Während hohe Feuerwände die aufgereihten Häuser Kaliforniens verbrennen, ist im Wahlkampf kein Wort von der Klimakatastrophe zu hören.

Während erste Feuerpausen die grausamen Schrecken des Krieges offenlegen, ist im Wahlkampf ein Wort namens Remigration zu hören.

Während mit Feuereifer Rechtsextreme gegen die Menschlichkeit hetzen, ist im Wahlkampf kein Wort der Brandmauer zu hören.

Unter festgefrorenen Mienen wird inszeniert,
was nicht passt, wird wegargumentiert,
die Wahrheit wird zurechtgebogen
und der eisblaue Anzug gerade gezogen.

Zwischen den ganzen blitzblank geputzten Fassaden treffen Worte wie kalter Wind ins Gesicht. Die Menschen schlagen den Mantelkragen höher und hasten mit gesenktem Blick durch die Straßen. Aber der kalte Wind ist tückisch, er bläst Worte durch die Schichten. Sie kratzen auf der Haut, breiten sich hinter gerunzelten Augenbrauen aus und drücken auf die Gedanken. Kältekopfschmerz, das passt gut.

Klick, News geschlossen. Doch die Welt lässt sich nicht einfach aussperren. Dieses miese Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Um das zu unterdrücken, muss die Klimaanlage noch drei Stufen höher gedreht werden. Kälte in den Köpfen löscht langsam die Gefühle. Gefrorenes Gehirn Syndrom, das passt gut.

Irgendwo zwischen den eingeschneiten Synapsen des Frontallappens sind die Informationen versteckt. Kabinett, Klima, Kriese, Krieg, fein säuberlich zu Eiszapfen gefroren. Gräbt man noch tiefer durch den Schnee, kann man vielleicht das Mitgefühl und die Menschlichkeit finden. Schwach sind ihre Schemen unter der Eisschicht zu sehen.

Chat GPT braucht eine neue Definition für Brainfreeze. Mit Wasser und Nahrung hat das nichts zu tun. Kältekopfschmerz, das passt gut. Gefrorenes Gehirn Syndrom, das passt gut.

Brainfreeze? Der Anfang vom Ende der Empathie.


Beitragsbild ©Valentin Brosda

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