Herrlich, eher nicht! 

Herrlich, eher nicht! 
Herrlich, ein Herr, der Hausherr, der Herrscher, der Herr im Himmel – Was wir oft beiläufig sagen, trägt eine Geschichte in sich die Jahrhunderte patriarchaler Ordnung widerspiegelt. Sprache ist nie nur Sprache – sie ist Spiegel und Gestalter unserer Realität. Was sagt es dann über unsere Sprache aus, dass selbst ein so positiv belegtes Wort wie »herrlich« auf solche Strukturen zurückzuführen ist?

von Adina Kükelhahn

Ein zufriedenes Grinsen im Gesicht und ein seufzendes »Herrlich!« kann nach dem ersten Schluck heißem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt genau die richtige Beschreibung sein. Immer mehr meiner Freund:innen benutzen den ein wenig altmodische Begriff um schöne Moment zu charakterisieren. Und doch regt sich in mir ein leichter Widerstand, wenn ich das Wort höre. Wer genauer hinhört, stellt fest: Im Wort »herrlich« versteckt sich ein »Herr«. Doch was hat es damit auf sich?

Die Etymologie von »herrlich«

Das Wort »herrlich« benutzen wir heute, um etwas besonders Schönes oder Wunderbares zu beschreiben. Aber seine Geschichte erzählt etwas anderes: Ursprünglich bedeutete es im Althochdeutschen »hirlich« so viel wie »erhaben« oder »hervorragend«. Doch schon damals verband man »hirlich« auch mit »hir«, was »Herr« bedeutete. Ab dem Mittelalter gewann diese Verbindung an Gewicht: »herrlich« wurde zu einem Wort, das die Vorzüge eines Herren beschrieb. Damit gewann »herrlich« den Sinn von »herrenmäßig« oder »herrisch«. Erst später wandelte sich die Bedeutung und wurde zu dem, was wir heute darunter verstehen.

Kurz gesagt: Die Vorstellung von Würde, Pracht und dem Hervorragendem wurde mit dem Herrsein verbunden. Der Mann dient als Grundlage für solch einen positiven Begriffe. Er ist das Vorbild. Er das Zentrum. Er ist der Mittelpunkt der Welt. Er ist herrlich.

Diese patriarchalen Spuren in unserer Sprache sind kein Zufall, sondern Teil eines größeren Problems: Unsere Welt wurde jahrhundertelang so gestaltet, dass der Mann im Mittelpunkt steht – sprachlich und gesellschaftlich.

Das Patriarchat in unserer Sprache

Sprache formt unsere Realität. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, um Gedanken auszudrücken, sondern auch, um sie zu strukturieren und weiterzugeben. Unsere Wörter tragen Geschichte in sich, und oft ist diese Geschichte patriarchal geprägt. In ihr zeigt sich, wie männlich geprägte Konzepte als Mittelpunkt tief in unserer Sprache verankert sind. Beachten wir allein das Generische Maskulinum. 

Unsere Sprache ändert sich nicht von heute auf morgen. Und gleichzeitig ist sie auch nicht in Stein gemeißelt. Sie kann und muss sich weiterentwickeln. Während manche Begriffe durch feministische Bewegungen bereits umformuliert oder hinterfragt wurden, bleibt vieles noch zu tun. Es ist längst überfällig, »herrlich« und ähnliche Begriffe zu hinterfragen und durch etwas zu ersetzen, das uns allen gehört.

Natürlich könnten manche sagen: »Ach, es ist doch nur ein Wort!« Aber Sprache hat Macht. Die Worte, die wir benutzen, prägen unser Denken – und unser Denken prägt die Welt, die wir erschaffen. Wenn wir das Patriarchat überwinden wollen, müssen wir auch in unserer Sprache anfangen. Nicht aus einem Pflichtgefühl heraus, sondern weil Worte unser Verständnis von einer gleichberechtigten Welt reflektieren sollten.

Eine Welt für den Mann

Die sprachlichen Spuren des Patriarchats sind dabei nur ein Teil eines viel größeren Problems. Unsere Welt wurde über Jahrhunderte hinweg für einen stereotypen Mann gebaut. Ob es sich um Arbeitsstrukturen, medizinische Forschung oder gesellschaftliche Normen handelt – immer wieder wird der Mann als Standard gesetzt, an dem alles andere gemessen wird. Diese Strukturen begünstigen männliche Körper, während Frauen und andere Geschlechter kaum berücksichtigt wurden. Das führt nicht nur zur Unterdrückung anderer Geschlechter, sondern auch zu massiver Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse.

In der medizinischen Forschung etwa sind viele Medikamente und Behandlungen hauptsächlich auf den männlichen Körper abgestimmt. Frauen erleben oft Fehlbehandlungen oder bleiben unzureichend versorgt, weil ihre Bedürfnisse schlichtweg nicht in die Studien einbezogen wurden (andere Geschlechter werden dabei nicht mal in Betracht gezogen). Auch in der Arbeitswelt zeigen sich die patriarchalen Standards deutlich: Von der Ausrichtung von Büros und Sicherheitsausrüstungen bis hin zur Erwartung, dass Care-Arbeit überwiegend unbezahlt und von Frauen geleistet wird, ist die Welt für den Mann und seine Bedürfnisse optimiert. 

Dieses Ungleichgewicht hat tiefe Wurzeln und wirkt bis heute fort. Es führt zu einer massiven Schieflage in der Gesellschaft. Wenn wir uns eine gerechtere Welt vorstellen, müssen wir nicht nur die Sprache anpassen, sondern auch die grundlegenden Strukturen, die weiterhin diese hegemonialen Männerbilder über alle anderen erheben. Eine gerechte Gesellschaft muss diese patriarchalen Strukturen erkennen, aufbrechen und bewusst Raum für andere Perspektiven schaffen. Nur so können wir eine Welt schaffen, die wirklich allen gerecht wird – in Sprache, Denken und Handeln.

Also, das nächste Mal, wenn ich einen perfekten Tag habe und kurz davor bin, seufzend »herrlich« zu sagen, werde ich innehalten. Vielleicht probiere ich ein neues Wort aus. Oder erfinde gleich ein ganz eigenes. Denn das Schöne verdient es, in einer Sprache ausgedrückt zu werden, die wirklich allen gehört.


Titelbild © Adina Kükelhahn

Quellen:

  1. Lakoff, George & Johnson, Mark (1980): Metaphors We Live By. University of Chicago Press.
  2. Sapir, Edward (1929): The Status of Linguistics as a Science. Language, 5(4), 207-214.
  3. Whorf, Benjamin Lee (1956): Language, Thought, and Reality. MIT Press.
  4. Criado-Perez, Caroline (2019): Invisible Women: Data Bias in a World Designed for Men. Abrams Press.
  5. DWDS (2024): » herrlich«. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Verfügbar unter: https://www.dwds.de/wb/herrlich
  6. RIFL (2020): Studi linguistici sulla percezione culturale. Verfügbar unter: http://rifl.unical.it/index.php/rifl/article/view/326
  7. Whorf, Benjamin Lee (2012): Language, Thought, and Reality: Selected Writings. MIT Press.
  8. CAU Kiel (2022): Geschlechtergerechte Sprache – Forscherinnen von der Förde. Verfügbar unter: https://www.gleichstellung.uni-kiel.de/de/geschlechtergerechte-sprache/forscherinnen_von_der_foerde.pdf

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