Sollten wir Angst vor Muskeln haben?

Sollten wir Angst vor Muskeln haben?
Während meines Auslandssemesters in Italien stieß ich in der Frauenumkleide eines Fitnessstudios auf ein Schild mit der Aufschrift: »Frauen und die Angst vor Muskeln.« Mein erster Gedanke war: Lustig.

von Eleonore Krisa

Ich habe definitiv keine Angst, Muskeln aufzubauen. Aber mir ist klar, dass Frauen und weiblich gelesene Personen, die muskulös sind, oft mit Vorurteilen konfrontiert werden. Warum? Weil Muskeln als »männliches« Merkmal gelten und Frauen, die kräftiger aussehen, nach patriarchalen Maßstäben oft als weniger attraktiv wahrgenommen werden.

Natürlich hängt diese Bewertung damit zusammen, dass unser »Wert« als Frauen viel zu oft über den Male Gaze definiert wird. Doch obwohl ich mich durch kritische Auseinandersetzung mit diesen Mustern davon distanzieren konnte, verstehe ich jede Person, die mit solchen internalisierten Schemata zu kämpfen hat. Zuerst dachte ich also, das Schild sei vielleicht eine Art Aufklärung oder Empowerment: »Lasst euch nicht von solchen Klischees beeinflussen!« Leider war das Gegenteil der Fall.

Die Highlights einer toxischen Liste

Die darauf folgende Liste der Gründe, warum Frauen »keine Angst vor Muskeln haben sollten«, las sich, als hätte sie ein schlecht recherchierter Podcast für toxische Männlichkeit formuliert. Hier die besten (oder schlimmsten) Punkte:

          1.       »Es ist unmöglich, dass Frauen die gleiche Muskelmasse wie Männer aufbauen, weil sie nicht genug Testosteron haben.«

Wie beruhigend! Also keine Sorge, Ladies – wir haben eh ein biologisches Limit und können niemals »so stark« wie Männer werden. Gleichberechtigung? Brauchen wir doch gar nicht, wenn die Natur uns sowieso Grenzen setzt!

          2.       »Muskelmasse ist die beste Abwehr, um nicht dick zu werden.«

Ah, die alte Leier. Wofür unser Körper überhaupt arbeiten sollte, ist also klar: Hauptsache, schlank bleiben. Denn dick sein – das ist ja bekanntlich das Schlimmste, was einer Frau passieren kann, oder?

          3.       »Muskelaufbau betont die weiblichen Kurven.«

Endlich, der wahre Grund für Frauen, Sport zu machen: um möglichst attraktiv für andere zu sein. Muskeln? Klar, solange sie »die richtigen« Körperstellen betonen und uns in die perfekte Mischung aus fit und feminin verwandeln. Danke für den Reminder!

          4.       »Sport während der Schwangerschaft ist gut für den Fötus.«

Ja, korrekt, Sport kann während der Schwangerschaft Vorteile haben. Aber dieser Punkt reduzierte uns in erster Linie auf unsere Rolle als »Fortpflanzungsgefäße«.

          5.       »Muskelaufbau verlangsamt den Alterungsprozess.«

Natürlich! Denn wir haben als Frauen schließlich keine Angst vor Muskeln, sondern vor Falten. Denn wer will schon altern, wenn die Gesellschaft uns ständig suggeriert, dass unser Wert mit dem Alter schwindet?

          6.       »Es stärkt das Selbstwertgefühl.«

Dieser Punkt war besonders absurd. Einerseits wird uns eingeredet, dass unser Wert hauptsächlich auf Äußerlichkeiten basiert. Andererseits sollen wir durch Sport ein stärkeres Selbstwertgefühl aufbauen – statt die Strukturen zu hinterfragen, die es uns rauben.

Der bittere Beigeschmack

Insgesamt las sich diese Liste wie eine Anleitung, wie Frauen ihr Leben nach patriarchalen Bedürfnissen gestalten sollen: jung, schlank, kurvig und attraktiv bleiben. Die Botschaft zwischen den Zeilen? »Euer Wert hängt von eurem Äußeren ab – aber tut so, als würdet ihr Sport nur für euch selbst machen.«

Das Fitnessstudio, ein Ort, der eigentlich Gleichberechtigung und Empowerment fördern könnte, wird durch solche Botschaften zum Spiegelbild einer sexistischen Gesellschaft. Statt Frauen und weiblich gelesene Personen zu ermutigen, Stärke und Unabhängigkeit zu feiern, werden sie auf ihren Körper und seine Funktion reduziert.

Ein Fazit mit Muskeln

Solange solche Schilder existieren, bleibt klar: Feminismus hat noch einiges zu tun – auch im Fitnessstudio. Es ist höchste Zeit, dass Frauen und weiblich gelesene Personen selbst entscheiden, warum sie Sport machen. Ob für Gesundheit, Stärke, Spaß oder Empowerment – diese Entscheidung sollte weder von einer Liste noch von gesellschaftlichen Erwartungen diktiert werden.

Und nein, wir haben keine Angst vor Muskeln. Aber vor solchen Denkweisen, die uns kleinhalten wollen, sollten wir vielleicht welche entwickeln.


Titelbild © Eleonore Krisa

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