Wenn der Juni kommt
Sommer, Sonne, Pride Month- was gibt es Besseres? Jeden Juni feiern wir auf unseren Straßen das queere Leben. Ich erinnere mich gerne an meinen »ersten Juni«.
Von Marie Odenthal
Der Juni war schon immer mein erklärter Lieblingsmonat. Als Kind waren es wohl mein Geburtstag, die ersten Freibadbesuche und die reif werdenden Erdbeeren in unserem Garten, die fast jeden Juni, an den ich mich erinnern kann, zu etwas Besonderem gemacht haben. Als ich älter wurde, hat der Juni noch eine weitere Bedeutung bekommen.
Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, das ich auf einer Pride Parade war. Das war auf dem CSD in München. Ich war damals 16, noch sehr viel jünger (zumindest in meiner eigenen Wahrnehmung) und gleichzeitig glücklich und aufgeregt. Ich weiß auch noch, wie genau ich alles um mich herum wahrgenommen habe und wie überrascht ich von der Menge an anwesenden Menschen war. So viele verschiedene Personen auf einem Fleck hatte ich bis dahin noch nie gesehen und das hat mich bestimmt eingeschüchtert.
Trotzdem habe ich diesen Tag in sehr positiver Erinnerung. Eine Begegnung, an die ich mich bis heute erinnere, war mit einer Person, die mir und meinen FreundInnen damals Glitzerschmuck für unsere Haare geschenkt hat. Das und viele andere Dinge tragen zu dem Gemeinschaftsgefühl bei, das meiner Meinung nach so wichtig ist – sich nicht alleine fühlen, sondern wie mein sechzehnjähriges Ich sehen: Da sind ganz viele Andere wie ich!
Gleichzeitig bietet der CSD, oder versucht es, einen Safer Space für queere Menschen. Sich selbst und seine Community zu feiern, ist nichts selbstverständliches und dieses Privileg ausleben zu können, ist in der Gesellschaft anderer Menschen, die genauso fühlen, ein sehr schönes Gefühl. Gleichzeitig verdient es jeder Mensch, sich gesehen und wertgeschätzt zu fühlen. Was gibt es dafür einen besseren Ort als die alljährlichen Paraden der queeren Community?
Und zuletzt dürfen wir auch nie vergessen, was der CSD eigentlich ist: eine Demonstration. Der gelebte Ausdruck des Kampfes um unsere Rechte und unseren diskriminierungsfreien Platz in der Gesellschaft, der lange noch nicht vorbei ist. Indem wir auf die Straße gehen, sind wir mutig und zeigen laut, wer wir sind. Damit stehen wir auch für alle in der Sonne oder im Regen, denen genau das nicht möglich ist – in Deutschland und überall auf der Welt.
Vielleicht ist es eine Mischung aus allen diesen Aspekten, die am Ende bleibt: Freude über alles Schöne, Stolz auf sich und alle anderen Menschen, und ein kleines bisschen Melancholie, wenn auf dem Nachhauseweg in der Bahn die Regenbogenflagge wieder weggepackt wird. Der Juni als Pride Month und vor allem die CSD – Paraden in und um ihn herum zeigen uns jedes Jahr, wie viel Liebe in uns allen steckt; was möglich ist, und was noch getan werden muss.
Auf den Sommertag vor bald drei Jahren folgten viele weitere der gleichen Art. Noch mehr davon liegen noch in der Zukunft vor uns und jedes Jahr dürfen wir uns freuen, wenn der Juni kommt.
Beitragsbild: Marie Odenthal