Warum wir queeren Kitsch brauchen
Kitschige Liebesfilme und -serien sind nicht für jede:n etwas. Warum besonders solche, die sich mit queeren Themen beschäftigen, so wichtig sind – darum geht es jetzt am Beispiel von »Heartstopper«.
von Marie Odenthal
Die Romance- Section auf Netflix – gut bedient, könnte man beim abendlichen Scrollen meinen. Und wirklich, kaum ein Genre ist gleichzeitig so beliebt und so gut bespielt. Niemand kann aber wohl bestreiten, dass die meisten Filme und Serien sich um heterosexuelle Beziehungen drehen, obwohl in den letzten Jahren einige (zumindest teilweise) queere Projekte erschienen sind. Die Netflix– Serien »Young Royals«, »Sex Education«, und »Heartstopper« sind nur einige davon.
Um bei »Heartstopper« zu bleiben: Die Verfilmung der bereits ab 2019 erschienenen Comicbücher hielt sich nach der Veröffentlichung auf Netflix für ganze vier Wochen in den Top 10 Serien des Streamingdiensts. In der Serie geht es um die zwei Schüler Nick und Charlie, die sich in ihrer Highschool kennenlernen und sich schlussendlich ineinander verlieben. Im Laufe der Handlung bildet sich um die beiden eine akzeptierende Freundesgruppe, in der so ziemlich jede queere Identität ihren Platz hat. Nahezu perfekt also – daher die Klassifizierung als Kitsch. Und auch wenn »Heartstopper« Themen wie Mobbing, Familienprobleme und Angst vor dem Outing anschneidet, steht stets die glückliche Liebesgeschichte im Vordergrund. Dass dieser Zustand oft nicht die Realität und vor allem nicht die Jugendjahre queerer Menschen darstellt, ist offensichtlich. Zu ablehnend sind auch heute noch viele Teile der Gesellschaft, zu groß die Angst vor Ausgrenzung in der Schule oder im Freundeskreis. Sicher, einige (und immer mehr) Kinder und Jugendliche haben Glück, aber viele queere Personen haben nicht das Privileg, unbeschwerte Jugendjahre in der richtigen Gesellschaft zur freien Entfaltung zu erleben.
Vielleicht ist eben auch ein Grund für den Erfolg der Serie, dass Menschen gerne wenigstens auf ihren Bildschirmen sehen, was es im echten Leben zu wenig gibt. Sicherlich spielt auch die vermittelte Hoffnung eine Rolle, die queeren Jugendlichen Kraft sowie das Gefühl gibt, dass auch sie Liebe wie in den Märchen verdient haben. Wenn sie überhaupt erzählt werden, waren und sind queere Liebesgeschichten so oft mit Schmerz verbunden; ein Happy End für ein schwules oder lesbisches Pärchen ist selten in Sicht. Kein Wunder ist es da, dass LGBTQ+- Jugendliche oft pessimistischer in die Zukunft blicken. Eine der Besonderheiten von »Heartstopper« ist außerdem, wie unschuldig und süß anzusehen Nicks und Charlies Beziehung ist- keine Spur von der sonst so oft dargestellten Übersexualisierung und -problematisierung.
Damit beantwortet sich auch schon fast die Titelfrage, warum wir queeren Kitsch brauchen. Um eine Lücke zu füllen, die es viel zu lange gab und immer noch gibt. Um Hoffnung zu geben. Und um in der breiten Öffentlichkeit zu zeigen, dass queere (Jugend-)Liebe existiert und möglich ist.
Beitragsbild: Marie Odenthal