»Wahlheimat«
Über die etwas ungewöhnlichere Botschaft, die mir die zwei Wahlbenachrichtigungen in der letzten Woche überbracht haben. Eine Suche nach dem, was Heimat bedeutet – und wo man sie wirklich findet.
Von Greta Kluge
Zwei Briefe sind in der letzten Woche in meinem Briefkasten gelandet, die mich kurz aus meinem Alltag gerissen haben. Zwei Briefe, die bei mir Fragen ausgelöst haben, die sich der Großteil der Empfänger*innen wahrscheinlich nicht unbedingt sofort stellt. Die Abstimmung zur Stadtbahn in Regensburg und die Wahlbescheinigung zur Europawahl. Eigentlich sollten die Benachrichtigungen motivieren, sich politisch zu beteiligen. Für die Zukunft von Europa und die Zukunft des eigenen Zuhauses, von Regensburg aktiv zu werden. Und genau da wurde ich kurz stutzig. Ich bin seit knapp einem halben Jahr hier in Regensburg gemeldet, also ist es offiziell mein Zuhause. Absurd, das Wort, dass das Gefühl am besten beschreibt, das in mir hochkahm, als ich den Schlüssel meines Briefkastens wieder im Schloss umdrehte. Die Gedanken, dass sich das irreal anfühlt, ließen sich aber nicht einfach wieder wegschließen.
Obwohl ich seit Oktober in Regensburg wohne und wegen der sechs-Stunden-Zugfahrt, die ich bewältigen muss, um in meine Heimat zu fahren, selten zuhause war, fühlt sich Regensburg immer noch nicht wie zuhause an. Als sich die Türen des ICE Anfang der Semesterferien am HBF Bonn geöffnet haben, ich am Rhein entlanggelaufen bin und die vertrauten Orte und Menschen wiedergesehen habe, habe ich gemerkt, dass auch das sich nicht mehr so gewirkt wie früher. Emotional gibt es für mich als Studentin auch nicht wirklich einen Ort, der zuhause ist. Auf dem Papier ist es Regensburg. Vielleicht habe ich darauf ein bisschen vertraut, als ich Anfang April zurückgekommen bin, dass sich das schwarz auf weiß in meinen Kopf einprägt und mir suggeriert, dass ich jetzt hier zuhause bin. Allerdings war schnell klar, als ich beim Bäcker „Brötchen“ statt „Semmel“ gesagt habe und mir neulich fast ein Kölsch bestellt hätte, dass das auch nicht ganz bei mir angekommen ist. Ich schwebe praktisch zwischen den Welten, bin irgendwie heimatlos.
Heimatlos. Negativ konnotiert, mitleidige Blicke und irgendwie bedrohlich.
Das, habe ich diese Woche gemerkt, trifft aber nicht zu. Ich finde überall einen Ort, an dem ich mich aufgehoben fühle, hier in Regensburg, da wo ich aufgewachsen bin, bei manchen Menschen und vielleicht auch ein Stück weit in mir selbst. Ich schaffe mir meine eigene Heimat, mein Körper, meine Gedanken, alles, was ich bin, ist zuhause.
Heimat. Ein Gefühl, dass nicht immer mit einem Ort verbunden sein muss. Zwei Briefe, die mir vermittelt haben, wer ich bin und wohin ich gehöre: Zu mir.