Entfernungen Ausloten – von Wasserwelten bis zum Mond
Am 22. März gab das Theater Regensburg erstmals Einblicke in das Programm der neuen Spielzeit und gibt damit zu verstehen, dass es sich trotz der ausstehenden Ernennung zum Staatstheater weiter als Kulturangebot für alle Menschen begreift.
von Hannah Eder und Anne Nothtroff
Theater als unmittelbar, barrierearm und vertraut – diesem Selbstverständnis will das Theater Regensburgin der Spielzeit 2024/25 treu bleiben. Den Rahmen dafür bildet das neue Motto »Entfernungen«. Nach den vergangenen Mottos »Wahrheiten« und »Identitäten« sei es der Theaterleitung im kommenden Jahr ein besonderes Anliegen, auf einen Zeitgeist zu reagieren, der durch eine zunehmende Entfernung der Bevölkerung von der politischen Mitte gekennzeichnet ist. Dabei gehe es nicht nur um die Polarität zwischen Ferne und Nähe. Vielmehr sollen auch die Extremen ausgelotet werden, erklärt Intendant Sebastian Ritschel zu Beginn der Ankündigung. Geplant sind 30 Konzerte, 29 Premieren und vier Wiederaufnahmen. Es werden nicht nur Klassiker neu interpretiert, sondern auch Ur- und Erstaufführungen gespielt.
Der Anspruch in der kommenden Spielzeit ist, vor allem noch intensiver spartenübergreifend zu arbeiten. Die Stücke lassen sich daher in verschiedene Themenblöcke gliedern, in denen aus Tanz, Schauspiel und Musik für jede*n etwas geboten wird. Zentral dabei ist unter anderem das Thema Reise – in fantastische Welten, auf den Mond, durch die Zeit oder einfach als Sinnbild für das Leben. Außerdem will man sich im Rahmen verschiedener Inszenierungen neben dem Weltall auch die Natur unseres eigenen Planeten über Wasserwelten oder Beobachtungen tierischen Lebens erschließen und dabei gleichzeitig etwas über das Mensch-Sein erfahren. Unter den geplanten Produktionen, die zahlreichen neuen Input für das Theaterpublikum versprechen, finden sich vielfältige Highlights.
Aussichtsreiche Produktionen
Mit dem Schauspiel »Moby Dick« kann sich das Theaterpublikum auf die Inszenierung eines Klassikers im Haidplatz freuen. Der Roman des amerikanischen Schriftstellers Herman Melville wird von Anaïs Durand-Mauptit als Regensburger Erstaufführung inszeniert und nimmt die Zuschauenden mit auf die Abenteuerreise des Matrosen Ismael. Aus einer ganz anderen Richtung nähert sich »Wir sind auch nur ein Volk« dem neuen Spielzeitmotto an. Das Stück birgt eine Auseinandersetzung mit ostdeutschen Themen. Dabei handle es sich um eine humorvolle Annäherung an die Zeit des deutsch-deutschen Kennenlernens. Inszeniert wird das Schauspiel von Antje Thoms, die aufgrund ihrer eigenen Herkunft aus Ostdeutschland, ein großes Herz dafür hat, ostdeutsche Themen auf die Theaterbühne zu bringen.
Auch zwei Musical-Highlights finden sich im Programm – bei beiden handelt es sich um deutschsprachige Erstaufführungen und beide reisen, auf ihre Art, durch die Zeit. Zum einen wird Sebastian Ritschel Stephen Sondheims »Merrily We Roll Along« inszenieren; ein Musical, das die Geschichte einer Freundesgruppe im Rückwärtsgang erzählt und sich so von zerrütteten Beziehungen zurück zu jugendlichem Optimismus arbeitet. Zum anderen transportiert das Theater Regensburg sein Publikum mit »Come From Away«, geschrieben von Irene Sankoff und David Hein, zurück an den Tag des 11. September 2001 und lässt die von großen Emotionen geprägten Tage nach den Anschlägen durch zwischenmenschliche Begegnungen in einer kleinen Stadt in Neufundland Revue passieren.
Unter den Auftragswerken stechen zwei besonders wegen ihrer kreativen Idee heraus: Einmal das Schauspiel »Aali vom Kanali«, welches extra für das junge Publikum verfasst wird und die Geschichte eines Aals erzählt, der wie alle seine Artgenossen irgendwann den unwiderstehlichen Instinkt entwickelt, an den Ort seiner Geburt zurückzukehren und dafür eine weite Reise auf sich nimmt. Darüber hinaus wird die Poetry-Slammerin Hannah Haberberger mit »Conni Scheißt auf Alles« die Kindheitsheldin Conni in hochpolitischer und aberwitziger Manier neu aufleben lassen und bestehende Geschlechterklischees auf den Kopf stellen.
Die Sparte Tanz will außerdem mit »Passage« architektonische Merkmale der Stadt betanzen und so die Theaterbühne als Aufführungsraum weiter aufbrechen. Mit ähnlichem Ziel soll zum Ende der Spielzeit dann – in Anknüpfung an das Stadtraumprojekt »Wahrheiten« in der vergangenen Spielzeit 2022/23 – kreativ mit der umgebenden Infrastruktur interagiert werden. Ging es damals darum, die Leerstände der erneut mit Leben zu füllen, will man sich nun alle Räumlichkeiten des Theaters am Bismarckplatz, jene abseits der großen Bühne, zusammen mit der Öffentlichkeit erschließen und diese spartenübergreifend bespielen.
Auf dem Weg zum Staatstheater
»Entfernungen zu überbrücken ist eine Kulturaufgabe«, schreibt Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer in ihrem Grußwort der Theaterbroschüre. Das Regensburger Theater ist sich dieser Aufgabe auch in der kommenden Spielzeit stets bewusst. Kostenlose Angebote wie das Balkonsingen am Bismarckplatz bleiben bestehen. Auch das U30-Format sowie U30-exklusiv Veranstaltungen werden in der neuen Spielzeit fortgesetzt. Zudem soll das Community-Theater, die partizipative Sparte des Theater Regensburg, weiter gefördert werden. Die Produktionen dort sollen noch intensiver mit Workshops von Mitarbeitenden des Theaters angereichert werden, um Interessierten weiter einen Blick hinter die Kulissen zu bieten und gemeinsame Projekte anzuregen.
Auch der Weg vom Stadttheater zum Staatstheater ebnet sich in der kommenden Spielzeit. Ab der Spielzeit 25/26 darf sich das Theater Regensburg als bayerisches Staatstheater bezeichnen. Die höheren finanziellen Mittel sollen unter anderem, den Fokus auf die künstlerische Weiterentwicklung gewährleisten. Anspruch und Zuspruch seien für das Theater Regensburg kein Widerspruch, betont Intendant Sebastian Ritschel im Blick auf die kontinuierliche Nachfrage. In der vergangenen Spielzeit konnte eine Auslastung von nahezu 90 Prozent vermerkt werden – damit das so bleibt, kann sich das Regensburger Theaterpublikum auf eine abwechslungsreiche Spielzeit mit fantastischen, drastischen sowie emotional ergreifenden Inszenierungen freuen.
Beitragsbild: Tom Neumaier Leather