Was die Papaya mit Schwangerschaftsabbrüchen zu tun hat

Was die Papaya mit Schwangerschaftsabbrüchen zu tun hat

Schwangerschaftsabbrüche gehören zu den häufigsten medizinischen Eingriffen. Trotzdem sind sie kein offizieller Bestandteil der gynäkologischen fachärztlichen Ausbildung und immer noch stark stigmatisiert. Medical Students for Choice setzen sich dagegen ein.

von Anouk Sonntag

MSFC Regensburg

Dass man in Deutschland Gynäkolog:in werden kann, ohne jemals die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches gelernt oder geübt zu haben, finden Medical Students for Choice falsch. Die studentische Gruppe setzt sich für reproduktive Selbstbestimmung und eine feministische Gesundheitsversorgung ein. In Regensburg existiert sie seit 2022, gegründet hat sich die Organisation aber schon 1993 in den USA. Mittlerweile existieren MSFC-Gruppen in rund dreißig Ländern, immer mehr auch Deutschland. Die zwanzig Mitglieder der Gruppe hier an der Uni studieren größtenteils Medizin, aber auch Soziale Arbeit und Hebammenwissenschaften.

MSFC hat sich zum Ziel gesetzt, die medizinische Ausbildungssituation zum Thema Schwangerschaftsabbrüche zu verbessern und der damit verbundenen Stigmatisierung und Kriminalisierung entgegenzuwirken. Durch Vorträge, Workshops und andere Veranstaltungen versuchen sie, die fehlende universitäre Lehre der erforderlichen Kompetenzen und Fertigkeiten im Zusammenhang mit reproduktiver Gesundheit auszugleichen.

Ganz konkret fordern MSFC außerdem:

– die Loslösung der staatlichen Lehre von religiösen Ideologien

– dass staatlich geförderte Klinken Schwangerschaftsabbrüche anbieten müssen

– dass sie diese lehren und /oder in der Fachärzt*innenausbildung verankern

– dass Konfession keine Rolle in der medizinischen Versorgung spielen darf

– dass schwangere Personen und Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, geschützt werden.

Insgesamt ist es wichtig, zu betonen, dass es in keiner Weise um das Bewerben von Schwangerschaftsabbrüchen geht. Dass es sie gibt, ist unbestrittene Realität, es handelt sich also um die Zugänglichmachung und Entstigmatisierung. Die Verfügbarkeit von sicheren und legalen Abbrüchen steht außerdem in keinerlei Zusammenhang mit einem vermeintlichen Anstieg von Eingriffen.

Ein weiter Weg

Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche liegt in Deutschland bei ca. 100.000 pro Jahr. Laut Studien sind ungefähr ein Drittel der Schwangerschaften in Deutschland nicht beabsichtigt. Fast 18 Prozent dieser Schwangerschaften sind explizit ungewollt, mehr als die Hälfte (57 Prozent) davon werden aber trotzdem ausgetragen. Die Gründe für einen Abbruch sind ganz unterschiedlicher Natur und höchst individuell. Oft spielen finanzielle Unsicherheit, eine unabgeschlossene Ausbildungs- und Studiensituation oder instabile Partnerschaften eine Rolle. Fakt ist, dass es ungewollte Schwangerschaften immer und überall geben wird und die persönliche Entscheidung zu einem Abbruch ausschließlich der betroffenen Person obliegen sollte.
In Regensburg sind von 1324 Praxen mindestens 69 gynäkologische Praxen. Da keine der Praxen offiziell Schwangerschaftsabbrüche anbietet, müssen Frauen oft mindestens 100 Kilometer nach Nürnberg oder München fahren.
Zusätzlich zur zunehmend schlechten Versorgungslage gibt es in Regensburg keine gynäkologische Klinik ohne kirchlichen Träger, weshalb auch kein Krankenhaus Schwangerschaftsabbrüche durchführt oder lehrt.

Der Kampf für zugängliche sichere Schwangerschaftsabbrüche ist also leider immer noch lange nicht gewonnen.

Papayas und Kurzfilme

Da Theorie und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen kein fester Bestandteil der universitären Lehre sind, organisieren MSFC Alternativen, die auf das Defizit aufmerksam machen und Grundkenntnisse vermitteln. Zum Beispiel den Papaya-Workshop. Der heißt so, weil die Papaya in Größe und Beschaffenheit einem Uterus ähnelt. Deshalb bietet sie sich zum Üben des chirurgischen Schwangerschaftsabbruchs (der Vakuum-Aspiration) an. Natürlich bedeutet das nicht, dass die Teilnehmenden am Ende des Workshops im Stande sind, den Eingriff wirklich durchzuführen – vielmehr sollen erst einmal eventuelle Hemmungen abgebaut und eine Vorstellung vom Vorgehen bei einem Abbruch geschaffen werden. Der Workshop besteht aus einem Theorie- sowie einem Praxisteil und fand jetzt im Januar bereits zum zweiten Mal statt. Da an der Uniklinik keine Räume für den Workshop freigegeben werden, wird er an der Uni abgehalten.
Für ein Wahlfach, das konsequentere Lehre ermöglichen würde, haben MSFC bereits ein Konzept ausgearbeitet.

Schon im vergangenen Sommer hat die Gruppe außerdem an der Uni eine Dokumentation zu Schwangerschaftsabbrüchen gezeigt. Nun haben sie eine Vorstellung des Spielfilms Niemals Selten Manchmal Immer im Andreasstadel organisiert. Er wird am 6. Februar 19:30 Uhr zu sehen sein.

Das nächste MSFC Treffen ist am Donnerstag, den 18. Januar um 17 Uhr – neue Mitglieder sind immer gern gesehen!

Auf Instagram sind MSFC hierzu finden: https://www.instagram.com/p/C04wNytq-v8/

Quellen:

www.profamilia.de, 8 Fakten zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland

https://www.mehralsdudenkst.org/

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