»Dankbarkeit«
Zwischen dem Alltagstrott und all den großen und kleinen Problemen, die dieser mit sich bringt, vergesse ich manchmal, wie gut es mir geht. An einem ganz normalen Tag wie heute frage ich mich, wofür ich eigentlich dankbar sein kann.
von Paula Dowrtiel
To – Do Liste: an einem ganz normalen Tag
- Aufstehen. Während ich um acht Uhr den Wecker ausschalte, um dann einige Minuten später die Decke zurückzuziehen und mein warmes Bett zu verlassen, beginnt der Tag für zehntausende andere Deutsche unter anderen Bedingungen. Ohne Bett und ohne ein Dach über dem Kopf. Laut einer Studie des BMAS aus dem Jahr 2022 wachen 37.400 Menschen in Deutschland täglich auf der Straße auf.
- Zähneputzen. Für mich ist das schon lange ein Schritt in meiner eingefahrenen Routine, dem ich keinerlei Beachtung mehr schenke. Zahnpasta auf die Bürste, dann den Wasserhahn aufdrehen, vielleicht ein bisschen zu lange lasse ich gerade das Wasser laufen. Einen Luxus den sich rund ein Viertel der Weltbevölkerung nicht leisten kann. Zwei Milliarden Menschen weltweit fehlt es laut Unicef regelmäßig an sauberem Trinkwasser.
- Uni. Um 10 Uhr, zwei Stunden später als eigentlich geplant, betrete ich meine Vorlesung. Die erste habe ich gekonnt ignoriert. Während ich täglich entscheiden kann, wie und wann ich mich weiterbilden möchte, haben 34 Millionen Mädchen nicht mal die Möglichkeit in die Grundschule zu gehen. Unicef schreibt hier, dass sich vor allem Krisensituationen, wie Kriege oder Umweltkatastrophen, besonders stark auf die Bildung von Mädchen auswirken.
- Mensa. Heute liegt die Entscheidung zwischen Linsencurry mit Tofu und einem Semmelschmarrn. Qual der Wahl. Langsam esse ich meine Linsen und denke dabei an die 500.000 Kinder in Deutschland, die der Verband der Kinder- und Jugendärzte ermittelte, die regelmäßig hungern müssen.
- Heimweg. Schnell trete ich in die Pedale in Richtung Wohnheim. Während ich in sieben Minuten wieder in meiner Küche sitze, haben hunderte Millionen Menschen nicht die Möglichkeit nach Hause zu kommen. Sie sind auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Armut und Zerstörung.
- Dankbar sein. Jetzt sitze ich hier und reflektiere meinen Tag. Ich durfte heute aufstehen, in die Uni fahren, etwas Warmes essen und konnte am Nachmittag einfach nach Hause radeln. Ich schaue aus dem Fenster, der Nebel ist weg und die Sonne scheint in mein Zimmer. Ich bin dankbar. Dankbar, dass es mir so gut geht, dankbar für all die Möglichkeiten, die ich habe und für das Leben, dass ich leben darf.
Beitragsbild: Paula Dowrtiel