Die laute, schreiende, populistische Welt – Bericht zur »Mitte-Studie« im Kontext der Landtagswahl

Die laute, schreiende, populistische Welt – Bericht zur »Mitte-Studie« im Kontext der Landtagswahl

Ein Rechtsruck in der Politik lässt sich nach den Wahlen des Bayerischen Landtags nicht mehr leugnen. Dass auch die »Mitte-Studie« der Friedrich Ebert Stiftung das bestätigt, wurde am Mittwoch von den Herausgeberinnen diskutiert. Ein Bericht.

von Franziska Werner

Am Abend des 28. Oktober saßen die Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Niederrhein und Mitherausgeberin der Studie, Prof. Beate Küpper, sowie die Direktorin der Akademie für politische Bildung und Professorin für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr München, Prof. Ursula Münch, gemeinsam mit der Münchener Stadträtin Micky Wenngatz zusammen, um über das Ergebnis der »Mitte-Studie« der Friedrich Ebert Stiftung (FES) zu sprechen. Das Meeting wurde live übertragen und war für alle Interessierten geöffnet. Im Anschluss an das Gespräch konnten Fragen gestellt werden.

Wähler:innenverhalten verstehen

Die »Mitte-Studie« der FES untersucht das Verhalten derjeniger Wähler:innen, die die politische Mitte wählen. Das ist besonders relevant, da sich gerade nach den bayerischen Landtagswahlen, sowie denen in Hessen, eine steigende Anzahl an Wähler:innen abzeichnet, die für die AfD – eine rechtspopulistisch bis rechtsextrem einzustufende Partei – gestimmt haben. Dabei ist deren Wähleranteil seit 2018 von 11 Prozent auf 13,7 Prozent gestiegen, während der Anteil der »Mitte-Wähler:innen« von 61 Prozent auf 55 Prozent herabgefallen ist.

Rechtsruck und Stimmverlust

Küpper wies in dem Stream am Mittwoch darauf hin, dass das Problem nicht alleine bei den »Rechts-Wähler:innen« liegt, sondern auch bei dem Anteil derjenigen, die sich mittig verorten. Der Anteil von Mitte-Wähler:innen lag schon immer über 50 Prozent. Die »distanzierte Mitte«, Titel der Studie sowie des Meetings am Mittwochabend, soll explizit darauf aufmerksam machen, dass Mitte-Wähler:innen rechte und linke Ideologien nicht immer ablehnen, sondern diese in Kauf nehmen und sich nur scheinbar davon distanzierten. Diese »distanzierte Mitte« sei es auch, die eher dazu tendiere, rechts zu wählen. Eine Tendenz, die davon komme, dass sich ein großer Anteil in der Gesellschaft politisch unsicher ist und sich nicht eindeutig politisch verorten will, was wiederum von einer Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik zeuge und sich mit den Äußerungen rechter Parteien decke. Insgesamt führe das zu einem allgemeinen Rechtsruck in der Gesellschaft.

Die überlastete junge Generation

Überraschenderweise ist auch in der Generation der jungen Erwachsenen der 18- bis 35- Jährigen ein steigender Anteil an Wähler:innen auszumachen, die rechts gewählt haben. Wie kann das begründet werden? Durch die Corona-Krise sei, so Küpper, genau diese Generation von politischer Meinungsbildung von außen besonders betroffen gewesen und müsse daher als besonders überlastete Generation gezählt werden.

Kollektive Unzufriedenheit größer als persönliche Betroffenheit

Trotzdem solle man dabei laut der Herausgeberin der Studie nicht alles in einen Topf werfen. So fühlen sich gerade mal 9,5 Prozent der Befragten von den aktuellen Krisen persönlich sehr stark betroffen. Fragt man jedoch danach, ob Deutschland allgemein von den Krisen betroffen sei, so steigt die Zahl derer, die dies als sehr stark einstufen mit 18,6 Prozent auf das Doppelte. Es handele sich bei der Unzufriedenheit im Land also mehr um eine kollektive, als um eine persönliche Unzufriedenheit, so Küpper.

Stimmen für Rechts nur die Spitze des Eisberges

Laut Wenngatz gehöre natürlich auch ein Großteil der neuen AfD-Wähler:innen zu denen, die in der Coivd19-Pandemie zu den sogenannten »Corona Leugnern« gezählt wurden. Sie selbst habe die Unzufriedenheit über die Politik bei der Wahlvorbereitung hautnah miterlebt. Dass das hohe Wahlergebnis für die AfD nur die Spitze des Eisberges ist, lässt sich in der Studie gut ablesen.

Begünstigende Mechanismen hinter dem erstarkenden rechten Milieu in Deutschland © FES

Hier verbergen sich die Tendenzen nach rechts in der Basis, dem unteren Drittel des Eisberges. Dass die Studie ein sehr erschreckendes Ergebnis sei, dem stimmt auch Münch zu. Laut der »Mitte«-Studie verorten sich etwa 7,3 Prozent der Befragten genau in der Mitte, 14,5 Prozent links und mehr als doppelt so viel mit 35, 3 Prozent politisch rechts. So müsse man in jedem Fall nun nach dem »Warum?« fragen. Dass sich diese Tendenzen aber wahrscheinlich nicht mehr aufhalten lassen, stünde fest, befürchtet Münch.

Appell an die Regierung

Zum Schluss sind sich alle einig. Nicht nur Küpper spricht von der lauten schreienden populistischen Welt, in der trotz allem alle eingebunden wollen und möglichst auch bei Diskussionen eingebunden werden sollten. Auch Wenngatz meint, »Wir brauchen die Anknüpfung an die Frau und den Mann auf der Straße.« Münch stimmt dem zu und verweist dabei auf die Politik, die hierbei die volle Verantwortung trägt. Bei einer schlechten Politik müsse man sich auch an dieselbe wenden, wenn es darum geht, etwas ändern zu wollen. Politische Bildung, nicht nur für Schüler:innen, sondern auch für Lehrkräfte wird daher gefordert.

»Den Blick auf das Gute sollten wir nicht vergessen, auf die Menschen, die im Hintergrund weiter ehrenamtlich unterstützen, wo es geht.«

Mit diesen Worten beendet Prof. Beate Küpper das Meeting.


Wer mehr zu dem Thema wissen möchte, den verweise ich auf die Website der Friedrich Ebert Stiftung.

Beitragsbild © FES

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