Wie wir eigentlich reden – Ein Bubble-Phänomen
Jede Person bewegt sich in seiner/ihrer eigenen Bubble. Damit geht auch ein individueller Sprachgebrauch einher. Personen gehen unterschiedlich mit Worten um. Die Autorin berichtet von ihrer Erfahrung im Umgang mit Worten und wie die Sprache ihrer eigenen Bubble geprägt ist.
Von Julia Huber
Der links-grünen/links-grün-versifften/woken/liberalen Bubble wird ja oft einmal vorgeworfen, wir verhunzten die Sprache. Dieser Glottisschlag vor dem :innen beim Gendern, die doppelte Verwendung von Vornamen, wenn man für nicht-binäre Personen die Possessivpronomen vermeiden will, dieses Mit-der-Lupe-Draufschauen, ob Sprache sensibel sei – all das passt ja bekanntlich den eher konservativ orientierten Teilen dieser Gesellschaft oftmals nicht.
Ich persönlich mache das auch, das Nachdenken über die Implikationen meiner Sprache. Ich habe mir bewusst antrainiert, auf gegenderte Possessivpronomen verzichten zu können, wenn ein Mensch nicht-binär ist (Mo geht einkaufen, für Mos Feier oder Mo geht für die eigene Feier einkaufen); ich wäge mit meinen Freund:innen gemeinsam ab, welche Begriffe welche Implikationen haben. Oder haben könnten. Macht mir das Spaß? Nicht unbedingt. Aber irgendwie sehe ich es als meine Pflicht. Und irgendwie fühlt es sich für mich selbst so an, als wäre das richtig.
Aber dann, neulich, habe ich bemerkt, wie eine andere Freundin das Wort »Flüchtling« in meiner Gegenwart sagen wollte – und gestockt hat. Und dann saß ich da, während sie mit den Worten gerungen hat und irgendwann bei etwas gelandet ist, was mit Sicherheit so nicht existiert. Sie hat ein Wort geschaffen, weil sie dachte, ich wolle »Flüchtling« nicht hören.
Und ja, natürlich. Es gibt Dimensionen der Verwendung des Wortes »Flüchtling«, über die es sich lohnt, nachzudenken. Wie zum Beispiel, dass die Endung »-ing« oftmals negativ konnotiert ist. Schädling, Winzling. Deshalb verwende ich persönlich »Geflüchtete«.
Aber diese sehr subtilen Konnotationen, die sind erstmal nur das: Sehr subtile Konnotationen. Und ja, ich glaube daran, dass das Subtile in unserer Sprache sehr viel Macht hat und dass wir darüber reden sollten. Aber nicht innerhalb einer anderen Diskussion. Wenn jemand mir etwas erzählt und das Wort »Flüchtling« kommt vor, würde ich nicht unterbrechen, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich die Verwendung des Wortes nicht mag. Ich würde zuhören. Und dann über den inhaltlichen Punkt sprechen.
Ich finde es richtig, dass wir auf unsere Sprache aufpassen. Aber wenn die Freundin mir gegenüber das Wort »Flüchtling« nicht mehr verwenden will, weil sie denkt, ich würde es falsch finden, noch bevor ich irgendetwas gesagt habe, dann finde ich das nicht richtig. Ich möchte nicht, dass das Sprechen über Themen aufhört, weil wir uns nicht mehr trauen, Worte zu verwenden. (Außer natürlich dann, wenn die Worte respektlos oder menschenverachtend sind.)
Solche Gedanken mache ich mir zur Alltagssprache – und ich weiß, meine Freund:innen auch. Aber wir sind eine Bubble.
Und diese Erkenntnis war erstmal erschreckend. Dabei ist sie nicht so erstaunlich, so auf den ersten Blick. Trotzdem ist auch ein erster Blick nur möglich, wenn man hinschaut, und das tue ich manchmal nur, wenn ich mit der Nase drauf gestoßen werde. Ich wurde mit der Nase drauf gestoßen, weil ich mit zwei Freundinnen beim Mittagessen saß und sie davon erzählt haben, was Männer, die sie dateten, schon zu ihnen gesagt haben. Welche Begriffe. Wir sprachen dann über Worte, Beleidigungen, Sachen, die wir alle schon zu hören bekommen haben.
Wenn man Mehrsprachigkeit studiert, begegnet man früher oder später einer kleinen Figur. Anhand von dieser Figur, so wird man aufgefordert, solle man demonstrieren, wo man seine Sprachen verordnet. Zum Beispiel: Die deutsche Standardsprache (»Hochdeutsch«) im Kopf, das Bayerische im Herzen.
Aber wir jungen Frauen, wir können nicht nur unsere eigenen Sprachen verordnen, nicht wahr? Da sind noch mehr Schubladen im Kopf.
Eine Schublade mit den Dingen, die Männer schon über unsere Körper gesagt haben. Eine Schublade mit den Dingen, die andere Mädchen in der Schule/unsere Freundinnen schon über Frauenkörper gesagt haben, die nicht der Norm entsprechen. Eine Schublade mit den Dingen, die unsere Mütter schon gesagt haben, vielleicht, weil sie es von ihren Müttern gesagt bekommen haben. Eine Schublade mit den giftigen Komplimenten. Eine Schublade mit den direkten Beleidigungen. Eine Schublade mit den Worten, die Körperstellen benennen, die einst neutral waren und jetzt weh tun, weil wir jetzt unsicher sind.
Ich für meinen Teil weiß nicht, ob ich meine je vergessen werde. Manche von ihnen mit Sicherheit nicht. Und wenn ich mit meinen Freundinnen darüber rede, dann klingt es, als ob auch sie ihre Schubladen hätten. Und alle von ihnen kommen von Worten.
Worauf möchte ich hinaus? Meine eigene Bubble bemüht sich sehr sensibel mit der Sprachverwendung zu sein. Daran gibt es Aspekte, die meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen sind – meiner Meinung nach sollte niemand wegen meiner Bubble nicht mehr im Stande dazu sein, zu reden, aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Aber es gibt viel mehr Aspekte, die ich richtig finde. Darüber nachzudenken, ob man jemandem weh tut, wenn man redet, zum Beispiel. Darüber nachzudenken, welche Alternativen man in seiner Ausdrucksweise hat. Anzuerkennen, dass man auch mal selbst Umstände haben kann, wenn das heißt, dass man es anderen erleichtert.
Denn wenn man einfach so drauf los redet, verursacht man die Schubladen. Es gibt unendlich viele Leute, die das bezeugen können.
Meiner Bubble wird oft vorgeworfen, wir würden die Sprache verhunzen.
Was mich betrifft, so verhunze ich hundert Mal lieber meine Sprache als andere Personen.
Beitragsbild: Volodymyr Hryshchenko / Unsplash