»María der Liebe zu Buenos Aires bin ich!«
Eine Frau zwischen Illusion und Wirklichkeit – mit »María de Buenos Aires« des argentinischen Komponisten Piazzolla bringt das Theater Regensburg den Tango auf die Bühne des Bismarckplatz – und gibt dabei einen Denkanstoß, der leider immer noch zu aktuell ist.
von Yvonne Mikschl
Zum Stück
María (Fabiana Locke) hat es nicht leicht: Schon von Geburt an bringt ihr Name Unglück. Sie ist vieles zugleich: Heilige und Sünderin, Begehrte und Verlassene, eine Liebende und Leidende. Ihre Stimme singt den Tango, der sie laut dem Geist verdorben hat, durch die Straßen und nicht mal ihr Tod kann diese Stimme aus der Stadt verbannen. Gleichzeitig ist sie gefangen in einem Netz von Gewalt, Sexualität, Sehnsüchten und Fantasien. Wandelnd durch ihre Stadt Buenos Aires ist ihre Existenz eine Mischung aus Illusion und Wirklichkeit.
Ein Sinnbild – aber für was?
»María kam an einem Tag zur Welt, als Gott betrunken war. Sie kam zur Welt mit einem Fluch in der Stimme.«
Der Erzähler in »María de Buenos Aires«
Von Anfang an steht fest: Marías Leben wird kurz sein. Sie erinnert sich nur an zwei Schreie während ihrer Geburt, von dem einer Stirb! lautet. Auch wenn ihr Hintergrund erzählt wird, bleiben viele Fragen offen: Warum wird sie von jedem Mädchen beneidet, wie sie selbst sagt? Was ist ihr »Wissen um die ganze Wahrheit«? Warum muss sie sterben und wieso lebt ihr Schatten, der zu Ende hin ein Kind gebiert, trotzdem weiter? Fragen über Fragen…
Fest steht nur: Astor Piazzolla, argentinischer Komponist, schrieb mit »María de Buenos Aires« eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt. In Zusammenarbeit mit Horacio Ferrer entstand ein genreübergreifendes Werk mit Schauspiel, Tango-Tanz und Gesang. Nur die Intention der beiden hinter dem Stück scheint nicht sehr offen zu liegen. Vermutungen legen nahe, dass María als Sinnbild steht: Sehnsucht und Leidenschaft im Zwiespalt mit den Werten des Heimatlandes, die meist erzkatholisch geprägt sind. Sie ist gefangen in einer Welt, in der man vielleicht gerne lebt, aber sich selbst nicht so ausleben kann, wie man möchte – ein Problem, das viele heute leider immer noch täglich selbst erleben.
Die Inszenierung
Sommer Ulrickson schafft es in der Regensburger Inszenierung, die Geschichte von María so darzustellen, wie es Astor Piazzolla wohl im Gedanken hatte. Fabiana Locke überzeugt nicht nur mit ihrer Anfangsvorstellung, dem Gesangsstück »Yo soy María«, sondern auch schauspielerisch im dichten Netz von Sehnsüchten und Fantasien. Erzähler Thomas Mehlhorn spricht seine Zeilen mit Mikrofon und manchmal wird nicht ganz klar, was seine Rolle überhaupt in dem Stück ist, wenn er von den Geistern Marías verführt wird. Generell wirkt die Story verwirrender, als sie wahrscheinlich sein soll. Zudem ist nicht wirklich ersichtlich, warum die Besetzung und María hauptsächlich in weiß gekleidet sind – vielleicht als Zeichen von Marías Unschuld und ihrer Position zwischen Himmel und Hölle. Das Bühnenbild, weiß mit vielen Zeichnungen, basiert auf Ulricksons Idee eines Labyrinths, das die Ebenen zwischen Verborgenem und Sichtbarem besser darstellen soll. Die Drehbühne des Bismarckplatz-Theaters ist für genau das perfekt geeignet.
Die Musik
Musikalisch orientiert sich das Stück an Astor Piazzollas »Tango Nuevo«, dessen Geburtsstunde 1955 in Argentinien war. Dementsprechend ist im Orchestergraben des Bismarckplatz-Theaters neben einem Akkordeon, der europäischen Variante des, auch Gitarre und Klavier vertreten. Andreas Kowalewitz leitet das elfköpfige Musikensemble vom Klavier aus und im Gesamtbild lassen die Musiker:innen das argentinische Tango-Feeling aufleben. Gesanglich sticht nicht nur »Yo soy María« hervor, sondern auch der Sonntagsgesang am Ende des Stücks, bei dem Alejandro Nicolás Firlei Fernández brilliert. Sowohl der Gesang als auch die Dialoge sind sowohl in Spanisch (mit Übertiteln) als auch in Deutsch gehalten.
Fazit
»María de Buenos Aires« überzeugt im Stil des Tango Nuevo, obwohl die Handlung selbst an manchen Stellen verwirrend erscheint. Dem Regensburger Ensemble gelingt jedoch eine gelungene Umsetzung des von Piazzolla geschriebenen Stücks. Und vielleicht denkt so manch Zusehender am Ende der Vorstellung darüber nach, ob er:sie selbst schon mal zwischen schwarz und weiß stand oder gerade steht, zwischen Illusion und Wirklichkeit.
Hier der Trailer zum Stück:
Termine und Tickets unter: https://www.theaterregensburg.de/produktionen/mara-de-buenos-aires.html?ID_Vorstellung=273&m=1&back=day-020323
Beitragsbild: Felix Rabas, Fabiana Locke, Carlos Moreno Pelizari, Tanz-Ensemble – Foto Marie Liebig © Theater Regensburg