Kreatives aus der Schreibwerkstatt: Ich tu so
In der Schreibwerkstatt verfassen Studierende der Uni bei Prof. Jürgen Daiber Kurzgeschichten und Prosa. Wer Interesse hat, bei der Schreibwerkstatt mitzuwirken, findet auf der Website des Instituts für Germanistik mehr Informationen. Wir veröffentlichen jeweils einen Text pro Semester in unserer Heftausgabe. Habt ihr ihn schon in einer Zeitschrift am Campus entdeckt? Weiteren Autor:innen bieten wir eine Plattform auf dieser Website.
von Anna-Katharina Haimerl
Ich tu so
Ich tu gerade so als sei ich Ich
Ungefaked,
Obwohl ich es jetzt gar nicht bin.
Ich tu so, als sei ich so, wie Du meinst, dass ich bin
Und erfind mich dann für dich immer wieder neu.
Du siehst mich auch nicht so,
Wie ich bin,
Doch nur so wie ich will,
dass Du mich siehst.
Mein Kopf der Regisseur
Und mein Arm der gestikulierende Akteur.
Ich will ihn eigentlich nur finden,
Den besonderen Klang,
Mit dem ich Dich beeindrucken kann,
Denn ich selber glaube
Bin Dir nicht genug.
Ich spiel Dir aus meinen Repertoire,
Die schönsten Dramen
Die höchste Farce
Mein Gehirn ist der Tunichtgut
Der Intrigant im Zauberrahmen.
Meinem Herz, dem fehlt der Mut
Und ich kann auch nicht von Dir verlangen,
mich so zu verstehen wie ich bin,
Und das ist dann eben so,
Wenn auch nicht immer
So ehrlich.
Wir stehen uns gegenüber und
doch sehen wir uns verschwommen,
Denn Du hörst sie nicht,
Die Zwischentöne,
Verräterisch im Lügendickicht
Wartend, verharrend.
Und dein Blick ist immer so versonnen,
Manchmal habe ich das Gefühl ich
Hypnotisiere
dich
ganz aus Versehen
Und halt Dich sanft ab
vom Verstehen.
Ich pack alles in Phrasen
In Wendungen und schimmernde Seifenblasen,
Du meinst ich spreche so klar und sauber,
Ich lächle und schweige,
Mein Gehirn
Die Souffleuse verrät unhörbar:
Es ist alles nur ein Zauber.
Unsere Gespräche sind immer ähnlich:
Du sagst zu mir, »das hast du doch letztes Mal erzählt«
Ich stocke kurz, du meinst ich überleg
Obwohl ich nur im Lügenordner krame,
Mein Kopf ist mein Archiv
Mein Hirn der Regisseur
Und ich bin nur der unbelangbare Akteur.
Und während ich
Noch in meinen Lügenordnern krame
Und es zum Verzweifeln nicht find’
Ist dir schon wieder eingefallen,
Wie das Märlein gesponnen klingt.
Ich nicke ab und lächle leicht,
Zugegeben, ein bisschen erleichtert
Bevor mir ein »ja, schön dass du dich so für mich interessierst« entweicht.
Während du mir so von deinem Ich berichtest,
Von deinen intimsten Träumen erzählst,
Und wann du dich dann unter Alpträumen quälst,
Sehe ich dich lachen ehrlich und frei
Und sehe dich gar nicht richtig,
Denn ich bin schon wieder fleißig dabei,
Das nächste Lügenmärchen spinnend,
Beobachtend,
Scannend
Betrachtend
Verändernd.
Klackernd rattert mein Tinnitus-
die Märchenmaschinen in meinem Kopf
Sie laufen rund!
Und hoffe sie laufen schnell genug,
Und
ich lächle schüchtern und nicke ab,
Während
Mein Lügenmärchen noch zwischen den Worten
nachklingt…
Doch du hörst sie noch nicht,
Die verräterische Schwingung,
die die Worte fast entzweibricht.
Ich tu manchmal halt nur so:
Ich hör Dir zu und warte,
Bis ich wieder an der Reihe bin.
Du atmest aus,
Ich atme ein,
der Augenblick erreicht,
Dann recke ich mich,
Die Brust geht raus,
Ich höre ihn schon,
Den tosenden Applaus.
Ich setzte Mimik und Gestik ein,
Dass Du mir glauben musst.
Du strahlst und sagst,
»Das ist ja toll«
Ja, sag ich, das stimmt
Während Regisseur Hirn schon wieder das nächste
Märlein spinnt,
Das ist der besondere Klang
Mit dem ich dich beeindrucken kann.
So häng ich jetzt hier
Mein Schmerz, mein Herz
Mein Orchester melancholisch dirigierend im Off.
Ich denke gerade nicht an Dich,
Unsere Geschichten spinn ich weiter,
Ich sage Dir
die Zeit mit Dir
Das war die beste,
Das waren die höchsten aller Lügenfeste,
Doch am Ende warst du enttäuscht.
Nicht wegen dem Betrug –
Sondern weil ich mich Dir nicht anvertraut hab,
Mich nicht getraut hab
weil ich geglaubt hab
Ich wär dir nicht genug.
Ich tu manchmal halt nur so- und du?
Unglaublich stark.