Alltagsinseln – oder »Eine Anleitung zum Retten einer elektrischen Kaffeemühle«

Alltagsinseln – oder »Eine Anleitung zum Retten einer elektrischen Kaffeemühle«

Auf Instagram habe ich neulich den Begriff »Alltagsinsel« entdeckt. Unter Alltagsinsel verstehen Influencer:innen einen Ort, ein Ritual oder einen Gegenstand, der uns im Alltag Ruhe schenkt. Wie es uns Deutsche im Urlaub auf die Kanaren oder Balearen zieht, um mal richtig auszuspannen, bieten uns auch Alltagsinseln Erholung von der Uni oder der Arbeit – nur günstiger und mit weniger Ballermann. Und wie echte Inseln sind auch unsere Alltagsinseln den umgebenden Wassermassen manchmal schutzlos ausgeliefert – zumindest manche. 

von Hannah Ickes

Meine liebste Alltagsinsel ist mein Kaffee. Seit ich vor knapp zwei Jahren eine elektrische Kaffeemühle geschenkt bekommen habe, zelebriere ich das Kaffeetrinken täglich. Ich liebe es, verschiedene Bohnen auszuprobieren und freue mich jeden Morgen, an dem kleinen Ausklapptisch in meinem Wohnheimzimmer einen Becher zu schlürfen. An einem dunklen Januarmorgen vor ein paar Wochen befand sich mein kleines Alltagsglück allerdings in ernsthafter Gefahr. 

Wie jeden Tag tapste ich an jenem Morgen direkt nach dem Aufstehen zu meiner Kaffeemaschine, um mir einen Kaffee zu kochen. Fast automatisch geht das mittlerweile: Bohnen wiegen, mahlen, in den Filter meiner Kaffeemaschine geben, Wasser holen, dazuschütten, einschalten.  Ein bisschen zu automatisch vollführte ich die üblichen Handgriffe an diesem Tag. Denn in dem Moment, in dem ich das Wasser in meine Kaffeemaschine goss, merkte ich, dass die Kaffeemaschine gar keine Kaffeemaschine, sondern meine elektrische Kaffeemühle war. 

Dass das ziemlich dämlich war, bestätigte mir nicht nur die plötzliche Dunkelheit in meinem Zimmer – die Sicherung auf meinem Wohnheimflur war herausgesprungen, weshalb sich auch meine Mitbewohner:innen in kompletter Dunkelheit befanden – sondern auch der Angestellte der Firma, die meine Kaffeemühle produziert, als ich ihn am nächsten Tag anrief, um ihn um eine Anleitung zum Retten einer elektrischen Kaffeemühle zu bitten. Ich hatte die Kaffeemühle selbstverständlich erstmal über Kopf trocknen lassen.

Tatsächlich gab es eine Anleitung: Ich solle einen Staubsauger in die Kaffeemühle halten und anschließend mit einem Löffel vorsichtig getrocknetes Kaffeepulver aus dem Mahlwerk kratzen, sagte er mir. Seine Worte trösteten mich gleich in zweierlei Hinsicht: Erstens schien seine detaillierte Beschreibung zum Retten meiner Kaffeemühle davon zu zeugen, dass anderen Vergleichbares passierte. Zweitens: Es funktionierte. 

Meine Kaffeemühle mahlt für mich wieder täglich Bohnen. Den Tag, an dem ich um sie bangte, werde ich allerdings so schnell nicht vergessen. Ohne mein Kaffee-Ritual, die Ruhe und Struktur, die es mir gibt, fühlte ich mich an diesem Tag ein wenig haltlos. Eine für mich wichtige Routine fehlte. Wie gut, dass ich meine Alltagsinsel wiederhabe. 

 

Nächste Woche gibt es dann wieder einen Wohnsinn von Paula.

 

Beitragsbild: Pexels | Pixabay

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