Wohnsinn-Kolumne: Von der Kunst des Ankommens

Wohnsinn-Kolumne: Von der Kunst des Ankommens

Über körperliche Unannehmlichkeiten zu Beginn des neuen Semesters hat Linnea in ihrer letzten Wohnsinn-Kolumne geschrieben. In diesem Beitrag soll es eher um die emotionalen Herausforderungen zum Semesterstart gehen. Der Prozess des Ankommens in Regensburg nach den Ferien wird von psychologischer und philosophischer Seite her beleuchtet. 

von Laura Kappes

Meine letzte Wohnsinn-Kolumne vor ein paar Wochen kam von meinem Roadtrip aus Spanien. Ich durfte meine Semesterferien im Van am Meer verbringen, was ich sehr genossen habe. Doch leider geht auch der schönste Urlaub zu Ende und ich befinde mich seit einigen Tagen wieder in Regensburg. Ich schreibe »befinde«. Doch gefunden habe ich mich hier noch nicht wirklich wieder. Mein Körper ist in meiner Wohnung, ja. Trotzdem sind meine Gedanken woanders, noch nicht angekommen im Uni-Alltag. In den Ferien schienen all die Vorlesungen und Seminare so weit weg. Und jetzt? Auf einmal wieder Anmeldungen, Präsenz-Termine, neue WhatsApp-Gruppen, Partys … Das kann ganz schön viel sein, finde ich. So sehr ich mich auf das neue Semester freue, ich fühle mich ein wenig verloren. Vielleicht geht es anderen Studierenden ähnlich … 

Ja, es ist ein ganz eigenes Gefühl. Noch nicht bei sich sein. Einen Orts- und Lebensstilwechsel durchmachen. Wieder eine andere Rolle einnehmen. Platz für Neues zu schaffen. Altes loslassen? 

Ein paar Worte, die ich zu dem Gefühl in meinem Tagebuch notiert habe, sind folgende: 

Zwischen den Welten

Zwischen Spanien
München und Regensburg 

fliegt meine Seele
und blickt verwundert
auf mich herunter

Ich sitz da
und weiß nicht wohin
mit mir und meinen Gedanken

Der Tag beginnt
nimmt seinen Lauf
doch ich blick nur zum Himmel auf 

Tagträumereien
tragen mich voran
ich kämpfe nicht dagegen an

Aber wie geht es, das Ankommen?

Ein Aspekt, den ich bereits in meinem Gedicht angesprochen habe, ist es das Gefühl da sein zu lassen. Dann fühle ich mich eben ein wenig lost. Na und? Ich finde nicht, dass wir allzeit leistungsbereit sein müssen und auf Knopfdruck zwischen Ferien und Uni wechseln sollten. Wer dem Transformationsprozess ein wenig Raum gibt, geht danach gefestigter raus. Das ist zumindest meine Erfahrung. In seinem transaktionalen Stressmodell beschreibt der Psychologe Richard Lazarus (1995) zum Beispiel, dass allein die »Erfassung der Lage« (auch »Informationssuche«) zu der erfolgreichen Bewältigung einer stressbehafteten Situation beitragen kann. Das bedeutet für mich, dass ich zu der Lösung meiner Situation beitrage, indem ich erfasse, was in mir passiert. Ich benenne also, wie ich mich fühle und welche Umstände diese Gefühle auslösen. Außerdem kann ich das Ereignis mit vergangen Situationen vergleichen. Dann fällt mir zum Beispiel auf, dass ich häufig eine Weile gebraucht habe, bis ich wieder in den universitären Alltag gefunden habe. Das kann helfen, die Situation neu zu bewerten und als weniger bedrohlich einzuschätzen, was nach Lazarus ebenfalls zur Bewältigung einer herausfordernden Lebenssituation beiträgt. Das wieder Ankommen nach den Ferien ist hier nur ein Beispiel. Die Theorie lässt sich natürlich auch auf wesentlich schwierigere Situationswechsel anwenden. 

Auf die Seele warten

Nicht ganz so wissenschaftlich, sondern philosophisch schön, wird der Prozess des Ankommens in einer Geschichte von einem Forscher in Indien beschrieben. Ein europäischer Biologe war auf Expedition im Himalaja in Indien. Der Forscher wollte nach einer kurzen Pause schnell wieder aufbrechen. Doch die einheimischen Träger sagten, sie müssten noch warten. Ihre Seelen bräuchten Zeit, um hinterher zu kommen. Ich fand die Formulierung sehr berührend und habe sie mir zu Herzen genommen. Warten wir also auf unsere Seelen. Geben wir uns die Zeit, die wir brauchen. Dann kommen wir ganz bestimmt alle gut im neuen Semester an. 

Nächste Woche geht es weiter mit einem Artikel von Anna-Lena. 

Beitragsbild: Jr Korpa | Unsplash

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