Wohnsinn-Kolumne: Wohnst Du noch oder lebst Du schon?
Ob WG, Wohnheim, Untermiete oder Ein-Zimmer-Apartment. Das Wohnen als Student*in ist – egal in welcher Ausführung – irgendwie immer ein Abenteuer. Und damit meine ich nicht nur merkwürdige Nachbar*innen, legendäre Party-Abende und die abstrusesten Angewohnheiten der Mitbewohner*innen, sondern vor allem die Bruchbuden, in denen man* diese prägenden Jahre des Erwachsenwerdens verbringt. Und obwohl ich all diesen fragwürdigen Wohnsituationen dankbar bin für die Anekdoten, die sie mir geliefert haben, habe ich langsam die Nase voll von herunterblätternder Farbe, abgewohnten Möbeln und befristeten Mietverträgen.
von Lotte Nachtmann
Ein bisschen absurd ist es ja schon, dass der Studierendenschaft auf der einen Seite immer noch dieses elitäre Oberschicht-Image anhängt, sie dabei aber – mehr oder weniger natürlich – vermutlich vergleichsweise mit den geringsten Summen monatlich auskommen muss. Dass sich dieses elitäre Oberschicht-Image so hartnäckig hält, hat beschämenderweise immer noch damit zu tun, dass jungen Menschen aus weniger privilegierten Schichten beim Weg in die Hochschulen eine ganze Wagenladung Steine in den Weg geworfen wird. Leider stimmt es weiterhin, dass viele Absolvent*innen sich ein Studium nur dank der Unterstützung der Eltern leisten können. Da die wenigsten dieser immer noch finanziell besser gestellten Eltern jedoch zu dieser kleinen Oberschicht gehören, die ihrem Nachwuchs die Eigentumswohnung im Münchner Szeneviertel zur Verfügung stellen können, heißt Wohnen für die allermeisten Studierenden vor allem eines: Friss oder stirb. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft die sozial Benachteiligten und die Studierenden also gleichermaßen. Ganz zu schweigen von denjenigen, bei denen beides zusammenkommt.
Günstig, günstiger, keine Wohnungstür
700, 800, 900 Euro für ein WG-Zimmer sind in München keine Seltenheit. Und wenn man* auf WG-gesucht durch die Inserate scrollt, werden auch in Regensburg immer öfter Preise von mehr als 400 Euro aufgeboten. Zwar habe ich das Privileg, von meinen Eltern unterstützt werden zu können, aber das ist nun auch wieder nicht drin. Deshalb war das bestimmende Ziel meiner bisherigen Wohnungssuchen, möglichst günstig zu bleiben. Während meines Bachelors war die konsequente Antwort darauf das Studierendenwohnheim, dessen Rahmenbedingungen bereits einige Wohnsinn-Kolumnen gefüllt haben. Ich bin auch weiterhin der Meinung, dass man* etwas verpasst, wenn man* als Student*in nicht einmal im Wohnheim gelebt hat. Allein die Begegnungen, die ich dort machen durfte, sind die schlaflosen Nächte, Schimmelschichten im Kühlschrank und Verletzungen aufgrund von zu wenig Workout-Platz wert. Doch irgendwann hatte ich auch genug davon, in die Küche zu kommen und keine Stühle vorzufinden oder das brennende Essen des Mitbewohners aus dem Fenster werfen zu müssen.
Den Gipfel der absurden Wohnsituationen wird allerdings auf ewig meine WG in Frankreich bilden. Stichwörter sind hier: WC mit Loch in der Wand, kein einziger rechter Winkel, mehrprozentige Steigung des Fußbodens, keine Wohnungstür, dafür aber eine blockierte Haustür, minütliche Stromausfälle und Polar-Temperaturen. Alles im Nachhinein irgendwie witzig, aber in Summe doch mehr als fragwürdig.
Da muss ich schon sagen, dass die Wohnsituation, in der ich mich seit Beginn meines Masters befinde, doch die beste der bisher fünf Unterkünfte meines Studiums ist. Zwei-Zimmer-WG, möbliert, einigermaßen bezahlbar, eine Freundin als Mitbewohnerin. Ja ok, die Nachbar*innen bringen mich regelmäßig zur Weißglut, aber alles in allem besser als alles zuvor. Und dennoch stellt sich bei mir langsam aber sicher das Gefühl ein, endlich leben und nicht mehr irgendwo temporär wohnen zu wollen. Was meine ich damit?
Maison-du-Monde vs. Marx
Erstens: Zwar ist es super praktisch, im Studium nur möbliert zu wohnen, da es mir einiges an Schlepperei bei den diversen Umzügen erspart hat. Aber mittlerweile habe ich es auch einfach satt, in Möbeln zu wohnen, die mir a) nicht gehören und b) überhaupt nicht gefallen. Schuld daran sind vermutlich zum einen die schicken WG-Zimmer meines Partners, der sich dank Arbeitnehmer-Status nicht nur die größere Wohnung, sondern auch eigene Möbel leisten kann. Zum anderen bin ich vermutlich vorgeschädigt von einer Mutter, die als Innenarchitektin immer größten Wert auf geschmackvolle Einrichtung legt. Und zu guter Letzt bin ich vermutlich auch verseucht von den Bildern monochroner, minimalistischer bis boho-verspielter, perfekter Instagram-Behausungen, die einem als Must-have für ein Leben suggeriert werden, in dem man* alles im Griff hat.
Zweitens: Nicht in den eigenen Möbeln zu wohnen, ist eine Seite des allein optischen Problems, das ich mit meinen bisherigen Wohnungen habe. Denn zum einem schönen Zuhause gehört mehr als nur ein neuer Badezimmerunterschrank. Denn selbst in fremden Möbeln könnte man* ja noch versuchen, durch Wandfarben und Dekoration den eigenen Stil durchzusetzen. Aber wie das als Student*in so ist, habe ich einfach nicht das Geld für ausgiebige Bauhaus-, Depot– und Maison-du-Monde-Hauls. Wie in wohl sehr vielen Studierendenbuden dominieren fancy Postkarten und mehr oder weniger satirische Marx-Plakate die Raumgestaltung. Daran habe ich mich nach bald anderthalb Jahren digitaler Uni wirklich sattgesehen. Wahrscheinlich wäre mir die zusammengestückelte und an allen Ecken und Kanten auseinanderbrechende Optik meiner Wohnung gar nicht so negativ aufgefallen, würde sie nicht seit Monaten und Monaten das einzige sein, was mir neben dem Supermarkt architektonisch so begegnet. Wer den ganzen Tag an der Uni verbringt oder mit Freund*innen unterwegs ist, sieht sein*ihr WG-Zimmer meist eh nur kurz, im Dunkeln oder verschwommen.
Kurz vor der Schwebe
Drittens: Und wäre es nicht genug, dass kaum Geld für eine Umgestaltung des WG-Zimmers da ist, fehlt mir auch offen gestanden die Motivation. Denn angesichts der Tatsache, dass ich die Wohnung unrenoviert (und etwas abgewohnt) übernommen habe, und hier nur noch bis zum Ende meines Studiums bleibe, sehe ich es gar nicht ein, tagelange Arbeit in eine Renovierung zu stecken. Ja und warum ziehe ich nicht einfach aus? Tja, wie erwähnt werde ich in etwa einem halben Jahr meinen Master beenden und damit in die unsichere Post-Studium-Welt entlassen, die sowohl beruflich als auch örtlich so ziemlich alles für mich bereithalten kann. Eine Zwischenmiete für ein halbes Jahr lohnt sich nun wirklich nicht.
Viertens: Zu all diesen Faktoren, die für mich aus meiner Studierendenbude schon lange kein richtiges Zuhause mehr machen, kommt hinzu, dass ich vermutlich weniger ausziehen, als mit jemandem zusammenziehen möchte. Nach inzwischen zweijähriger Beziehung und Lockdown-bedingtem ohnehin-schon-ständig-aufeinander-Hockens hat sich bei meinem Freund und mir so langsam das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Wohnung eingestellt. Wir haben es beide satt, uns ständig zu fragen, in welcher Wohnung sich welche unserer Habseligkeiten befinden und ebenso ständig durch die halbe Stadt zu fahren. Umso nerviger im Winter nach einem verregneten Homeoffice-Tag, der eigentlich keinen Grund bietet, die Nase in den Regensburger Nebel halten zu müssen. Es sei denn, man* hat das Laptop-Kabel in der anderen Wohnung vergessen. Doch auch hier stellt sich das zeitliche und perspektivische Problem meines bevorstehenden Studienabschlusses.
Ihr seht schon: Trotz vieler guter Gründe, das Studierendenbuden-Leben endlich hinter mir zu lassen, werde ich ihm wohl noch ein paar Monate treu bleiben müssen. Und vielleicht kann ja ein weiterer Corona-Winter doch noch abgewandt werden, und es kommt noch einmal ein bisschen Leben in unsere Studi-WG. Denn das ist doch eigentlich das einzige, das uns die zum Teil prekären Wohnverhältnisse unserer Unizeit verdrängen lässt.
Nächste Woche gibt es dann Wohnsinn-News von Laura.
Beitragsbild: Florencia Viadana | Unsplash