Wohnsinn-Kolumne: Dass ich noch da bin.
—–Folgendes ist eine Fortsetzung zum Text »Bin ich noch da?«, der im Februar 2021 online ging—–
Kalt ist es immer noch. Obwohl doch eigentlich schon Sommer ist. Ich sehne mich nach der Wärme, aber die Kälte hält mich zusammen. Hat etwas Beruhigendes, wenn mein Drin wieder droht unruhig zu werden. Denn dort ist es immer noch manchmal panisch und manisch und ängstlich. Also in meinem Drin. Aber oft auch nicht mehr ganz so flatterig.
Teil Zwei.
von Anna-Lena Brunner
Vor einiger Zeit habe ich einen Text zum Thema Panik und Angst geschrieben und wie’s mir dabei so geht. Wie das ist, wenn das Kribbeln mich überfällt und ich in lauter kleine Teile zerfalle und denke, dass ich nie wieder ganz sein kann. Damals habe ich geschrieben, dass es mir dann hilft, mich irgendwo außerhalb meines Körpers festzuhalten. Zu spüren, dass ich nicht zerfließe, dass außerhalb von mir Hartes, Weiches, Raues, Glattes ist.
Seitdem ich den Text verfasst habe, hat sich einiges geändert. Ich würde nicht behaupten, dass ich keine Panikattacken mehr habe. Dass ich mich nicht mehr überfordert fühle von den ganzen Eindrücken, von den vielen Stimmen und Geräuschen, die mich jeden Tag umgeben, die um und über und durch meinen Kopf flattern. Gerade letztens saß ich im überfüllten Bus, der Regen klopfte an die Scheiben und mir flüsterte gerade eine schlaue Stimme etwas über die Samen, ein aus Nordskandinavien stammendes indigenes Volk, in mein Ohr und alles war gut.
Plötzlich fühlte ich, wie mein Herz schneller schlägt und die ganzen Wörter, Sätze und Eindrücke, die ich über den Tag aufgenommen hatte, fielen wild durcheinander. Wie ein Wirbelsturm bauschte sich alles auf bis ich nur noch ein dumpfes Rauschen in meinem Kopf vernahm.
Aber was tun jetzt? Ich hatte keine Wände um mich, die abgespeckten Haltegriffe des Busses boten mir nicht wirklich was sie versprachen – Halt! Ich hörte schon, wie mein Atem schneller geht und wie meine Gedanken schwindelig werden. »Jetzt bloß nicht umkippen!«, rufe ich mir selbst zu. Und irgendwie schaffe ich es dann auch. Mich wieder zu beruhigen, wieder in mir zu ruhen und keine Angst mehr zu haben.
Müde steige ich aus dem Bus und lasse mich erleichtert in mein Bett zuhause fallen. Ein paar Minuten liege ich so da und beobachte die Schatten, die lustige Muster an die Wand malen. Irgendwie fühle ich so was wie Stolz in mir drin. Ich habe mich gerade eben nicht der Angst, der Panik hingegeben, sondern es irgendwie geschafft, mich ihr entgegenzustellen. Wie genau ich das gemacht habe? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es mir nicht nur guttut, mich an anderen Dingen festzuhalten, sondern auch an mir selbst manchmal. Denn vielleicht sind ja die Wände, an denen ich am meisten Widerstand und Weite und Halt verspüre, meine eigenen. Denn was ich dann auch noch weiß: dass ich noch da bin.
Justine berichtet euch dann nächste Woche von ihrem Wohnsinn. Freut euch drauf!
Beitragsbild: ©Tanya Trofymchuk on Unsplash