Von Grenzen des Wachstums und der Möglichkeit eines bewussten Konsums
Drang zum Handeln: Andreas Huber vom Club of Rome, der freie Journalist Harald Klimenta und Birgit Kociper von Transition-Town-Regensburg riefen die Teilnehmer des Global Dinners am Dienstag zu einem Wandel des Lebensstils auf.
„Dein Name ist Chang. Du bist 50 Jahre alt und kommst aus Cambodia. Du musstest wegen des jahrelangen Bürgerkriegs sehr oft flüchten und wohnst jetzt auf einem besetzten Grundstück. Die Erde um das Haus ist mit Landminen übersäht, so dass du sie nicht landwirtschaftlich nutzen kannst. Du hast Angst davor, versehentlich auf eine Mine zu treten.“
Ein Leben, für das sich kein Mensch entscheiden würde. Eines, das keiner sein Eigen nennen möchte. Doch die Entscheidung liegt nicht bei den Menschen: Was am Dienstagabend beim „Global Dinner“ als „Schicksalskärtchen“ zufällig aus einem verdeckten, rosa Hut gezogen wurde, ist für eine große Mehrheit der Weltbevölkerung bittere Realität – die Entscheidung für dieses Leben lag nicht bei ihnen. Und die anderen? Nur ein kleiner Teil der Menschen auf der Erde genießen Wohlstand, ausreichende Gesundheitsversorgung und haben täglich Nahrung im Überfluss. Diese Schere zwischen arm und reich führten die Veranstalter des „Global Dinner“, der AG Globale Gerechtigkeit und der AK Unifair, den Teilnehmern mit den „Schicksalskärtchen“ vor Augen: An die Besucher wurden Lose verteilt, nach denen sich das Essen und der Sitzplatz richtete. Wer „Low Income“ hatte, musste sich mit einem Sitzplatz auf einem Teppich am Boden und Reis begnügen. „High Income“ versprach einen Sitzplatz am Tisch mit Getränken, Schnitzel mit Pommes und Bedienung. Die Ungerechtigkeit in dieser ungleichen Güterverteilung: Wie auch auf der Erde gab es weniger Lose für „High Income“ und weitaus mehr für „Low Income.“ Auf „Middle Income“ wurde komplett verzichtet. „Ein Blick in die Zukunft“, so Barbara Bachl vom AG Globale Gerechtigkeit bei der Begrüßung. „Wir wollen heute die Wurzeln dieser Ungerechtigkeit aufdecken“, sagte sie.
Kein Wohlstand für alle
Dass das Problem der ungerechten Verteilung kein statisches ist, zeigte Birgit Kociper von Transition Town Regensburg in ihrer Präsentation auf. Bei dem exponentiellen Wachstum der Weltbevölkerung merke man kaum, „wann es zu eng wird, da das Entscheidende erst zum Schluss passiert“, so Kociper. „Exponentielles Wachstum in einem begrenzten Raum mit begrenzten Ressourcen kann nie sehr lange anhalten.“ Wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand nach westlichem Vorbild sei an Erdöl gebunden – doch das Fördermaximum (peak oil) habe man bereits 2006 erreicht. Um der exponentiell wachsenden Weltbevölkerung einen Lebensstandard zu gewährleisten, sei daher schon jetzt das Fünffache an erneuerbaren Energien vonnöten. Zudem gehe die Umstellung der Weltwirtschaft auf erneuerbare Energien mit erheblichen Problemen einher. So bleibt Erdöl weiterhin der Motor des Wachstums; und dieses werde nicht-nachhaltig verbraucht. Die Folgen: Umweltschäden und globaler Temperaturanstieg. Die Frage laute daher: „Braucht man Wachstum? Und wo liegen die Grenzen?“
Vor rund einem Monat hat Jorgen Randers von der globalen Think-Tank Club of Rome eine düstere Zukunftsprognose präsentiert: Randers geht davon aus, dass das Wachstum der Weltbevölkerung bei 8,1 Milliarden Menschen stagniert und nicht wie erwartet die Neun-Milliarden-Marke knacken wird. Zudem würden drei Milliarden Menschen den Sprung zu einem besseren Lebensstandart nicht schaffen. „2052: A Global Forecast for the Next Forty Years“ ist die Fortsetzung der bereits 1972 erschienen Studie „Die Grenzen des Wachstums“. Schon damals warnte der Club of Rome davor, dass das Wirtschaftswachstum irgendwann zu einem Ende kommen müsse, da die Ressourcen endlich sind. Andreas Huber, Geschäftsführer des Club of Rome Deutschland, präsentierte den Teilnehmern des Global Dinners die neuen Erkenntnisse des Club of Rome. „Derzeit dürfen 80 Prozent der Weltbevölkerung nicht auf unserem Niveau leben. Sie alle wollen aber dort hin. Wenn wir aber unseren Lebensstandart auf die ganze Welt übertragen, dann brauchen wir 2050 drei Planeten.“ Das sei die Auswirkung des sogenannten „ökologischen Fußabdrucks“, jene geographische Fläche, die vonnöten ist, um den Lebensstil der Menschen zu ermöglichen, denn: „Die Welt braucht länger, sich zu erholen, als wir verbrauchen“, so Huber. Irreparable Umweltschäden, Temperaturanstieg und Klimawandel, Verlust von Trinkwasser auf der ganzen Welt und nicht mehr tilgbare Staatsverschuldung als Konsequenz – eine weiter auseinanderdriftende Verteilungsungerechtigkeit als Begleiterscheinung. Diese Tendenzen – steigende Bevölkerung, ökologische und ökonomische Grenzen – würden kumuliert die Welt vor eine große Herausforderung stellen: „Wie schaffen wir es, in Hinblick auf diese Grenzen, dass neun Milliarden Menschen auf einem Planeten leben können?“
„Denkt out of the box“
Die Antwort: „Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Es geht um euch. Gestaltet etwas. Informiert euch. Glaubt an euch“, so Huber. Vor allem ginge es um das Schaffen von Bewusstsein, da „wir zwar wissen, was wir tun sollen, aber so konditioniert sind, dass wir genau anders handeln.“ Die „Global-Marshall-Plan Initiative des Club of Rome versuche, dieser Konditionierung des Handelns durch das Schaffen von Bewusstsein entgegenzuwirken. Schließlich gab Huber den Teilnehmern des Global Dinners noch den Code zur Rettung Welt mit: „Denkt out of the box.“
Dieser euphorischen, positiven Handlungsanweisung erteilte der freie Publizist Harald Klimenta in seinem anschließenden Vortrag eine Absage: Durch den sogenannten „Rebound-Effect“ seien alle Bemühungen der Effizienzsteigerung von Technologien zum Scheitern verurteilt. Eine höhere Effizienz führe nicht zu Einsparungen, sondern zu mehr Wachstum. „Das Wachstum frisst die Effizienz auf. Wenn man ein spritsparendes drei-Liter-Auto baut, fahren die Menschen dann einfach mehr“, so Klimenta. Es sei der Kapitalismus, der den Menschen zu Konsum und Wachstum-Denken erziehe. Die einzige Möglichkeit sieht Klimenta in einem Ausstieg aus dem bisherigen Wirtschaftsmodell. So sei eine „Post-Wachstumsökonomie“ ein gangbarer Weg: Das Industriesystem müsse zurückgebaut werden, die Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden verkürzt werden, um den Menschen mehr Freiraum für den regionalen Markt und Engagement auf der Lokalebene eröffnen zu können. Das Ziel: regionale Autonomie.
Garden-Sharing und Regional-Währung vs. Weltwirtschaft
Dieses Handeln auf regionaler Ebene ist längst keine Utopie mehr: Die Transition-Town-Bewegung aus England hat bereits mehr als 70 Städte in Deutschland erfasst. Dabei geht es unter anderem um die Stärkung des regionalen Marktes, einer Abkoppelung von der ungerechten globalen Wirtschaft, Nachbarschaftshilfe und das Förderung eines nachhaltigen Lebensstils. Birgit Kuciper hat die Transition-Town-Initiative in der Dom-Stadt „Regensburg im Wandel“ gegründet. In verschiedenen Projekten und Veranstaltungen versucht diese Bewegung, dem Ideal des nachhaltigen Lebensstils und regionaler Autarkie näher zu kommen. So gibt es in Regensburg bisher unter anderem garden-sharing, eine Regional-Währung oder Regionalgeschäfte.
Das Global Dinner war ein Aufruf zum Handeln. Dass Motivation dazu unter den Studierenden herrscht, zeigt nicht zuletzt die Besucherzahl: Es kamen deutlich mehr als vom AG Globale Gerechtigkeit erwartet. Auch die rege Diskussion zum Schluss der Veranstaltung zeigte, dass das Interesse am Handeln vorhanden ist, dass aber auch die vorgeschlagenen Wege zu einer nachhaltigen Gesellschaft kritisch hinterfragt werden. Den meisten – wenn nicht allen – wurde jedoch klar, dass ein „business as usual“ nicht verantwortbar ist. Nicht zuletzt zum Wohle von dem von Minen umringten Chang.
Text: Christian Basl
Fotos: Franz Himpsl