Feminis:muss: »Haltung zeigen«
»Haltung zeigen« – das war das Motto des Workshops für mehr Argumentationssicherheit gegen anti-feministische Aussagen, an dem ich vor ein paar Tagen via Zoom teilnehmen durfte. Neben den inhaltlichen Aspekten hatte ich vor allem die Hoffnung, ein bisschen schlagfertiger zu werden. Denn nichts ist frustrierender als erst ein paar Tage nach einer hitzigen Diskussion auf eine passende Antwort zu kommen.
Am Freitag um 17 Uhr ging es los. Eines der (wenigen) Vorteile von Corona ist ja, dass man* überall und jederzeit an Seminaren und Workshops teilnehmen kann. Digital startete also das interaktive Argumentationstraining.
Flo von stuhlkreis_revolte und Laura von Gegenargument waren unsere Moderator*innen. Beide haben sie schon viel Erfahrung mit Argumentationstraining zu unterschiedlichen Thematiken. Und so führten sie uns zwei Tage lang durch den Workshop von der Stiftung für Leben und Umwelt Niedersachen unter dem Motto »Fit For Politics«.
Was mir zu Beginn gleich auffiel: Die sprachliche Sensibilität und die ruhige und sehr wohlwollende Art der Moderator*innen sorgte gleich für Entspannung und löste alle Anspannung, die es vielleicht bei einer digitalen Veranstaltung aufgrund von technischen Schwierigkeiten geben kann. Dazu kam eine sehr wertschätzende und offene Art, á la es gibt keine richtige Antwort für jede Situation, sondern jede Situation und jede Person ist anders. Später beschrieben viele Teilnehmende den Workshop als einen »safe space«. Dies sollte sich noch als essentiell herausstellten, denn wir übten anhand von eigenen Beispielen oder nahmen in Rollenspielen verschiedene Positionen ein, was mir ohne diesen »sicheren Ort« nicht so leichtgefallen wäre. Genau diese entspannte, bewertungsfreie Atmosphäre zeichnete sich durch eine offene Haltung gegenüber Meinungsvielfalt, Vertraulichkeit und Freiwilligkeit aus. Dabei wurde immer wieder auf das Bedürfnis der einzelnen Teilnehmenden eingegangen. Ich gebe euch mal ein Beispiel für diesen wertschätzenden Umgang und das Gefühl eines »sicheren Orts«: Teilnehmer*in trifft eine Aussage und fragt dann »Wie fühlt sich das für euch an?«
Nichtsdestotrotz wurde ein Grundkonsens vereinbart: ein Grundkonsens, der sich gegen antifeministische, (extrem) rechte, rassistische, antisemitische Aussagen und Haltungen aussprach.
Ein gegenseitiges Lernen und unsere eigenen Erfahrungen und Ideen spielten bei dem Workshop eine große Rolle. Ziel war kein rein theoretisches Aufnehmen von Wissen, sondern vielmest zu lernen, sich selbst Raum zu schaffen, die eigene Haltung zu reflektieren. Ein wichtiger Aspekt war also auch: »Was meinen wir (die Veranstalter*innen) eigentlich mit Anti-Feminismus?« Interaktives Training eben mit einem »Sprung ins kalte Wasser« bildete dann den Schlusspunkt, bei dem man* die kennengelernten Strategien anwenden kann.
Input Anti-Feminismus: Was meinen wir (die Veranstalter*innen) eigentlich damit?
Es gibt keine universell gültige Definition von Anti-Feminismus. Dieser Begriff ist schwer zu fassen entwickelt sich auch stetig. Was man* aber sagen kann: Anti-Feminismus ist so alt, wie der Feminismus selbst.
Vielfalt an Akteursgruppen und Themenfelder des Anti-Feminismus wurden aufgezeigt: Ich nenne hier nur ein paar Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
… von neoliberalen Anti-Feminist*innen: »Die Frau ist selbst schuld, wenn sie die Karriereleiter nicht erklimmt – eine reine Proklamation der Gleichberechtigung reicht aus!«
… von Konservativen bis zu reaktionären Journalist*innen: »Frauen sind selbst schuld, wenn sie kurze Röcke tragen und dann vergewaltigt werden!«
… oder christlich-fundamentalistischer Anti-Feminismus: »Romantische Beziehungen und Ehe bleiben Mann und Frau vorbehalten!« geben oder Gegner*innen von Abtreibung.
Jetzt wird konkret: Wie kann ich auf solche anti-feministischen Aussagen reagieren?
Note to myself: Es gibt nicht den einen Weg!
Das Handlungsdreieck hat mir sehr geholfen: Ich muss nicht immer in eine Diskussion gehen. Manchmal ist eine konstruktive Diskussion ja gar nicht möglich. Ich kann mich stattdessen klar positionieren oder etwas anderes tun:
- Diskutieren – Austausch von Argumenten
- Positionieren – Signal der (Nicht-)Zustimmung
- Etwas anderes tun – z.B. Betroffene unterstützen / sich solidarisieren
Uns wurden dann also verschiedene Situationen gegeben und je nachdem konnten wir uns im Dreieck positionieren.
Ein kleines Gedankenexperiment an dieser Stelle: Mach doch mal kurz die Augen zu und stelle dir vor, du befindest dich in folgender Situation: Du sitzt im Bus neben einem älteren Mann. Gegenüber küssen sich zwei Männer. Der ältere Mann gibt von sich: »Iiihh! Früher hätte es so etwas nicht gegeben!« Wie würdest du reagieren?
Im Austausch mit der Gruppe war dann sehr interessant, wie unterschiedlich die Situation aufgefasst wurde. In der Gruppendiskussion wurde mir klar, wie vielschichtig ein vermeintlich einfacher Satz ist und wie unterschiedlich man* reagieren kann.
Argumentationsmuster von Anti-Feminist*innen erkennen & reagieren.
Außerdem fand ich es sehr hilfreich, über die Argumentationsstrategien oder Muster, die manche Anti-Feminist*innen anwenden zu lernen und zu üben, darauf zu reagieren. Zwei Argumentationsstrategien sind mir besonders im Kopf geblieben:
Kronzeuge*innen-Strategie: Mitglieder der betreffenden gesellschaftlichen Gruppe werden als Sprecher*innen für die gesamte Gruppe bestimmt: »Du als Frau … ist es okay, wenn Männer Frauen die Tür aufhalten?«
Intersektionalität-Strategie: Überschneidung von Anti-Feminismus und Rassismus / völkischen Argumentationen: Vereinnahmung von Themen bezüglich weiblicher Personen zum »Schutz« der »eigenen« Frauen
Opferdiskurs-Strategie: Versuch des Appells an die Empathie des Gegenübers: »Euer Feminismus unterdrückt die Männer!«
Häufig werden in Diskussionen mehrere Argumentationsstrategien verknüpft.
Wie kann ich nun reagieren?
Ein wichtiger und gleichzeitig auf den ersten Blick sehr offensichtlich scheinender Punkt: ruhig bleiben! Oft wird vom Gegenüber das Ziel des Gesprächs definiert und mir übergestülpt.
Kennt ihr vielleicht solche Situationen?
Option: in Ruhe überlegen und sich fragen: »Was will ich von dem Gespräch und wie kann ich das kommunizieren?«
Ich nenne hier wieder nur ein paar Optionen, die mir vom Workshop besonders im Gedächtnis geblieben sind:
- Nachfragen / Rückfragen / Hinterfragen: (Aber: Wer fragt, bekommt auch eine Antwort … ) »Was meinst du mit … ?«
- Themenhopping stoppen: »Über welches dieser Themen möchtest du sprechen? Es sind mir gerade zu viele Nebenschauplätze. Ich möchte über den Punkt … sprechen.«
- Positive Leitbegriffe: »Was stellst du dir denn unter einer gerechten Lösung vor?«
- Powersätze: Ein Satz, der in jede Hosentasche passt und den ich jederzeit rausziehen kann und mich damit auch positioniere, z.B.: »Ich frage mich gerade, ob diese Aussage mehr über mich oder dich aussagt … ?«
Abschluss
An Tag zwei erfolgte der Sprung ins kalte Wasser: Verschiedene Rollenspiele und deren Reflexion standen an. Damit möchte ich euch dann auch entlassen: ein Beispiel aus unserem Workshop. Ihr könnt ja mal überlegen, wie ihr reagiert hättet …
Am Bahnhof kommst du mit einer unbekannten Person ins Gespräch. Ihr diskutiert über verschiedene Themen, u.a. über Adoptionsmöglichkeiten für in homosexuelle Partner*innenschaften. Er*sie regt sich auf und sagt: »Du hast als junge Frau doch eh keine Ahnung!« Wie reagierst du?
Nachklang
Ich kann das Argumentationstraining nur empfehlen. Zuerst war ich, wie auch einige andere Teilnehmende etwas enttäuscht, dass es nicht mehr konkreten inhaltlichen Input zu den Argumenten gab – eine Anleitung quasi, nach der ich mich richten kann. Am Ende der zwei Tage kann ich für mich allerdings sagen: Unsere Moderator*innen hatten recht. Jede Situation ist unterschiedlich. Am meisten gestärkt fühle ich mich durch das konkrete Anwenden, also den interaktiven Übungen. Aus dem Workshop gehe ich definitiv mit einem neuen Selbstbewusstsein in zukünftige Diskussionen!
Beitragsbild: ©Volodymyr Hryshchenko on Unsplash