Feminis:muss: »Dann mach doch mal die Bluse zu!«
Das Buch »Dann mach doch mal die Bluse zu« von Birgit Kelle wurde 2013 veröffentlicht und setzt sich mit den Frauen auseinander, die sonst eigentlich um die Aufmerksamkeit des Staates kämpfen müssen – den Hausfrauen.
– von von Franka Umlauf
Vor ca. einem Jahr ging #aufschrei durch die Medien. Unter diesem Hashtag berichteten Frauen, wo und wie sie Sexismus erlebt hatten. Es folgte eine große Welle der Empörung und viele Diskussionen wurden über das Thema geführt. Auch die Kolumnistin Birgit Kelle nahm mit ihrem Artikel »Dann mach doch mal die Bluse zu« öffentlich zu diesem Thema Stellung. Sie vertritt die These – entgegengesetzt zu allen anderen Beiträgen – dass viel sexistisch gedeutet würde, obwohl es gar nicht so gemeint sei. Sie wurde viel kritisiert, hat aber anscheinend trotzdem den richtigen Nerv getroffen.
Birgit Kelle legt dann nochmal nach und veröffentlicht 2013 ein Buch mit oben erwähnten Titel. Sie äußert sich zu den Themen Sexismus, Gendermainstream und Frauenqoute. Die Autorin möchte eine Stimme für alle Hausfrauen und Mütter sein, die sich nicht dafür rechtfertigen und entschuldigen müssen, wieso sie in der Zeit in der wir leben daheimbleiben und keine 40-Stunden die Woche neben Haushalt und Kindern arbeiten. Diese Frauen werden von Kelle ermutigt und in ihrem Buch bestärkt.
»Heimchen am Herd« & »ungenutztes Potential«
»Nicht jede Frau will heiraten, nicht jede Frau will Kinder, nicht jeder Mann will der Ernährer der Familie sein. Das ist Freiheit und Selbstverwirklichung in einer demokratischen Gesellschaft, und niemand hindert sie daran.« Das ist das Leitmotiv von Kelles Buch. Sie lässt Akzeptanz walten, wenn sich eine Frau für den anspruchsvollen Job der Hausfrau entschieden hat und fordert, dass dieser gesellschaftlich wieder mehr anerkannt wird. Niemand wird zu diesem Job gezwungen, sondern man* kann die Entscheidung selbst fällen und hat sich bewusst für ein solches Leben entschieden: »Nein, verdammt, wir müssen nicht befreit werden aus dieser Situation. Wir leben im 21. Jahrhundert. Wir sind in keiner Zwangslage und wir lieben unsere Kinder, unsere Ehemänner, unsere Familien.« Somit bewegt sich Kelle in eine andere Richtung. Feministisch, aber eben trotzdem entgegengesetzt. Sowohl die erwerbslose Hausfrau als auch die berufstätige Frau haben beide eine Stimme in unserer Gesellschaft verdient.
Wer kümmert sich eigentlich um unsere Rente?
Die Mütter sichern die Renten, sind aber diejenigen, die am wenigstens von diesem System profitieren. Die Familienunterstützung in Deutschland ist in diesem Punkt auf jeden Fall verbesserungswürdig. Man* benötigt sicherlich mehr als einen landesweiten KiTa-Ausbau. Den Ansatz, Kinder immer früher und immer länger in staatliche Einrichtungen zu geben, hält sie sogar für problematisch. Birgit Kelle tritt hier für die gesellschaftliche Anerkennung für häusliche Erziehung von Müttern – und Vätern – ein, da die Krippen eine mangelhafte Qualität aufweisen würden und es nicht so viel Personal gäbe, wie nötig wäre, um Kindern ein gesundes Umfeld zu schaffen. Krippen könnten dieses Pensum, was gefordert wird, unmöglich erfüllen. Deswegen wäre laut Kelle hier das Betreuungsgeld ein guter Ansatz, jedoch greife dieser noch viel zu kurz. Denn auch Vollzeit-Mütter leisten etwas für das System, indem sie durch das Großziehen von Kindern die Renten anderer sichern, selbst aber keine Absicherung im Alter haben.
Frauenquote ist nur da, um Feminist*innen zu beruhigen
Kelle greift auch in diesem Buch die Sexismus-Debatte und die Frauenquote auf. Sie behauptet, dass sie Frauen nicht als benachteiligt wahrnimmt und äußert sich:
»Ich weigere mich außerdem, dieses Gedankengut an meine Töchter weiterzureichen. Sie sind schön, sie sind klug, sie werden ihren Weg gehen. Nach der Logik der ‚Es ist noch immer nicht genug‘-Fraktion […] müsste ich sie darauf vorbereiten, dass sie es ohne Quote nicht schaffen werden. Dass sie trotz aller Anstrengung ewig Opfer bleiben. Hat der Feminismus dafür gekämpft, dass ich meinen Töchtern das sagen soll?«
– Birgit Kelle
Kelle sieht die Frauenquote als eine Zwangsbeglückung, die den Opferstatus der Frauen nur weiter zementiere, vielleicht sogar »die perfideste Form der Unterdrückung« sei.
Das Thema polarisiert
Birgit Kelles Buch »Dann mach doch die Bluse zu – Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn” polarisiert. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und mit ihrer direkten, ironischen und meist auch sarkastischen Art beansprucht sie die Aufmerksamkeit der Leser*innen. Hier hat kein »Heimchen am Herd« seinen Lebensstil verteidigt, sondern eine kluge und gebildete Frau, die sich dafür einsetzt, dass sie als Hausfrau und Mutter ernst genommen wird. Die Autorin ist das beste Beispiel dafür, dass man* freiwillig Vollzeitmutter sein kann, aber trotzdem das Recht hat sich zu beschweren, weil man* nicht als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft angesehen wird. Außerdem stellt sie sich auch gegen das Vorurteil, dass Frauen weniger intelligent wären, nur weil sie bei den Kindern zuhause bleiben. Kelle versteht es, Diskrepanz deutlich zu machen. Frau darf und soll zwar alles ‒ nur nicht Hausfrau und Mutter sein. Man* muss sich dennoch klar machen, dass Kelle nicht für alle Frauen spricht. Unter den Frauen, die hauptberuflich Carearbeit leisten, gibt es selbstverständlich viele unterschiedliche Ansichten zu diesem Themengebiet. Dennoch ist sie eine Inspiration für viele Frauen. Man* muss ihrer Ansicht nicht zustimmen, es ist aber trotzdem wichtig, was sie zu sagen hat.
Beitragsbild: ©Henning Ross