Was hat es mit dem Krampus auf sich?
*** Adventsspecial ***
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Am Abend des 5. Dezembers wird er in Bayern traditionell von den Kindern erwartet: der Nikolaus. Dabei hat er aber nicht nur Süßigkeiten, Mandarinen und andere kleine Geschenke, sondern auch seinen finsteren Gehilfen, den Krampus, oft auch Knecht Ruprecht genannt. Doch wie ist der brave Bischof Nikolaus eigentlich zu diesem dubiosen Handlanger gekommen?
von Stefanie Heiland
Wenn ihr in Österreich oder wie ich im tiefsten Bayern aufgewachsen seid, teilen wir uns womöglich diese spezielle Kindheitserinnerung eines mulmigen Gefühles am Nikolaustag. Denn wer nicht brav war, so hieß es, lief Gefahr, vom Krampus mitgenommen zu werden. Ob das die pädagogisch wertvollste Form der Brauchtumspflege ist, sei mal dahingestellt. Jedenfalls hatte dieser Krampus meist eine Rute, rasselnde Ketten und einen großen Jutesack dabei, in den er aber entgegen der Legenden in der Regel keine Kinder steckte, sondern die Geschenke für seinen Arbeitgeber, den Nikolaus, transportierte.
Dieser Nikolaus ist ein gutmütiger älterer Herr mit Bischofsmütze und langem Rauschebart, ganz sympathisch eigentlich. Umso gegensätzlicher tritt die Gestalt auf, die er im Schlepptau hat und die eigentlich kein guter Umgang für einen Heiligen ist: Die Krampus-Darsteller*innen tragen in Bayern meist eine dunkle, pelzige Kutte und einen schwarzen Bart, unter dem das Gesicht kaum zu sehen ist. Noch schlimmer kommt es in Österreich: Dort verbergen sich die hiesigen Krampusse unter zotteligen Kostümen mit gehörnten Masken, vor denen es sich auch im Erwachsenenalter noch gruseln lässt.
Vor allem in Österreich ist der Krampus auch oft allein unterwegs. Die sogenannten Krampusläufe gehören dort fest zur Adventszeit und haben schon fast Volksfest-Charakter. Rutenschläge in Richtung der Zuschauer*innen sind dabei Teil des archaisch-aggressiven Brauchtums und führten in der Vergangenheit schon zu Gewaltexzessen.
Wie bei einigen anderen Weihnachtstraditionen wird auch beim Krampus vermutet, dass er sich auf einen heidnischen Brauch zurückführen lässt. Als wilde Schreckgestalten gekleidet und laut lärmend wollten die Menschen damals dem dunklen Winter trotzen und seine bösen Geister vertreiben.
Und obwohl er heute als christliches Brauchtum verstanden wird, wurde der Krampus in der Vergangenheit tatsächlich auch von der Kirche immer wieder für seine Ungehörigkeit gerügt. Damals war er noch ein reiner Volksbrauch und tatsächlich widmeten sich die Krampusse zu dieser Zeit auch der sozialen Kontrolle, rügten Geiz und schlechte Sitten. Darauf geht auch die Redewendung »Jemanden die Rute ins Fenster stellen« zurück – das taten die damaligen Krampus-Darsteller*innen nämlich oft bei der Obrigkeit, um sie zu ermahnen. Während der Inquisition wurde der Krampus-Brauch dann zeitweise sogar ganz verboten, denn das Verkleiden als teufelsähnliche Gestalt wurde unter Androhung der Todesstrafe verfolgt.
»Good cop, bad cop« – Krampus und Nikolaus
Kommen wir aber zurück zur Arbeitsgemeinschaft Krampus/Nikolaus: Am Namenstag des Heiligen sind die Rollen klar verteilt. Der Nikolaus lobt und tadelt die Kinder, die Braven werden von ihm beschenkt. Der Krampus dagegen macht ein bisschen Lärm und soll die Kinder, die nicht ganz so brav waren, erschrecken und »bestrafen«.
Klassische »Good cop, bad cop«-Taktik also, die der Nikolaus da nutzt. Das Sagen hat dabei immer noch er, der Krampus ist bloß sein Gehilfe – so siegt symbolisch das Gute über das Böse, die Teufelsgestalt ist dem Heiligen zu Diensten. Mit diesem Hintergedanken, der Trennung und Gegenüberstellung von Gut und Böse, wurde das Duo auch zusammengeführt.
Richtig angefangen hat das Nikolausbrauchtum wohl in den Klosterschulen des 17. Jahrhunderts und den dort am 5. Dezember begangenen Kinderbischofsspielen, in denen unter den Schülern ein Kinderbischof gewählt wurde. Damals entwickelte sich auch der sogenannte Einkehrbrauch, der Nikolaus zog also von Haus zu Haus.
Mit diesen Hausbesuchen wurde die Heiligenfigur pädagogischer und für diese Erziehungsaufgabe konnte sie einen Gegenpart gut gebrauchen. Darum wurde ihm eine Art Teufel zur Seite gestellt. Diese strikte Trennung von Gut und Böse, Himmel und Hölle entsprach auch den damaligen pädagogischen Vorstellungen: Der Nikolaus konnte sich den braven Kindern widmen, das Bestrafen nahm ihm der Krampus ab. Vorbild für dieses Krampus-Entwicklung war dabei auch das spätmittelalterliche Motiv vom Kinderschreck – um ihre Kinder zur Frömmigkeit zu erziehen, nutzten damalige Eltern gruselige Geschichten von finsteren Gestalten. Wie alle Kinderschreckfiguren sollte der Krampus den Kindern Angst machen und sie so zum Brav-sein motivieren: »Sei brav, sonst nimmt dich der Krampus mit«, daher kommt also dieser Spruch.
Auffällig ist auch, dass der Krampus noch heute vor allem in ursprünglich katholischen Gegenden verbreitet ist – und die katholische Kirche ist ja historisch bekannt dafür, dass sie gerne mal mit Einschüchterung gearbeitet hat. In den verschiedenen Regionen wird auch nach Begrifflichkeit unterschieden, wobei aber unklar bleibt, in welchem Verhältnis Krampus und Knecht Ruprecht stehen. Manchmal werden diese Bezeichnungen als Synonym benutzt, manchmal werden Unterschiede betont. In Nord- und Westdeutschland kennt man den Nikolausgehilfen jedenfalls eher als Knecht Ruprecht, der als protestantische Version gilt. Im katholisch geprägten Bayern und Österreich ist wie gesagt der Name Krampus mit seinem rabiateren Ruf gebräuchlicher.
Braucht’s den Krampus noch?
Obwohl der Krampus heute in Kombination mit dem Nikolaus zu einer religiösen Vorweihnachtstradition gehört, bündeln sich in der Krampus-Gestalt also zusammengefasst neben den christlichen Vorstellungen von Gut und Böse auch Aberglauben und etwas schwarze Pädagogik.
Vor allem aus letzterem Grunde muss der Krampus mittlerweile um seinen Job bangen: Vor zwei Jahren stufte die Grünen-Politikerin Josefine Paul ihn als »nicht mehr zeitgemäß« ein. Er passe mit seinen Drohgebärden nicht zur heutigen Vorstellung von Kindererziehung. Auch von Pädagog*innen und Psycholog*innen wird das klassische Krampus-Brauchtum immer wieder kritisiert. Und richtig, kein Kind sollte Angst vorm Nikolaustag haben.
Mir selbst ist der Krampus in den vergangenen Jahren nicht wirklich sympathischer geworden, was auch mit seiner medialen Präsenz zu tun haben könnte (in der Thriller-Serie Der Pass etwa treibt der Serienkiller unter einer Krampus-Maske sein Unwesen – noch Fragen?). Dieses Jahr können wir Krampus-Skeptiker*innen aber gelassen bleiben: Die Kontaktbeschränkungen gelten auch für den Nikolaus, allenfalls virtuell kann er die Kinder grüßen. Und über Zoom verliert der Krampus doch einen Großteil seiner Gruselfähigkeit. Die Lösung? Einfach den Laptop zuklappen.
Beitragsbild: © Anuja Mary Tilj on UnSplash