Mov:ement: Und was willst du werden, wenn du mal groß bist? Gangsterrapperin.
Nichts mehr wünscht sich Patricia Dombrowski aka Patti Cake$ aka Killa P (Danielle Macdonald): Eine glamouröse Karriere als professionelle Rapperin – und damit eine Flucht vor den Hänseleien und der Kleinstadt-Tristesse des ländlichen North Jerseys.
von Anna-Lena Brunner
Verraucht und verbraucht ist die Luft in der rustikalen Bar an irgendeinem traurigen Samstagabend in irgendeinem traurigen Städtchen irgendwo in North Jersey. Die vorwiegend männlichen Mitt-60er wollen bedient werden, um ihre trostlosen Existenzen in Whiskey-Cola zu ertränken. Die Barkeeperin Patti geht gezwungenermaßen ihren Pflichten nach. Dabei möchte sie nur eins: weitere Hip-Hop-Lyrics in ihr abgegriffenes Notizbuch kritzeln und sich dabei wegdenken – weit weg in die Welt ihrer Träume, in der sie Nicki Minaj längst vom Thron der Queen of Rap gestoßen hat.
Beim Träumen bleibt Patti allerdings nicht lange: Sie begibt sich bald mit ihrem besten Freund und Rap-Partner Hareesh/Jheri (Siddharth Dhananjay) auf eine Mission, das von Männern dominierte Rap-Business zu erobern und, vor allem, ihren Weg aus dem verhassten Kleinstadtleben zu finden.
»Patti Cake$ – Queen of Rap« (2017) von Geremy Jasper ist im Grunde eine klassische Coming-Of-Age-Story. Die Protagonistin – in diesem Fall Patti – ist auf einer Reise. Weg von all den Dingen in ihrem Leben, die sie zurückhalten. Von ihrer alkoholkranken, egozentrischen Mutter, von den bösartigen, mobbenden Jungs aus ihrem Viertel. Sie ist aber auch auf einer Reise zu sich selbst – ein Selbstfindungstrip gewissermaßen. Und der ist endlich mal nicht pathetisch-metaphorisch auf die Leinwand (oder momentan eher auf den Bildschirm) gebracht worden, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war (man denke nur an heilige Grale der Indiefilmszene wie »Into the Wild«).
Dieser Film ist subtil und gefühlvoll, ohne dabei aufdringlich zu sein. Und das, obwohl man ihn zweifellos als White-Trash-Rap-Musical-Dramedy bezeichnen könnte; alles nicht gerade dezent-zurückhaltende Themen. Trotzdem hat man nie das Gefühl, dass der Film ins Kitschige abrutscht. Das liegt sicherlich auch zu großen Teilen an der grandiosen schauspielerischen Leistung von Danielle Macdonald, die die Hauptrolle der Patti verkörpert. Die ursprünglich australische Schauspielerin hat sich für diese Rolle nicht nur einen amerikanischen Jersey-Akzent zugelegt, sie hat auch Monate vor Drehbeginn angefangen, das Rappen zu lernen. Abgesehen davon spielt sie die Rolle der Patti mit sehr viel Feingefühl. Ihr steht die innere Zerrissenheit buchstäblich ins Gesicht geschrieben, wenn sie sich zwischen der Zuneigung zu ihrer narzisstischen, doch auch gebrochenen Mutter und der Sehnsucht nach Freiheit entscheiden muss.
»Patti Cake$ – Queen of Rap« lebt von den leisen Momenten, die sich aus den lauten speisen. Laut und leise stehen sich dabei nicht als Gegensätze gegenüber. Sie verbinden sich vielmehr zu einem symbiotischen Tanz, der eine bunte Melange an szenischer Vielfalt zulässt.
Auch wenn man* auf den ersten Blick vielleicht nicht so viel mit Begriffen wie Rap und Coming-Of-Age anfangen kann: »Patti Cake$ – Queen of Rap« anzusehen lohnt sich auf jeden Fall. Jasper schafft es, sich aus der genrebedingten Gefahr des Kitsches zu lösen. Er bildet eine Momentaufnahme der amerikanischen Kleinstadt-Öde ab. Durch die Hoffnungen und Ängste der Protagonist*innen verliert diese Öde allerdings an Trostlosigkeit und man* wird hineingesogen in die Träume und Hoffnungen der soon-to-be Rapstars, die vielleicht, vielleicht auch nicht, irgendwann Wirklichkeit werden. Bis es so weit ist, üben sie halt einfach weiter auf leeren McDonald’s-Parkplätzen – ist für die Realness sowieso zuträglicher.
Anschauen kann man das Ganze momentan auf diversen Streaming Plattformen wie Netflix und Amazon Prime.
Beitragsbild: © Rollingstone