Feminis:muss: Frau FLOTUS hat genug
Melania Trump ist frustriert. In einem Sketch der Comedy-Sendung Saturday Night Live aus dem Jahre 2018 muss sie ihren Ehemann, den US-Präsidenten, zu dessen Regierungserklärung begleiten, hat aber gar keine rechte Lust darauf. Ein Glück, dass plötzlich die First-Lady-Veteraninnen Jackie Kennedy, Hillary Clinton, Michelle Obama und Martha Washington auftauchen, um Melania aufzuheitern. Einen besonders wertvollen Tipp gibt Jackie Kennedy ihrer Nachfolgerin: »Now get out there and do what First Ladies have always done: Stand there and clap.« Herumstehen und klatschen, das war’s? Zeit, einen genaueren Blick auf das Berufsbild »First Lady« zu werfen.
von Stefanie Heiland
Zumindest Melania Trump muss sich mit derartigen Problemen nicht mehr lange herumschlagen. Wie wir mittlerweile alle wissen (sogar Melanias Ehemann Donald mal vorsichtig eingeschlossen), wurde Joe Biden zum nächsten Präsidenten der USA gewählt. Aber nicht nur der Präsident wird ab Januar ein anderer sein, die USA bekommen mit Dr. Jill Biden auch eine neue First Lady.
Ein 2-für-1-Deal: Jill Biden wurde zwar nicht in ein Amt gewählt, wird aber trotzdem in den nächsten vier Jahren eine wesentliche Rolle im politisch-gesellschaftlichen Tagesgeschäft innehaben. Sie bekommt als First Lady ein Büro im Weißen Haus, eigene Mitarbeiter*innen, aber vor allem massig Verpflichtungen und an sie gestellte Erwartungen – und das alles, weil ihr Ehemann Joe den Job gewechselt hat. Eine klassische Mitgefangen-mitgehangen-Situation.
First Ladies zwischen Gartenarbeit und Gala-Artikeln
Aber was erwartet Dr. Biden nun genau? Wie sieht das Arbeitsprofil einer First Lady aus? Bleiben wir erst mal in den USA und werfen einen Blick auf den offiziellen Internetauftritt @FLOTUS. FLOTUS klingt nach Putzmittel, meint First Lady Of The United States und unter diesem Namen erfährt man auf Instagram und Twitter allerhand über den Alltag einer US-amerikanischen First Lady, momentan also über den Alltag von Melania Trump.
Im November 2020 hat die First Lady der US-Marine zum Geburtstag gratuliert, den National Adoption Day gefeiert, eine Skulptur im Rosengarten des Weißen Hauses enthüllt und eine riesige Tanne als designierten Weihnachtsbaum in Empfang genommen – sie freue sich darauf, das Weiße Haus weihnachtlich zu dekorieren, heißt es sinngemäß auf Twitter.
Am 24. November hat der Twitter-Account der FLOTUS ein Video geteilt, das die traditionelle Truthahn-Begnadigung zu Thanksgiving zeigt: POTUS, President Of The United States, hält eine Rede, FLOTUS steht daneben, dann inspizieren sie gemeinsam den Truthahn. In seiner Rede dankt POTUS der First Lady sogar für ihren großen Einsatz bei der Renovierung des hauseigenen Gartens (nett!); sie selbst hört man in den acht Minuten Videomaterial nichts sagen, dafür lächelt sie in den richtigen Momenten und als der Truthahn gerettet ist, klatscht sie ein bisschen. Zum Abschied ein freundliches Winken, dann geht es zurück ins Weiße Haus, ihr Auftritt ist beendet. Hatte Jackie Kennedy also recht?
Aus diesem groben Rückblick auf Melania Trumps Terminplan lassen sich jedenfalls einige Rückschlüsse auf das allgemeine Aufgabenfeld einer First Lady ziehen: In erster Linie ist sie die Hausherrin des Amtssitzes. Damit ist die US-amerikanische First Lady zuständig für alles, was das Weiße Haus betrifft; sie beschäftigt sich zum Beispiel mit der Gartengestaltung, ist verantwortlich für (Feiertags-)Dekorationen und natürlich ist sie auch die Gastgeberin bei Staatsbanketten und sonstigen Veranstaltungen.
Kurz gesagt: Wie eine klassische Hausfrau aus dem letzten Jahrhundert sollen sich First Ladies um das traute Heim kümmern.
Nun sind First Ladies zwar zusammen mit dem Frauenbild des 20. Jahrhunderts moderner geworden, aber ihre ganze Berufsbezeichnung beruht doch immer noch darauf
»Die Frau an der Seite von … «
zu sein. Darum ist ein wesentlicher Teil ihrer öffentlichen Aufgaben eben auch, genau das zu verkörpern: Die Staatsoberhäupter nahbarer und sympathischer zu machen, indem sie schlicht an der Seite ihrer Männer stehen, während diese Veranstaltungen besuchen, Reden halten, Amtsreisen machen und einfach ihre Präsidentendinger durchziehen. Die First Lady hat dabei relativ wenig zu tun, außer – wir ahnen es – lächeln, winken, interessiert dreinschauen. Das genügt aber, um einigen Fotograf*innen und Redakteur*innen ein gutes Auskommen zu verschaffen, denn wenn sonst nichts geht, ist das Outfit einer First Lady immer für eine Headline gut.
Eine richtige Goldgrube dahingehend war etwa der G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Die Zeitschrift Gala nahm ihn zum Anlass für einen Online-Artikel, der bis heute nichts an Relevanz eingebüßt hat; Überschrift: »G20 gipfelt in Modenschau der First Ladies«. Wer es genauer wissen möchte, kann sich in der dazugehörigen Bildergalerie »Die G20-Looks von Melania und Co.« ansehen. Auch das gehört zum Los der First Ladies: Egal, wo sie hingehen und was sie machen, sie können sich sicher sein, dass nicht wenige hauptsächlich daran interessiert sind, wer ihr Kleid designt hat – nicht umsonst gelten First Ladies in der Regel als Stilikonen.
Plötzlich Politikerin?
Nichtsdestotrotz haben sie auch eine gewisse politische Plattform. Traditionell sucht sich jede First Lady ein Thema aus, auf das sie sich während ihrer Amtszeit besonders konzentrieren möchte.
Laura Bush war die Alphabetisierung von Kindern wichtig, Michelle Obama hat sich mit ihrer Kampagne »Let’s Move« für einen gesunden Lebensstil im Kindes- und Jugendalter eingesetzt, Melania Trump wollte sich gegen Cybermobbing positionieren.
Merke: Zu kontrovers soll es auch nicht werden. Alles, was mit Kindern und Jugendlichen, mit Familien, Bildung und Frauenrechten zu tun hat, ist eine sichere Bank; soziale Themen also – First Ladies bestätigen somit nur die Regel, dass Care-Arbeit überwiegend den Frauen überlassen ist. In die »ganz große Politik« dringen sie nicht vor. (Wobei der Denkfehler vielleicht schon ist, soziale Belange nicht als »große Politik« zu verstehen, aber das ist ein anderes Thema.)
Während Hillary Clintons Zeit als First Lady wurde das Ganze schon etwas kritisch – mit ihrer geplanten Gesundheitsreform wagte sie sich 1993 nach Ansicht mancher Kritiker*innen zu weit vor ins Staatsgeschäft. Hillarycare scheiterte, als First Lady haftete Clinton aber dauerhaft der Verdacht an, sie hätte zu viel Macht und zu viel Ehrgeiz. Das Misstrauen bestärkte auch, dass sie die erste und bislang einzige First Lady mit Büro im Westflügel des Weißen Hauses war, der normalerweise dem Herrn Präsidenten vorbehalten ist.
Nur absehbar, dass manche beunruhigt waren, denn neben der top gestylten Philanthropin gibt es noch ein anderes Narrativ, das klassischerweise in die Rolle der First Lady hineininterpretiert wird: das der Strippenzieherin im Hintergrund. Wie viel Einfluss hat sie wirklich? Machtbewusste und ehrgeizige Frauen sind leider vielen noch immer nicht geheuer. Hillary Clinton entkräftete diese Vorwürfe in einem Interview von 1993 damit, dass sie den Präsidenten als First Lady nicht mehr beeinflusse als all seine anderen Berater*innen.
Damit mag sie recht gehabt haben, aber so frustrierend es auf den ersten Blick auch wirken mag, ist es letztlich nur folgerichtig, dass First Ladies politisch oft eher im Seichten bleiben (müssen): Sie sind weder demokratisch legitimiert, noch gibt es irgendwelche Qualifikationen für diesen besonderen Job. Stattdessen geraten sie mehr oder minder zufällig in ihre Rolle, gewählt ist nur der Präsident.
Ein Trost: Zu unterschätzen ist ihr gesellschaftlicher Einfluss dennoch nicht, vor allem nachdem sie mit ihrem Titel das Protokoll des Weißen Hauses ablegen können. Hillary Clintons politische Karriere begann nach ihrer First-Lady-Zeit erst richtig und Michelle Obama hat an Relevanz nur weiter gewonnen, seitdem ihr Mann nicht mehr Präsident ist. Auf dem diesjährigen Parteitag der Demokraten hielt sie die wohl eindringlichste Rede.
First Lady ohne Glamour: die Präsidentengattin
Und wie sieht es in Deutschland aus? Eine derartige First-Lady-Fixierung wie in den USA gibt es hierzulande zwar nicht, aber der Begriff ist auch bei uns schon angekommen. Das Berufsbild an sich gehört ohnehin seit Louise Ebert zum Protokoll im Schloss Bellevue, wenn auch gerne weniger glamourös und noch mehr nach 50er-Jahre-Lifestyle klingend »Präsidentengattin« genannt.
Unsere zwölfte Präsidentengattin/First Lady heißt Elke Büdenbender und sie hat viel zu tun. Das legt zumindest eine kurze Recherche in verschiedenen Online-Medien nahe: Es gibt Fotos mit der Queen und Fotos mit Schüler*innen in Seoul, es gibt Berichte über Diskussionsrunden zu Corona, Neujahrsempfänge, Werkstattführungen, Vorleserunden in Grundschulen, den Besuch in einem Frauenhaus und eine Reise in den Libanon als UNICEF-Schirmherrin.
Die deutschen First Ladies übernehmen üblicherweise die Schirmherrinnenschaft dieses Kinderhilfswerkes, außerdem engagiert sich Elke Büdenbender für die DKJS, das Müttergenesungswerk und eine Initiative namens Klischeefrei, die sich für eine Berufs- und Studienwahl frei von Stereotypen einsetzt.
Klischeefreie Berufswahl? Da lässt sich doch wieder ein Haken schlagen zu dem Beruf, der uns beschäftigt. Der ist zwar nicht gewählt und klischeefrei ist er auch nicht, aber er ist auch in Deutschland ein echter Full-Time-Job unter Dauerbeobachtung. First-Lady-Sein bedeutet eben doch nicht nur Etuikleider aussuchen und nickend lächeln oder lächelnd nicken, während der Mann eine Rede hält. (Übrigens: All das natürlich ohne Bezahlung – passt wieder zur Care-Arbeit.)
Was die Online-Recherche aber auch nahelegt: Elke Büdenbender macht das alles wirklich gut und scheint ehrlich Freude daran zu haben. Nachdem 2017 bekannt wurde, dass sie zugunsten des First-Lady-Handwerks die nächsten Jahre als Verwaltungsrichterin, ihr eigentlicher Beruf, pausieren werde, gab es dennoch eine Debatte, inwieweit das eigentlich noch zeitgemäß sei mit diesen First Ladies (wie gesagt, wir schrieben immerhin das Jahr 2017).
Beruf First Lady – und das freiwillig?
Elke Büdenbender hat selbstständig entschieden, dass sie sich auf ihre Repräsentationsaufgaben konzentrieren will. Das ist ihr gutes Recht. Eine Debatte hätte es ohnehin auch gegeben, wenn sie ihren Beruf nicht aufgegeben hätte, denn: Wie frau es macht, macht sie es falsch.
Und das eigentliche Problem ist ja: In gewisser Weise erwartet wird die Entscheidung fürs First-Lady-Leben eben schon. Das ist allein schon erkennbar an den erwähnten Schirmherrinnenschaften, die manche Organisationen traditionell der Frau des Bundespräsidenten vorbehalten. Und ein Bundespräsident, der einsam und allein auf dem roten Teppich vor Schloss Bellevue seine Staatsgäste empfängt – wie seltsam, wo ist denn die Hausherrin?
Denn das Amt mag zwar nirgends geschrieben stehen, aber Gewohnheitsrecht ist es doch. Ein Ehrenamt, dessen Ehre man kaum ausschlagen kann, denn eine First Lady bekommt, wie schon beschrieben, eine Plattform, neben Pflichten auch Privilegien und die Möglichkeit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen – wer das ablehnt, wirkt schnell undankbar und egoistisch.
Und selbstlos müssen sie ohnehin sein, die First Ladies, denn es geht nicht um sie als Personen; wo sie sind, sind sie nur, weil sie zufällig mit dem Präsidenten verheiratet sind. Oder wie Elke Büdenbender es selbst treffend in einem Interview mit dem Deutschlandfunk formulierte:
»Mein Mann hat das Amt, ich habe eine Rolle.«
Elke Büdenbender
Die Rettung für einen aussterbenden Beruf naht: Zeit für den FGOTUS
Aber wie steht es denn nun um die Zukunft der First Ladies. Muss diese Rolle wirklich zwingend immer weiterbesetzt werden?
Was den Kern der Idee ausmacht, der Partnerin eines Staatsoberhaupts eine eigene Funktion zuzuweisen, zeigt sich wohl erst, wenn in hoffentlich naher Zukunft dem Partner eines Staatsoberhaupts eine derart prominente Nebenrolle im Rahmen des Jobs seiner Frau zugewiesen wird. Denn dann wird sich eindeutig herauskristallisieren, welche Teile dieser First-Lady-Sache auf Klischees und Sexismus beruhen – erkennbar daran, ob der First Gentleman den Weihnachtsbaum im Weißen Haus schmückt, der Präsidentinnengatte Schulkindern vorliest und die beiden miteinander in ihren schicksten Designer-Anzügen bei ihrem Aufeinandertreffen zum G20-Gipfel ein nettes Ausflugsprogramm absolvieren, während die Frauen über Politik reden.
Also warten wir mal ab, wie die Männer dieses Ehrenamt ausfüllen werden. FGOTUS klingt zwar noch gewöhnungsbedürftiger als FLOTUS, aber dank der neugewählten Vize-Präsidentin Kamala Harris haben die USA nun immerhin ihren ersten Second Gentleman.
Was aber in seiner Gänze auf einem veralteten Frauenbild beruht, ließe sich nur schwer vollständig modernisieren. Wahrscheinlicher als dieses Szenario erscheint mir deshalb, dass sich das Berufsprofil »First Lady« langsam auflösen wird, je mehr »First Gentlemen« es gibt. Es ist zwar nicht so, als hätte sich die letzten Jahre gar nichts getan, aber momentan macht Jill Biden trotzdem Schlagzeilen, weil sie nach der Beförderung ihres Mannes weiterhin ihrem eigentlichen Beruf nachgehen, also unterrichten möchte. Selbstverständlich ist das also noch lange nicht. (So viel zu »Wie frau es macht, macht sie es falsch« und dem Beispiel Elke Büdenbender.)
Sie wird damit tatsächlich die erste US-amerikanische First Lady sein, die während der Präsidentschaft ihres Mannes »normal« weiterarbeitet. Eine Part-Time-First-Lady sozusagen und das ist in dem First-Lady-Land schlechthin ja auch schon was. Bleibt nur zu hoffen, dass Dr. Biden durch ihre neuen Verpflichtungen keine Steine in den Weg gelegt werden. Und die klassische First Lady, die ihr ganzes Leben zwangsweise auf den Job ihres Mannes ausrichten und dieses traditionelle Ehrenamt ausüben muss, ob sie nun Lust darauf hat oder nicht – deren Berufsbild wird vielleicht mal zum historischen Fun Fact.
Mit diesem Wunsch will ich gar nicht bestreiten, dass private Unterstützung und familiärer Rückhalt für Spitzenpolitiker*innen in derart allesfressenden Berufen immens wichtig sind. Und noch weniger will ich bestreiten, dass vergangene und aktuelle First Ladies viel Gutes und Sinnvolles bewirkt und mit ihrer Arbeit einen Unterschied gemacht haben. Kritik verdient nur das Konzept, das ihnen diese spezielle Geschlechterrolle zuweist und sie zu einer Art »Mutter der Nation« kürt.
Bis das Stück umgeschrieben wird, muss es deshalb auch in Ordnung sein, wenn Partner*innen von Staatsoberhäuptern diese Rolle ausschlagen und überhaupt keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen wollen – es ist ja nicht ihr Job.
Beitragsbild: © Gabrielle Rocha Rios on Unsplash