Wohnsinn Kolumne: Über das WG-Leben mit Berta
Wer in eine neue WG zieht, der kann so einiges erzählen … zum Beispiel von 80-jährigen Vermieterinnen, die mit diktatorischer Genauigkeit über die eigene Einrichtung wachen und dabei auch nicht mit lieb gemeinten Verbesserungsvorschlägen geizen!
Beim Umzug in unsere neue Wohnung haben meine Mitbewohnerin Lisa und ich* mit so ziemlich allem gerechnet, aber nicht damit: Nach fast drei-monatiger verzweifelter Suche nach passenden Räumlichkeiten für eine Zweier-WG, maximal genervt von den viel zu hohen Preisen und den viel zu schlecht geschnittenen Wohnungen, dudelte bei Lisa unverhofft die rettende Email ein: Wir hatten eine Besichtigung! Als ich einen Tag später die Mieterselbstauskunft persönlich bei Berta, unserer neuen Vermieterin, vorbeibrachte, schlug mir das Herz bis zum Hals – unbedingt wollte ich endlich eine Wohnung finden, auf dem Nullpunkt war meine Laune, was die Aussicht auf weitere Wohnungssuchen über Mietportale betraf. Angekommen in Bertas Wohnzimmer war ich so nervös, dass ich gut 30 Minuten vor mich hinplapperte und ziemlich viel erzählte. Davon ließ sich Berta, wohl recht begeistert von unserem Gespräch, aber nicht abschrecken und ließ mich kurzerhand den Mietvertrag unterschreiben!
Gesagt, getan – einen Monat später hievten Lisa und ich unsere Habseligkeiten die drei Treppenstufen hinunter in unsere Souterrain-Wohnung mit herrlichem Ausblick aus unserem Küchenfenster. Noch waren wir ganz angetan von unserer Vermieterin, von der Wohnung sowieso, und freuten uns sogar auf einen weiteren gemeinsamen Kaffee-Klatsch wie bei Oma. Da hatten wir uns nur leider ein bisschen zu früh gefreut: Bei unserer neue Vermieterin Berta handelt es sich keineswegs um eine Oma, die ihre Lebensweisheiten über einer Tasse Kaffee teilt. Viel eher plagen uns heute bei jedem Aufeinandertreffen ernst zu nehmende Panik-Zustände.
Zum einen sind diese darin begründet, dass Berta erst einmal hemmungslos unsere Einrichtungswahl kritisiert hat: Lisas rote Bierbank, die noch aus Kindertagen übrig ist und vor unserem Küchenfenster im Schutze von Büschen einen hübschen Platz gefunden hat. Diese wurde, womöglich vor allem wegen unserer Polsterung mit Sitzkissen aus Fell, bei näherem Betrachten als »bäuerlich« abgetan. Da wir im Allgemeinen sehr harmoniebedürftige und friedliebende Mieterinnen sind, haben wir diese natürlich begleitet durch schlichtenden Worten sofort wieder weggeräumt.
Bei diesem einen Vorfall sollte es aber nicht bleiben. Beim nächsten Aufeinandertreffen mit Berta erinnerte diese mich bestimmend daran, dass ich doch meine Fensterbänke schöner dekorieren möge. Die Nachbarschaft hätte sie bereits darauf angesprochen, ob denn die Wohnung immer noch leer stehen würde. Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen und forderte daher mehr Blumentöpfe sowie breitere Vorhänge ein. Auch dieses Mal wiegelte ich, zwar durchaus pikiert, ab und versprach, noch mehr Blumen einzukaufen. Dass ich bereits Vorhänge hängen hatte, schien ihr nicht aufgefallen zu sein.
Gut eine Woche später dann der nächste Vorfall, der mich schon fast entnervt aufstöhnen ließ: Ich saß gerade in einem Zoom-Meeting, als ich komische Schleifgeräusche aus der Richtung unterhalb meines Fensters vernahm. Verwirrt durch die seltsamen Geräusche, die ich nicht recht einordnen konnte, stand ich auf und schielte aus dem Fenster und wäre direkt mit einer Frau mittleren Alters zusammengestoßen, hätte uns die Fensterscheibe nicht getrennt. Da hatte Berta wohl glatt eine Putzkraft für die Reinigung unserer Fensterbänke angestellt. Zu meiner Verteidigung: Die waren ohnehin frisch geputzt, da unser Einzug in die Wohnung ja noch nicht allzu lange zurück liegt.
Ach ja – und neulich überraschte sie mich morgens um acht Uhr in Begleitung eines Angestellten der Wasserwerke. Blöd, dass ich um diese Uhrzeit noch im Nachthemd stand und etwas peinlich berührt darüber war, meiner Vermieterin gegenüber zu stehen, die mein Auftreten beinahe naserümpfend quittierte. Ihre Entschuldigung für das frühe Auftauchen: »Vorne im Gang liegt doch schon seit einer Woche der Zettel. Da hätten’s vorher telefonisch Bescheid geben müssen, ob’s da sind.« Ich war durchaus anwesend. Für mein Empfinden war der acht Uhr Weckruf zusammen mit spitzen Kommentaren über meine mangelnde Anwesenheitsbekundung lediglich etwas zu früh.
Aber naja, mit unserer Vermieterin Berta werden wir uns wohl noch eine Weile gut stellen müssen – die Wohnung ist nämlich viel zu schön, um uns von derartigen Widrigkeiten abschrecken zu lassen! Da trifft’s unser Kalenderspruch-Motto aus der WG-Küche ganz gut zu: »Kasch nix macha, kasch bloß lacha.« Schwäbisch für: »Da kannst nichts machen, da kannst nur lachen.« Beim nächsten Berta-Vorfall ist man mit einem Lächeln auf den Lippen, glaub ich, am besten vor dem Wahnsinn gewappnet.
Neues vom Regensburger Wohnsinn bei Lotte gibt es nächste Woche zu lesen!
*Aus Gründen der Privatsphäre möchte die Verfasserin dieses Beitrag anonym bleiben
Beitragsbild: ©Het Laatste Nieuws