Wohnsinn-Kolumne: How to not be a good neighbour
Als halbwegs toleranter Mensch hat man es manchmal echt nicht einfach. Vor allem bei einer nicht ganz so toleranten Nachbarschaft, der es scheinbar eher gleichgültig ist, ob man schlafen, arbeiten oder auch einfach nur die Treppe runter gehen will. Hier ein Best of der letzten Wochen:
von Lotte Nachtmann
Ich bin ja aus dem Studierendenwohnheim so einiges gewöhnt: eskalierende Partys, mitternächtliches Großgruppen-Kochen in Gemeinschaftsküchen oder diverses ausrangiertes Mobiliar mit einem „zu verschenken“-Bepper auf dem Flur gehörten auch semesterlang zu meinem Wohnheimsalltag. Merkwürdigerweise nimmt man das in diesen studentischen Wohnkomplexen bis zu einer äußerst großzügig gesteckten Grenze auch bereitwillig hin und sieht über so einiges hinweg. Wohnheim halt. Inzwischen wohne ich nun seit fast zwei Semestern in einer privaten WG mit einer meiner besten Freundinnen in einem Mehrfamilienhaus im Regensburger Ostenviertel. Zugegebenermaßen nicht gerade die schickeste Wohngegend und das Haus ist auch an der einen oder anderen Stelle etwas runtergekommen. Daran kann auch das frisch renovierte Treppenhaus nicht viel ändern. Noch viel weniger können so ein paar frisch gestrichene Wände jedoch am Verhalten meiner NachbarInnen verändern. Inzwischen frage ich mich echt, ob die anderen BewohnerInnen des Hauses einfach nur sehr wenig Sinn für gemeinschaftliches und rücksichtsvolles Zusammenleben haben oder meine Toleranzgrenze mit dem Umzug in eine private, vermeintlich ruhige Wohnsituation nur rapide gesunken ist. Aber macht Euch am besten selbst ein Bild:
Beschweren oder Ausharren – eine schwierige Entscheidung
Besonders häufig für verärgertes Stirnrunzeln sorgt bei mir die Nachbarsfamilie direkt unter uns. Ich hatte von meiner Mitbewohnerin Marie und einer anderen Freundin, die vor mir mit ihr zusammen gewohnt hatte, schon so einige Stories gehört. Dazu gehören bebende Böden und Karaoke um vier Uhr nachts oder ausschweifende Grillpartys wochentags in der Klausurenphase. An Silvester vor zwei Jahren hatte ich auch schon mal persönlich einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie diese Familie (MIT ZWEI KLEINEN KINDERN) aufdrehen kann. An Silvester herrschen aber nun einmal andere Gesetze. Im normalen Alltag hört bei mir aber dann irgendwann die Geduld auf. In studienbedingten Stressphasen ist es ja nicht ungewöhnlich, auch mal sonntags lernen zu müssen. Und da ist man als StudentIn eigentlich ganz froh über die ganztägige Sonntagsruhe im traditionsbewussten Bayern. Nur leider nehmen es unsere Nachbarn damit nicht ganz so genau. Das Ärgerliche daran: Die Mischung aus sich hochschaukelnden Gesprächen, Karaoke und dröhnender Düdel-Musik kommt immer nur so phasenweise und setzt dann, wenn man gerade die Nerven verloren hat und runter gehen möchte, um sich zu beschweren, wieder ein. Ein Teufelskreis, da man sich ja auch nicht als intolerante, übertreibende Korinthenkackerin aufführen möchte. Also bleibt nur Ausharren, Kopfhörer mit »White Noise« auf die Ohren und innerlich Schimpfen.
Mein Freund ist da nicht ganz so zimperlich. Als wir eines Sonntagabends unsere Serie kaum noch verstanden – es war so gegen halb zehn Uhr abends – ging er runter, um darum zu bitten, dass man doch die Musik etwas leiser stellen möge. Nachdem er etwas fester gegen die Wohnungstüre der Nachbarn schlagen musste, da das Klingeln und Klopfen von der Familienfeier übertönt wurde, sah er sich drei äußerst aufgebrachten Herren gegenüber, die der Auffassung waren, er hätte ihre Türe eintreten wollen. Der Disput eskalierte soweit, dass ich schon Angst hatte, mein Freund würde gleich verprügelt werden und das ganze, ohne sich an jedwede Corona-Abstandsregeln zu halten. Funfact: Die ausufernde Familienfeier fand noch zu Zeiten statt, als sich maximal zwei Haushalte treffen durften und auch die Personenzahl den Umfang von zehn nicht überschreiten durfte. Das Handy, um die Polizei zu rufen, war schon zur Hand. Die möglicherweise sehr hohen Strafen für eine Nichteinhaltung der Corona-Versammlungsregeln hielt mich dann aber doch davon ab.
Übers Hindernislaufen im Treppenhaus
Mein absolutes Highlight der letzten Wochen kam aber nicht von diesem Haushalt mit fehlendem Gefühl für Lautstärke, sondern von den NachbarInnen ein paar Stockwerke weiter unten. Ich stiefelte eines Abends die Treppe runter, um noch eine Freundin zu treffen. Im ersten Stock wurde ich dann aber aufgehalten … von einer Kommode. Das Möbelstück war von den BewohnerInnen der Wohnung, die zu diesem Zeitpunkt renoviert wurde, gekonnt mitten auf der Treppe, nein nicht auf dem Absatz an der Wand, sondern mitten auf einer Treppenstufe platziert worden. Das Ding nahm dann auch bis auf einen vielleicht 40 Zentimeter breiten Durchschlupf die gesamte Treppe ein. Mir war es ein Rätsel, wie eine etwas umfangreichere Person als ich, dort noch durchkommen sollte. Einmal abgesehen davon, dass das ganze den Fluchtweg Treppenhaus hinfällig machte und im Brandfall zu einer echten Gefahr hätte werden können. Insgesamt musste ich mich noch dreimal an diesem Hindernis vorbei quetschen, bis es im Laufe des nächsten Vormittags entfernt wurde.
Sagt Ihr es mir: Bin ich spießig geworden, wenn ich mich darüber beschwere, dass an einem Sonntagnachmittag laut Musik durchs Haus dröhnt? Oder wenn ich mir Gedanken im Stil von »Was wäre, wenn es brennt…« mache? Vielleicht ist es auch endgültig der Beweis, dass ich als 22-jährige Studentin des PTs zu viel Stress, deswegen zu wenig belastbare Nerven und daraufhin ein etwas zu erwachsenes Nachbarschaftsverhalten habe? Obwohl … wer sind in diesem Haus nochmal die Erwachsenen?
Nächste Woche gibt es dann wieder News aus Selinas, hoffentlich ruhigerer WG.