Wohnsinn-Kolumne: Ich werde dich finden!
Es sollte ein Tag wie jeder andere werden. Zumindest begann er ganz normal. Harmlos. Es war letzten Freitag; es sollte das erste Mal diesen Sommer werden, dass ich mein eingestaubtes Fahrrad aus dem Winterschlaf wecken und einfach mal wieder losradeln wollte. Im Februar hatte ich es das letzte Mal benutzt; schon ne Weile her. Eigentlich fahre ich gar nicht gern Fahrrad, sondern nutze es eher, wenn es aus diversen Gründen nicht anders geht – wenn ich an einen Ort muss, wo kein Bus hinfährt oder ich zu spät zum laufen dran bin. Tja, spätestens jetzt denke ich etwas anders darüber…
von Kati Auerswald
Am Freitagmorgen hatte ich das Haus verlassen, um ins Fitnessstudio zu gehen. Ich liebe es, zu Fuß zu gehen. Es ist sieben Uhr und mein russischer Hausmeister torkelt in Zickzacklinien halb betrunken an mir vorbei. Als er mich sieht, bin ich mir ziemlich sicher, dass er statt einem, mindestens drei Köpfe sieht. »Moin«, sage ich. »Mirghskjn«, sagt er zurück. Nichts ungewöhnlich – Ein Tag wie jeder andere. Dennoch hatte ich bereits da ein seltsames Gefühl in der Magengrube; doch ich denke mir nichts weiter dabei.
Als ich Stunden später aus dem Studio zurückkomme und mir erst in meiner Wohnung wieder einfällt, dass ich unterwegs doch einkaufen gehen wollte, verdrehe ich innerlich die Augen. Meine Mum hatte mir mal so tolle Satteltaschen mitgebracht, die man sich einfach links und rechts am Gepäckträger ranschnallen konnte, sodass man während des Fahrens beide Hände frei hat – ein Hoch auf diese geniale Erfindung. Denn in diesem Moment fallen mir beide Taschen ein. Ich krame sie aus dem Schank, stecke mein Portemonnaie ein und laufe nach unten. Ich wohne in einem sehr großen Wohnhaus mit noch mehr Wohnparteien – und noch mehr Fahrrädern, die allesamt auf Fahrradständern im Freien untergebracht waren. Kein Fahrradkeller.
Ich begann, mein Fahrrad zu suchen. Erst einmal, dann zweimal, dann dreimal. Und rannte die Fahrradständer, die um das halbe Wohnhaus aufgereiht dastanden, noch ein viertes Mal ab. Nichts.
Am Folgetag versuchte ich mein Glück erneut – wieder erfolglos. Grummelte wütend in mich hinein. Tatsächlich hatte ich eine ältere Fahrradkette, die wahrscheinlich ganz leicht geknackt wurde. Doch weil es so viele Fahrräder vor meinem Haus gab und ich in einem ruhigen Wohngebiet (nicht mal an einer Hauptstraße!) wohnte, war ich mir sicher, dass es hier niemand stehlen würde. Ich hatte wirklich geglaubt, ich würde nie einen Fahrraddiebstahl miterleben. Bestimmt hatte mein betrunkener Hausmeister mich an jenem Tag noch warnen wollen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit; man sagt ja nicht umsonst, betrunkene Augen lügen nicht. Ich biss die Zähne zusammen und verfasste bereits innerlich einen Drohbrief, den ich vielleicht an die Laterne hängen würde, die genau da steht, wo einst mal mein Fahrrad stand. An den Vollstopfen, der so dumm war, meinen zwar eingerosteten, aber schüchternen Drahtesel gegen seinen Willen kaltblütig zu entführen, würde ich vielleicht beginnen. Und enden würde er wahrscheinlich mit Ich werde dich finden. Ich werde nach dir suchen. An keinem öffentlichen Ort wirst du dich mehr sicher fühlen – meine Spione sind überall. Und wenn es das letzte ist, was ich tue. Okay, streich den letzten Satz. Ein bisschen werde ich noch an dem Brief arbeiten müssen …Aber es ist ein Anfang. Muhahaha!
Was für eine Wohnsinn Laura so erlebt, erfahrt Ihr dann nächste Woche wieder.