Kultur

Liebe Leserinnen und Leser!

Es findet sich kaum ein anderer derart vielschichtiger Begriff wie jener der Kultur. Woran denkt ihr, wenn ihr an Kultur denkt? Zugegeben, gerade im deutschen Sprachraum hat »Kultur« einen stark bildungsbürgerlichen Einschlag. Aber keine Angst: Wenn in diesem Heft von Kultur die Rede ist, dann geht es uns um weit mehr als bloß um die erlesenen Kanones der sogenannten Hochkultur. Wir wollen euch zeigen, wie lebendig und vielfältig kulturelle Betätigung sein kann – auch und gerade an unserer Uni. Wir warten mit Buch-, Ausstellungs- und Festivalbesprechungen auf und stellen daneben auch eine Reihe von innovativen Projekten vor – sei es das virtuelle Web-2.0-Theater, den Comedy Slam oder die »Oper zum Anfassen«. Hinzu kommen wie immer literarische Texte studentischer Autorinnen und Autoren der Schreibwerkstatt des Regensburger Germanistikprofessors Jürgen Daiber, diesmal zum Thema »Der Blick in den Spiegel. Ich ist ein anderer«. 

Ihr findet in diesem Heft aber auch zahlreiche Artikel zu bildungs- und gesellschaftspolitischen Themen. Einer unserer Redakteure hat ein Auslandssemster in Kairo verbracht – und kam gerade zur rechten Zeit, um die revolutionären Ereignisse rund um den Tahrir-Platz hautnah miterleben zu können. Seine Eindrücke schildert er in einer ausführlichen Reportage. Auch haben wir den Blick in eine Zukunft gewagt, in der infolge von G8- und Bologna-Reformen die Zahl der 20-jährigen Universitätsabsolventen rapide zunimmt; eher eine Dystopie als eine Utopie, wie wir meinen. Welche Schlüsse muss die Institution Universität aus der Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg ziehen? Wir haben uns darüber mit dem Obmann bei Vorwürfen wissenschaftlichen Verhaltens unserer Uni unterhalten. Zu guter Letzt wollen wir euch ins ferne Indien entführen, wo ihr mit uns auf dem heiligen Fluss der Hindus, dem Ganges, einen wahren Kulturschock erleben könnt – womit wir wieder beim Leitthema dieser Ausgabe sind. 

Kultur im allgemeinsten Sinne ist alles, was vom Menschen geschaffen wurde – all das, was ihn mehr als bloß ein Naturwesen sein lässt. Die Kultur ist eine Gabe, zugleich aber auch unser unausweichliches Schicksal, wie der Philosoph Arnold Gehlen betont hat: Er war der Überzeugung, der Mensch sei – bar jeder herausragenden körperlichen Fähigkeit, wie wir sie im Tierreich zuhauf finden – zur Flexibilität verdammt, verdammt dazu, in stets wechselnden Umgebungen zurecht kommen zu müssen. Um überhaupt überleben zu können, muss er sich daher gleichsam seine Welt erst selbst erschaffen. Folgt man dieser Theorie, dann wurden aus einer ursprünglichen Not alle großen Errungenschaften geboren, die unser heutiges Leben ausmachen: die Wissenschaft und Technik, die Kunst, die Religion, unser Rechtssystem … All das ist Kultur, und die Kultur ist es erst, die den Mensch zum Menschen macht. In diesem Sinne wünschen wir euch viel Freunde mit dieser elften Ausgabe der Lautschrift!

Franz Himpsl
(Chefredakteur)

 

Ausgabe 11, Sommer 2011

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