Schreibwerkstatt: »Das Geräusch des Ozeans«

Schreibwerkstatt: »Das Geräusch des Ozeans«
    Ein Text zum Thema »Begegnungen und Gespräche« der Printausgabe 38 der Lautschrift, verfasst im Rahmen der Schreibwerkstatt (Prof. Dr. Jürgen Daiber) an der Universität Regensburg.

    von Samira Stasny

    Isara wacht auf, ihr Hinterkopf pocht, ihre Lungen schmerzen und ihr Rücken fühlt sich steif an. Sie versucht sich vorsichtig aufzurichten, aber es funktioniert nicht. Ihr Körper gehorcht ihr nicht. Sie hört immer lauter werdendes Rauschen und Prasseln. Es klingt fast so, als wenn sie am Strand eine Muschel an ihr Ohr hält. Hier ist aber keine Muschel, und auch kein Wasser, die Luft ist nahezu staubtrocken. »Ist hier jemand? Kann mich jemand hören?« versucht es Isara nun krächzend. Direkt vor ihren Augen taucht eine Gestalt auf. Isara erschrickt, der Fremde öffnet seinen Mund, doch alles was sie hört ist Platschen, Zischen und dunkles Wellenrauschen. Sie schreckt hoch und sieht die Gestalt an, die so seltsam spricht. Sie mustert das fremdartige und doch bekannte Wesen. Der Körper sieht aus wie von einem Menschen, aber er wirkt viel durchlässiger, weicher und schimmernder, als je ein Körper war, den sie gesehen hat. Außerdem ist er fast nackt, wobei sein Unterleib von unzähligen Fischschuppen in blau-schimmernder Farbe bedeckt ist. Er öffnet den Mund, wieder hört sie nur das Geräusch des Ozeans. Was stimmt nur nicht mit ihr, wie kann sie den Ozean hören, wo sie doch im Trockenen ist, wieso kann sie ihn nicht verstehen, obwohl er doch seinen Mund bewegt? Er reicht ihr spiralförmige Algen. Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das esse ich bestimmt nicht.« Sie blickt skeptisch auf die seltsam aussehenden, braungrünen Algen. Mit einer Handbewegung des Fremden kann sich Isara nun endgültig nicht mehr bewegen. Er steckt ihr eine Alge so schnell in den Mund, dass sie es gar nicht hat kommen sehen. Sie will sie ausspucken, aber ihr Körper gehorcht ihr nicht, also ergibt sie sich ihrem Schicksal und schluckt die Alge. »So, nun können wir uns hoffentlich unterhalten. Wir brauchen deine Hilfe!« Isara blickt ihn verdutzt an. Dort, wo vorher Rauschen war, ist nun ein klares Geräusch, das sie wahrnehmen und verstehen kann. Sie öffnet ihren Mund und tatsächlich, das Sprechen klappt, doch es kommt nicht ihre Muttersprache heraus, sondern der fremdartige Gesang: »Wieso kann ich dich verstehen? Wer bist du? Und wer ist wir?« »Ich bin Alorian und wir, das Meervolk und ich, brauchen dich!« »WAS? Das kann doch nicht sein.« »Doch, du liebst doch den Strand und das Meer so wie wir. Bist du bereit, die Menschen hinter dir zu lassen und mit uns das Meer von Plastik und anderem menschengemachten Müll zu befreien?« Sie sieht ihn perplex an. Woher weiß er, dass sie diese müllhinterlassenden Menschen auch nicht ausstehen kann? »Also, wagst du dich mit mir ins Blaue?« Isara blickt in seine grün-blauen Ozeanaugen und ergreift seine Hand…


    Titelbild © Lea Amelie Stöbe

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