Die »Männerhasserin«
Oft wurde ich so genannt. Frauen, die sich feministisch äußern oder sich als Feministinnen bezeichnen, werden schnell als »Männerhasser:innen« abgestempelt. Doch nicht nur dann – auch in alltäglichen Gesprächen unter Frauen oder FLINTA*-Personen höre ich oft den Satz: »Boah, ich hasse Männer.«
von Eleonore Krisa
Warum ist dieser Satz so verbreitet? Warum scheint er ein kollektives Fazit zu sein? Sogar queere Männer in meinem Umfeld sagen ihn gelegentlich. Aber was steckt wirklich dahinter?
Kein Hass auf Männer – sondern auf ein System
Natürlich geht es nicht darum, Männer als Individuen zu hassen. Es geht um das System, das männliche Privilegien schützt und aufrechterhält – das Patriarchat.
Wir sagen: »Ich hasse Männer«, weil wir nachts Angst haben, alleine nach Hause zu gehen.
Weil wir unseren Standort teilen, wenn wir ein Tinder-Date haben.
Weil die Person, die uns statistisch am ehesten Gewalt antut, ein Mann aus unserem engsten Umfeld ist.
Wir hassen nicht Männer per se – sondern die Strukturen, die uns benachteiligen. Wir hassen die Tatsache, dass wir nicht dieselben Chancen kriegen und dass das völlig unberechtigt ist. Die Mechanismen, die dazu führen, dass Frauen weniger verdienen, weniger gehört werden und mehr Gefahr ausgesetzt sind. Wir hassen die Tatsache, dass wenn ein Mann etwas macht, was für uns als total verständlich gilt (wie zum Beispiel anderen helfen, Empathie zeigen, etc.), er dafür gelobt und gefeiert wird.
Dementsprechend sind wir unglaublich wütend auf all die Menschen (das eben meistens Männer sind), die dieses System aufrechterhalten, die ihre Privilegien, die ihnen dadurch zugeschrieben werden, weiterhin ausnutzen, ohne sie zu hinterfragen. Wenn eine Gruppe Frauen also sagt: »Wir hassen Männer«, dann sammelt sich in diesem Statement die ganze Wut, der ganze Frust, der sich jahrelang in uns breitgemacht hat.
Erst in den letzten Jahren, mit feministischen Bewegungen wie #MeToo, hat sich das langsam geändert. Plötzlich wurden Menschen zur Rechenschaft gezogen, wenn sie sich misogyn äußerten. Doch die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: »Man darf ja gar nichts mehr sagen!«
Doch, Uwe – du darfst sagen, was du willst. Aber du musst auch mit den Konsequenzen rechnen. Und ja, der Gegenwind ist heftig.
Die Wut ist berechtigt
Feminist:innen werden oft vorschnell als »Männerhasser:innen« diffamiert. Doch wenn Männer sexistische Kommentare machen, Frauen belästigen oder sie auf ihren Körper reduzieren – nennt sie dann jemand »Frauenhasser«?
Wenn ein Mann seiner Freundin den Internationalen Männertag als Gegenargument zu Feminismus entgegenhält – wird ihm sofort vorgeworfen, »Frauenhasser« zu sein? Wenn ein Mann in der Kneipe lautstark über den Körper einer Kellnerin spricht – nennt ihn dann jemand »Frauenhasser«?
Es existiert ein ganzes System, das darauf beruht, dass Männer Frauen ausbeuten – sei es durch unbezahlte Care-Arbeit, Sexarbeit oder Machtasymmetrien. Doch obwohl diese Mechanismen tief in unserer Gesellschaft verankert sind, ist lange Zeit niemand auf die Idee gekommen zu sagen:
»Männer sind ganz schöne Frauenhasser.«
Nein. Aber wenn eine Frau oder eine FLINTA*-Person frustriert sagt: »Ich hasse Männer«, dann ist das plötzlich skandalös.
Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau von einem Mann getötet – von einem Partner, Ex-Partner oder Familienmitglied. Im Jahr 2025 gab es allein bis Anfang Februar bereits sieben gemeldete Femizide. Und das sind nur die bekannten Fälle.
Trotzdem wird kaum darüber gesprochen. Es wird nicht als strukturelles Problem erkannt. Und wenn wir es benennen, wenn wir es anprangern, wenn wir wütend sind – dann sind wir die Männerhasser:innen?
Wer ist hier wirklich hasserfüllt?
Alles, was als feminin oder weiblich gelesen wird, wird systematisch abgewertet. Frauen müssen um ihre Rechte kämpfen, während Männer Privilegien oft nicht einmal hinterfragen. Und wenn wir das zur Sprache bringen, dann ist plötzlich unsere Wut das Problem?
Wir sehen die Probleme. Wir benennen sie. Wir fordern endlich Männer und das Patriarchat zur Rechenschaft. Wir wollen Antworten. Wir wollen Veränderungen. Denn es gibt keinen einzigen legitimen Grund, warum Frauen benachteiligt werden sollten. Warum sie Gewalt erfahren. Warum über ihren eigenen Körper entschieden wird. Warum sie nachts (oder auch tagsüber, nur mal so am Rande) nicht sicher nach Hause gehen können. Warum sie Angst haben müssen, eine Partnerschaft einzugehen.
Es gibt keinen Grund, warum ein kleines Mädchen Angst vor seinem eigenen Vater haben sollte. Doch genau das passiert – jeden Tag, überall auf der Welt.
Wir sind eine neue feministische Generation. Und wir haben begonnen, Täter und Unterstützer dieses kranken Systems zur Verantwortung zu ziehen.
Sind wir wirklich Männerhasser:innen oder seid ihr es bloß nicht gewohnt, die Konsequenzen eurer Aktionen zu hinterfragen und zu akzeptieren?
Titelbild © Eleonore Krisa