Sommerhaus
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Ich möchte dich an einen wunderlichen Ort entführen. Komm, nimm meine Hand und begleite mich ein Stück. Lassen wir unsere Fantasie spazieren, wie die Augen und die Füße, auf denen wir sonst so sicher durch das Leben gehen.
von Ida Müermann
Draußen.
Wir stehen vor einem Haus. Wobei dieses Wort das Wesen der Mauern nicht ganz erfasst, ist es doch mehr eine verwunschene Villa aus einer anderen Zeit. Es thront inmitten eines wilden Gartens, falls man die Ranken und Büsche noch so nennen kann. Ihre Äste strecken und räkeln sich dem Gemäuer entgegen, um es zu umarmen.
Zartes Pflänzchen
Will dich hegen
Will dich pflegen
Wirst zum Bäumchen.
Starke Wurzeln.
Zwischen Brettern,
In den Blättern,
Hör dein Murmeln.
Geborgen zwischen hohen Bäumen, die wirken, als ob sie das Haus schützen oder verbergen wollten. Überhaupt hat der Wald neben und hinter dem Gebäude sowie das ganze Grundstück etwas magisches an sich. Ein Ort, dessen Wildheit die Fantasie zu eigener Freiheit bewegt. Der Geruch hier vor dem Haus scheint unsere Sinne zu benebeln. Es riecht verlockend nach getrockneten Nadeln und Laub, nach Harz und nach Sommerhitze. Zugleich erkennt die Nase das kühle grün des Waldes, sein feuchtes Moos und die versteckten schattigen Waldlichtungen. Diese Mischung ist purer Balsam für die Nase, bevor man in das Innere tritt.
Drinnen.
Wir gehen hinein, es wirkt bedrückend und kühl. Alles steht voll mit sinnlosen Dingen, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Vielleicht sind es auch Geheimnisse, die in den Ritzen und Ecken sitzen. Sie setzen sich nachts auf die Brust und drücken die Luft aus den Lungen.
Die Augen müde
Wälzen
Warten
Wünschen
Dass du heimkommst
In der Nacht.
Das Haus könnte so viel mehr sein, wenn man alles ausräumen und das Licht hineinlassen würde. Wenn man den Raum gänzlich leeren und die schweren Vorhänge von den Fenstern nehmen würde, die das Tageslicht schlucken- dann wäre dieses Haus perfekt, um zu tanzen. Sanftes Abendlicht fällt durch die geöffneten Bogenfenster. Es findet sich in den Spiegeln wieder und strahlt durch sie zurück auf eine Gestalt in der Mitte des Zimmers. Sie erhebt sich langsam und tanzt zum Rauschen des Windes durch den Raum, als ob sie jeden Augenblick abheben und davonfliegen würde.
Grenzgänger:
Zwischen
LICHT
und
DUNKELHEIT –
Fremd im eigenen Leben.
Titelbild: ©Valentin Brosda
Kolumnenleitung »Wort der Woche« | Leitung Fototeam | Studentin der Deutschen Philologie