Aromantik – Never Been in Love

Aromantik – Never Been in Love
Romantische Anziehung ist nicht für jeden selbstverständlich. Dieser Artikel beleuchtet Aromantik als vielfältiges Spektrum, räumt mit Missverständnissen auf und zeigt, wie aromantische Menschen in einer romantikzentrierten Gesellschaft ihren Platz finden. Eine Einladung, Liebe neu zu denken – jenseits konventioneller Normen.

von Julia C. Albrecht

»Monachopsis« – ein seltenes, fast schon poetisches Wort, das das subtile, aber persistente Gefühl beschreibt, fehl am Platz zu sein. Aromantische Personen kennen dieses Gefühl nur zu gut: den Wunsch nach Zugehörigkeit, begleitet von inneren Konflikten, Verwirrung und Verzweiflung. Aber was ist Aromantik überhaupt?

Romantische Anziehung ist ein Spektrum

Aromantik ist ein Begriff, der die Identität von Menschen beschreibt, die kaum bis keine romantische Anziehung erfahren. Das bedeutet, dass aromantische Personen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung in der Regel kein Bedürfnis nach romantischen Beziehungen haben oder diese nicht auf die gleiche Weise erleben wie Menschen, die romantische Anziehung empfinden.

Aromantik ist dabei als Spektrum mit vielen Abstufungen zu verstehen. Es existieren zahlreiche Mikrolabels, wie zum Beispiel »Grauromantisch« (romantische Anziehung wird hier nur selten, schwach oder unbeständig empfunden), »Demiromantisch« (Romantische Anziehung kann hier erst nach dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung entstehen) oder »Cupioromantisch« (Romantische Anziehung fehlt, aber dennoch besteht hier der Wunsch nach einer romantischen Beziehung).

Außenseiter in einer romantikzentrierten Welt

Romantische Liebe stellt in unserer westlichen Kultur einen vermeintlich universellen Grundpfeiler des Lebens dar. Unsere Gesellschaft ist stark auf ihr Konzept ausgerichtet: Filme, Serien, Bücher und sogar Werbung stellen den romantischen Partner oft als »fehlendes Puzzlestück« oder Schlüssel zum Glück dar. Für aromantische Menschen kann diese ständige Betonung frustrierend, belastend oder einfach nur nervig sein. Sätze wie »Wann lernst du endlich jemanden kennen?«, »Du hast nur noch nicht die richtige Person gefunden« oder »Du wirst deine Meinung schon noch ändern« gehören für sie zum Alltag. Dabei wird allgemein angenommen, dass sich jeder Mensch verlieben und in einer romantischen Beziehung leben möchte – eine Sichtweise, die als Amatonormativität bezeichnet wird. Trotz ihrer natürlichen, validen und gültigen Realität wird die aromantische Identität von Personen daher häufig missverstanden, delegitimiert oder zuweilen sogar pathologisiert. Viele wissen nicht einmal, dass es aromantische Menschen gibt, geschweige denn, dass sich hinter diesem Begriff ein ganzes Spektrum mit vielfältigen Nuancen verbirgt.

Das liegt zum Teil daran, dass die aromantische Identität im öffentlichen Raum weitgehend unsichtbar bleibt. Nur sehr wenige Prominente haben sich als aromantisch geoutet und auch in den Medien gibt es kaum Repräsentation. Dies führt oft dazu, dass aromantische Personen sich »kaputt« oder schlichtweg missverstanden fühlen. Immer wieder wird ihnen vermittelt, dass sie nur dann vollständig sein können, wenn sie in der Lage sind, romantische Liebe zu empfinden. Häufig löst dies in Betroffenen einen starken Konformitätsdruck aus, sich entgegen ihres eigentlichen Wesens an normative Vorstellungen von Beziehungen anzupassen. Sich entweder den Erwartungen anderer angleichen oder sich für die eigene Identität rechtfertigen zu müssen, stellt für viele eine große Belastung dar. Deshalb ist es umso wichtiger, dass mehr Menschen über Aromantik informiert sind und aromantische Identitäten nicht länger gesellschaftlich ignoriert oder verleugnet werden.

Sexuelle Orientierung und alternative Beziehungsmodelle

Grün, Weiß, Schwarz und Grau – in diesen Farben leuchtet die Pride-Flagge der aromantischen Community. Grün symbolisiert dabei das Gegenteil von Rot; der Farbe, die traditionell mit romantischer Liebe verbunden wird. Weiß steht für platonische Anziehung, während Grau und Schwarz das vielfältige Spektrum sexueller Anziehung repräsentieren.  Dieser letzte Punkt beleuchtet einen wichtigen Aspekt: Die romantische Orientierung einer Person ist nicht zwangsläufig mit ihrer sexuellen Orientierung identisch. Das bedeutet, dass aromantische Menschen entgegen der weit verbreiteten Annahme nicht automatisch asexuell sind – sie können ebenso zum Beispiel homosexuell, heterosexuell oder pansexuell sein.

Wenn aromantische Menschen nun aber sexuelle Beziehungen oder Partnerschaften eingehen möchten, stehen sie oft vor besonderen Herausforderungen: Wie lassen sich klare Grenzen kommunizieren, wenn die Gesellschaft romantische Liebe als unverzichtbaren Bestandteil jeder Beziehung betrachtet? In diesem Zusammenhang kann es schnell passieren, dass Menschen auf dem aromantischen Spektrum als »kalt«, »emotionslos« oder »beziehungsunfähig« abgestempelt werden. Dabei können auch sie tief fühlen, lieben und anderen nahestehen – nur eben anders.

Es gibt unzählige aromantische Personen, die in ihrer Identität Frieden und Erfüllung finden. Fernab von konventionellen Normen leben sie ihre eigene Form von Liebe und Glück und bauen dabei Beziehungen, Freundschaften und Gemeinschaften auf, die auf anderen Formen der Zuneigung und Verbindung basieren als der romantischen. Dazu zählen beispielsweise (queer-)platonische Beziehungsmodelle, die ganz individuelle Formen annehmen und eine ähnliche Intimität wie romantische Beziehungen haben können.

Fazit

Liebe ist großartig, aber sie muss nicht immer romantischer Natur sein. Dieser Artikel ist eine Einladung, über die vielfältigen Formen menschlicher Existenz nachzudenken und die Bedeutung von Liebe in all ihren Facetten und aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Wir alle verdienen es, in unserer Ganzheit gesehen, verstanden und wertgeschätzt zu werden – egal, ob unser Herz in Sachen romantischer Liebe sprechen oder schweigen mag.

Titelbild © Julia C. Albrecht

Für Interessierte:

https://www.aromanticism.org

https://www.regenbogenportal.de/glossar?tx_dpnglossary_glossary%5Baction%5D=show&tx_dpnglossary_glossary%5Bcontroller%5D=Term&tx_dpnglossary_glossary%5Bterm%5D=2&cHash=ac4928d69ea04fc1d82994d777bdb9fd

Arospec identities stigmatization survey: https://elephantbirdaro.wixsite.com/aromanticsurveys/arospec-stigmatization-report

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