Informationsüberflutung

Informationsüberflutung
Durch Smartphones, Nachrichten-Apps und Medien sind wir ständig Informationen ausgesetzt. Was passiert, wenn das Gehirn all diesen Informationen nicht mehr hinterherkommt und ob wir alle mal auf Diät müssten.

Von Jule Schweitzer

Der Vorsatz mit der Bildschirmzeit

Die erste Woche des neuen Jahres ist vorbei, alle Raketen sind verschossen. Ob Vorsätze halten oder nicht, kristallisiert sich spätestens jetzt heraus. Ein klassisches Ziel, das man immer häufiger hört, ist, weniger am Handy zu sein, vielleicht grundsätzlich weniger vor Bildschirmen, die nichts mit der Arbeit oder dem Studium zu tun haben. Zum Ende des letzten Jahres habe ich ein Wort vermehrt gehört, das diese ganze Idee auf die Spitze treibt: »Informationsdiät«. Hier geht es nicht nur darum, die Bildschirmzeit zu reduzieren, sondern darum, die Informationen, die man täglich in sein Gehirn jagt, zu verringern. Verzichtet werden soll also nicht nur auf klassische soziale Netzwerke, aber auch auf YouTube oder Streamingplattformen für Filme, Serien und Podcasts, genauso wie auf zu viele Nachrichten. Ab Januar steht das Lernen für die Prüfungsphase an und ich will mich vorher von meinen schlechten Gewohnheiten – durch Instagram scrollen, während meine Serie läuft – entwöhnen. Also beschließe ich, für eine Woche eine Informationsdiät zu machen. Und ich führe sogar Tagebuch.

Tag 1

Montag ist To-Do-Listen-Tag. Ich stehe auf, mache Tee und fange gleich mit Unisachen an, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll, wenn ich weder scrollen, noch Netflix schauen, noch Lesen (?) darf. Aber die Aussicht auf einen Tag ohne Nachmittagspause auf der Couch mit Netflix nervt mich schon jetzt. Stattdessen habe ich in dieser Zeit nämlich einfach noch mehr To-dos eingeplant. Ich bin gespannt ob das setting up for failure ist, oder ob das der produktivste Tag meines Lebens wird. Ich erlaube mir »Harry Potter Christmas Ambiance« im Hintergrund, aber ohne Ton. Und eine Kerze. Kerzen machen alles besser. Ich schaffe wirklich einiges, bis die größte Challenge des heutigen Tages ansteht: Mittagessen. Wenn ich alleine esse, dann eigentlich immer vor meinem Laptop, mit Netflix oder YouTube, zur Not auch mal mit einem Podcast, aber ich esse nie einfach nur. Ich merke, wie ich mir Ausreden suchen will, warum ich eigentlich doch etwas anschauen könnte – ich war ja wirklich sooo produktiv. Aber am ersten Tag schon gegen Regeln verstoßen, wäre mir dann doch ein bisschen arg peinlich. Ich ziehe also durch.

Tag 2

Am zweiten Tag gegen Regeln verstoßen ist mir wohl egal, lerne ich gegen Mittag. Der Morgen startet noch diszipliniert: Kein Handy, kein Netflix, es hilft, dass ich um 08:30 Seminar habe. Und dann der von mir offiziell erklärte Feind der Informationsdiät: Ich bin müde, habe Kopfschmerzen, ich werde krank. Ab 11 Uhr läuft The Big Bang Theory auf meinem Laptop und parallel wechsle ich auf meinem Handy zwischen Whatsapp, Snapchat, BeReal und Instagram. Ich bin ein Alles-oder-nichts-Mensch und krank sein macht aus allem wohl nichts. Um mich zu rechtfertigen, frage ich mich, ob es wirklich so nötig ist, eine komplette Informationsdiät zu machen, oder ob Verzicht in Maßen auch ausreicht. 

Auswirkungen von Informationsüberflutung

Dass wir in einer Welt der völligen Informationsüberflutung leben, ist den meisten Menschen klar. Dass sich das irgendwie nicht so gut, vielleicht stressig anfühlt auch, doch was passiert wirklich mit der Psyche, wenn wir uns und unserem Gehirn nie die Ruhe gönnen, sich auf eine Sache zu konzentrieren? Psychische Auswirkungen von zu viel Reizen sind zunächst Stress, mangelndes Urteilsvermögen, Desorientierung, Gedächtnisprobleme, Ungeduld, schlechtes Zeitmanagement und beeinträchtigte analytische Fähigkeiten. Das Gehirn ist fähig, Reize wahrzunehmen und zu registrieren, selbst, wenn wir sie nicht wahrnehmen. Wer also beim Aufräumen Podcasts hört, beim Kochen You-Tube-Videos ansieht und beim Essen durch Nachrichten auf dem Handy scrollt, setzt sein Gehirn immensem Stress aus. Das Gehirn hat grundsätzlich nur eine bestimmte Kapazität an Arbeitsleistung, die es erbringen kann. Ist diese ausgeschöpft, wird denken, lernen und sich Dinge merken anstrengender. Der Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben beim oben beschriebenen Multitasking fordert die Ressourcen des Gehirns noch mehr heraus, da es die Aufmerksamkeit immer wieder neu zentrieren muss. Denn auch, wenn das Gehirn viele Reize gleichzeitig wahrnehmen kann, ist es nicht wirklich fähig, sich mehr als auf einen davon richtig zu konzentrieren. Wenn ständig neue Reize auf das Gehirn einprasseln, wird die Verarbeitung, vor allem die Speicherung ins Langzeitgedächtnis außerdem immer schwerer.

Ist eine Informationsdiät die Lösung? 

Eine Informationsdiät wird nicht unbedingt die Lösung sein – wie auch bei regulären Diäten gäbe es hier wahrscheinlich den JoJo-Effekt (ähnlich wie in meinem sehr kurzen Erfahrungsbericht). Relevanter ist es, sich immer wieder zu fragen, ob es wirklich nötig ist, das Gehirn den ganzen Tag mit Informationen vollzustopfen, oder ob sich zehn Minuten Busfahrt in die Uni, Mittagessen und Aufräumen vielleicht auch ohne Podcast, Serien und Co ertragen lassen könnten. Und, was man so oft hört, ist leider auch wahr: Soziale Medien gleich nach dem Aufstehen zu checken, schüttet Dopamin aus und sorgt leider dafür, dass man über den Tag häufiger das Verlangen haben wird, alle Apps durchzugehen. Kein Wunder also, dass es dir dann in der Bib schwer fällt, das Handy nicht alle 25 Minuten herauszuholen. Kein Wunder, dass du, obwohl du dich beim Nachhausekommen nur danach sehnst, nach einem langen Tag an der Uni, Serien zu schauen, mental danach trotzdem manchmal völlig fertig bist. Oder wenn du Abends nach einer halben Stunde auf TikTok nicht schlafen kannst und am nächsten Morgen völlig müde bist, weil dein Gehirn viel zu viel arbeiten musste.

Fazit 

In dieser aktuellen Welt wird man der Informationsflut nie vollkommen entkommen, aber die Medien strategisch und in Ruhe (und erst später am Tag) zu nutzen, kann aus einer reißenden Strömung einen kleinen Bach machen. 


Titelbild © Paul Sittner

Für Interessierte: 

Wahrnehmungspsychologie: Der Grundkurs | SpringerLink

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