Friede, Freude, Feiertage?

Friede, Freude, Feiertage?
Jedes Jahr kommt dann der 31. Dezember, ausgelassene Silvester-Feierstimmung gemischt mit einer sich bereits anbahnenden Neujahrs-Melancholie und meist ganz besonders viel Alkohol. Was aber, wenn zuhause gar nichts fried- und freudvoll abläuft?

von Emma Stahl

»Driving home for Christmas« fühlt sich vielleicht ein bisschen nach Roadtrip durch den Schnee, schlechter Weihnachtsmusik im Radio und dann endlich Heimkommen zu den Eltern an. Oder nach stickiger Zugfahrt mit schlecht gelaunten Sitznachbarn, nostalgischem aus-dem-Fenster-Schauen und schließlich trotzdem Freude, die Schwester oder den kleinen Cousin nach Monaten mal wieder zu sehen. Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester verbringen viele auf dem Sofa und gemütlich, auch mal ein bisschen gelangweilt, es wird sich getroffen zum Biertrinken in den gleichen Kneipen wie früher, bei den ein oder anderen schleicht sich möglicherweise auch schon ein erster Hauch Klausurenphasen-Stress ein.

Und dann kommt der 31. Dezember, ausgelassene Silvester-Feierstimmung gemischt mit einer sich bereits anbahnenden Neujahrs-Melancholie und meist ganz besonders viel Alkohol…

Was aber, wenn zuhause gar nichts fried- und freudvoll abläuft?

Dann zeigt sich das in den Meldungen häuslicher Gewalt bei den örtlichen Polizeidienststellen und Anrufen in Frauenhäusern, die während und nach den Feiertagen ansteigen. Dafür sorgen der verstärkte Alkoholkonsum, gepaart mit abfallendem Stress und einer Verlagerung großer Teile des Lebens vom Öffentlichen ins Private während der freien Tage. Durch das enge Beisammensein aller Familienmitglieder und wenig Rückzugsmöglichkeiten entsteht ein hohes Konfliktpotential, aus dessen Folgen es für Betroffene umso schwerer ist, auszubrechen. Das Zurückziehen in die Familien und das wenige Leben, das außerhalb des eigenen Zuhauses statt findet, begünstigen eine Isolation, die wiederum häusliche Gewalt fördert.

Aus dem Bundeslagebild Häusliche Gewalt geht hervor, dass in Deutschland im Jahr 2024 256.276 Menschen von häuslicher Gewalt betroffen waren, was einem Anstieg von 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr  entspricht. Mit einer hohen Dunkelziffer sei laut BKA zu rechnen, es würden viele Taten aus Angst oder Scham nicht gemeldet.

70,5 Prozent all dieser Fälle sind Frauen und Mädchen, bei Partnerschaftsdelikten sind 79,2 Prozent der Betroffenen Frauen. Die Zahl der Femizide, also die »bewusste Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts« (UN Women), lag in diesem Jahr bei 360, was fast einem Femizid pro Tag entspricht! Während also in Medien und Gesellschaft darüber debattiert wird, wie viel Raum Feminismus überhaupt noch einnehmen soll oder muss, ist für viele Frauen und Mädchen das eigene Zuhause der unsicherste Ort.

Und das Problem bleibt bestehen, wenn es keinen Zufluchtsort gibt

Im Februar 2018 wurde mit der Istanbul-Konvention zum ersten Mal eine in Europa rechtsverbindliche Richtlinie eingeführt, die »Mindeststandards für die Rechte, den Schutz und die Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen festlegt « (Frauenhauskoordinierung e.V.). Laut der Istanbul-Konvention wären Ende 2023 ca. 21.000 Frauenhausplätze nötig gewesen, in der Realität waren es ca. 7.700.

Ein Entwurf des Gewalthilfegesetzes, das einen einheitlichen Rahmen für die Finanzierung und Sicherung von Frauenhäusern schaffen und den Schutz von Frauen und Kindern gegen Gewalt sichern soll, wurde im November vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vorgelegt. Das Gewalthilfegesetz steht im Koalitionsvertrag der Ampelregierung, doch durch den vorgezogenen Regierungswechsel ist unsicher, ob das Gesetz noch durchgebracht werden kann. Und wenn doch, was zu hoffen bleibt, soll der Rechtsanspruch erst im Jahr 2030 Gültigkeit erlangen. Es bleibt einem selbst nicht viel zu tun, außer aufmerksam zu sein, Hilfe anzubieten und sich einzusetzen für eine Politik, die sich stark macht für den Schutz von Frauen.

Aufmerksam sein auch deswegen, weil häusliche Gewalt nicht erst bei körperlicher oder sexueller Gewalt anfängt, sondern besonders in Partnerschaften ein schleichender Prozess ist, durchzogen von Eifersucht, Bedrohungen, Beschimpfungen und Kontrolle.

In Notfällen ist immer die 110 zu rufen, unter 116 016 ist das Bundesweite Hilfetelefon gegen Häusliche Gewalt durchgehend zu erreichen, 0941 24000 ist die Telefonnummer des Frauen helfen Frauen e.V., zu dem auch das Autonome Frauenhaus Regensburg gehört.


Titelbild © Emma Stahl

Quellen:

https://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/Publikationen/Statistik/2024-10-08_Langfassung_Frauenhausstatistik_2023_final.pdf

https://www.frauenhauskoordinierung.de/arbeitsfelder/rechtsanspruch-auf-schutz/gewalthilfegesetz

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/haeusliche-gewalt-zahlen-verbreitung-hilfe-100.html

https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024/241119_PM_BLB_Straftaten_gegen_Frauen.html

https://www.hilfetelefon.de/aktuelles/weiter-steigende-zahlen-im-bereich-haeusliche-gewalt.html

https://unwomen.de/formen-der-gewalt-gegen-frauen-und-maedchen

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