Driving home for Christmas

Driving home for Christmas
Driving home for Christmas, I can‘t wait to see these faces”, schallt durch meine Kopfhörer, während ich meinen viel zu schweren, unhandlichen Koffer durch den unfassbar vollen Zug ziehe.

von Carlotta Wortmann

Extrem überstimuliert und mittlerweile auch verschwitzt gebe ich die Suche nach einem Sitzplatz auf und stelle mich an die Tür. Ich lehne den Kopf an die Wand und atme tief durch. 

Nach Hause zu fahren über Weihnachten hört sich in dem Lied von Chris Rea enorm romantisch und melancholisch an, doch für mich beginnt die Reise in einem überfüllten stickigen Zug und endet in meinem Kinderzimmer – oder dem was davon übrig ist. Der Koffer steht in der Ecke, die Bettdecke riecht vertraut, und doch fühlt sich etwas anders an.

Zurück im Elternhaus, zurück in den vier Wänden von damals – und trotzdem ist nichts mehr ganz wie früher. Das alte Kinderzimmer ist nicht mehr der Mittelpunkt des Lebens, sondern eine Art Zwischenstation, irgendwo zwischen Nostalgie und Fremdheit.

Mittlerweile sind fast zwei Jahre vergangen, seitdem ich ausgezogen bin und es fühlt sich fremder an, als ich gedacht hätte. Das kann zum einen daran liegen, dass mein Vater mein Zimmer zu seinem persönlichen Fitnessraum umfunktioniert hat. Das riesige Rudergerät thront mitten im Raum und die Hanteln sowie verschiedenfarbige Fitnessbänder liegen auf dem Fensterbrett. Zum anderen mussten Vorhänge, Sitzsack und Teppich sowie jegliche Deko weichen.

Schuld daran sind meine Allergien, die sich seit meinem Auszug dramatisch verschlechtert haben. Jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, kratzt es im Hals und die Augen brennen – eine ironische Wendung, wenn man bedenkt, dass dieser Ort einmal mein Rückzugsort war.

Während der Studienzeit verändert man sich. Neue Freundschaften, neue Routinen, eine neu gewonnene Selbstständigkeit prägen den Alltag. Die Wohnung in der Unistadt – so klein sie auch sein mag – ist Ausdruck dieses neuen Lebensabschnitts. Zurück im Kinderzimmer und Elternhaus, mit den vertrauten Regeln und Gewohnheiten, spüren viele, wie sehr sie sich von ihrem früheren Ich entfernt haben.

Am Ende ist das alte Kinderzimmer mehr als nur ein Raum. Es ist ein Spiegel der eigenen Entwicklung und eine Erinnerung daran, woher man kommt. Vielleicht ist es genau das, was das Nachhausekommen so besonders macht: die Erkenntnis, wie weit man schon gegangen ist – und wie viele Türen noch vor einem liegen.


Titelbild © Carlotta Wortmann

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