„Banden bilden“: Feministische Kurzfilme im Spiegel der Zeit

„Banden bilden“: Feministische Kurzfilme im Spiegel der Zeit
Kunstvoll, provokant und bewegend: Im »Leeren Beutel« in Regensburg lud das Kurzfilmprogramm »Banden bilden« zu einer filmischen Reise durch die feministische Perspektive der 70er- und 80er-Jahre ein. Die Lautschrift war vor Ort.

von Larissa Hornig und Louis Müller

Hintergrund

Am 21. Dezember war bundesweiter Kurzfilmtag. Anlässlich der Wintersonnenwende wurden vom 19. Dezember bis zum 21. Dezember überall in Deutschland Kurzfilme und Filmprogramme präsentiert, um diesen dunkelsten Tag im Jahr mit etwas Kunst und Gemeinschaft zu erhellen. Die beiden Redakteur:innen Larissa Horning und Louis Müller waren vor Ort im »Leeren Beutel« in Regensburg. »Banden bilden« – so lautete der Titel des Programms am 20. Dezember, welches vier Kurzfilme umfasste und den Feminismus in unterschiedlichen Facetten als Überbegriff sah. Die vier Filme entstanden zwischen 1971 und 1988 und wurden von den Regisseurinnen Elfi Mikesch, Ute Aurand, Ulrike Pfeiffer, Maria Lang und einem Studierendenkollektiv der Deutschen Film- und Fernsehakademie geschaffen. Neben einem intimen Einblick in die Zeit der 70er und 80er, bieten sie neue Sichtweisen auf Familie, Sexualität und Patriachart.

Historische Perspektiven

Die vier Kurzfilme fallen historisch in eine turbulente und dynamische Zeit der neuen Frauenbewegungen. Während die Studierendenbewegung der 60er-Jahre zwar die Emanzipation und Gleichstellung der Frau thematisierte, war sie dennoch stark männlich dominiert. Die Bewegung weigerte sich außerdem vehement, die Ausbeutung und Unterdrückung der Frauen im privaten Bereich zu diskutieren, woraufhin die Romanistik-Studentin Sigrid Rüger bei einem Kongress der Bewegung 1968 aus Protest eine Tomate auf die Bühne warf. Dieses Ereignis läutete den Beginn der Neuen Frauenbewegung der 70er und 80er-Jahre ein. Erste Aktionen des neuen Bündnisses richteten sich gegen den Abtreibungsparagraphen 218, welcher nach Jahren der Proteste 1974 zu Gunsten der Frauen reformiert wurde. Diese Reform gilt als einer der größten Erfolge der Bewegung.

»Da, wo die Frauen sich bewegen, drehen, französisches Gebäck essen oder auf Mauern spazieren, ist auch der Blick der Kamera.«

Der erste Film des Abends, »Oh! Die vier Jahreszeiten«, zeigte Ute Aurand und Ulrike Pfeiffer sich gegenseitig filmend an vier verschiedenen Orten zu den vier verschiedenen Jahreszeiten: im Winter in Berlin vor dem Reichstag, im Sommer in Paris im Brunnen auf dem Place de la Concorde, im Frühling auf dem Roten Platz in Moskau, im Herbst im Bankenviertel von London. Der Film ist sehr dynamisch, nimmt das Publikum mit. Da, wo die Frauen sich bewegen, drehen, französisches Gebäck essen oder auf Mauern spazieren, ist auch der Blick der Kamera. Die beiden Frauen nutzen die historisch geprägten Räume, um patriarchale Strukturen zu erkennen und im gleichen Zug zu brechen, experimentieren aber auch mit Kameraführung und Stilmitteln.

Eine Frau tanzend auf dem Roten Platz in Moskau. © Int. Kurzfilmwoche Regensburg

Schritt für Schritt zur Filmkamera

»Women’s Camera« war der zweite an dem Abend präsentierte Kurzfilm, wurde in Schwarz-Weiß stumm gedreht und zeigte eine Frau, die Schritt für Schritt eine Filmkamera zusammenbaute. Es wurden technische Details, Funktionen und Bestandteile der Kamera gefilmt und in einer Art Schritt-für-Schritt-Format dargestellt. Außerdem sollte es mit dem Vorurteil brechen, dass nur Männer eine solch große und teure Kamera bedienen und sich dafür interessieren können.

Ein Blick durch die Linse… © Int. Kurzfilmwoche Regensburg

»Es bleibt nun mal die Vergangenheit.«

Film Nummer drei: »Familiengruft – ein Liebesgedicht an meine Mutter« von Maria Lang porträtiert eigene Familienverhältnisse. Gezeigt werden alltägliche Handlungen ihrer Eltern, zwischendrin Familienfotos von ihr und ihrem Bruder. Während man dem Vater beim Schlachten und Ausnehmen eines Kaninchens zusieht, erzählt Maria Lang, dass sie gar nicht wisse, warum sie und ihre Mutter in ihrer Kindheit solche Angst vor ihm hatten, schließlich habe er ´nie einer Fliege etwas zu leide tun können. Sie erzählt liebevoll von ihrer Mutter, und doch wirkt es so, als würde sie ihr vorwerfen, sich stets willig in die patriarchale Familienstruktur einzugliedern. Das Erzählte in Kombination mit den gezeigten Bildern wirkt einerseits wie eine Entschuldigung und gleichzeitig wie Kritik an etwas, das sich niemals verändern lässt – es bleibt nun mal die Vergangenheit.

´Ich habe doch nicht mehr gefordert, als ein Mann von einer Frau wohl erwarten kann.´

Der letzte, der vier Filme, trug den Titel »Das Frühstück der Hyäne«. Der Film handelte von einer jungen Frau, die völlig überstürzt in ihre Wohnung kam. Sie verriegelt die Türe und wirkt ganz apathisch. Im Hintergrund hört man eine bedrohliche Männerstimme: ´Komm doch einfach zurück.´, ´Ich habe doch nicht mehr gefordert, als ein Mann von einer Frau wohl erwarten kann.´ Die Stimmung ist angespannt und die Frau taumelt halluzinierend durch ihre Wohnung. Im Hintergrund hört man weiter die Stimme.
Der Film thematisiert Gewalt und Übergriffigkeit in Beziehungen auf eine sehr konfrontierende Art und zeigt ungeschönt das Trauma, was die Betroffenen davontragen. Selbstverletzende und manische Verhaltensweisen werden durch starke Symboliken, wie zerschmetterte Gläser und gerissene Kleidung veranschaulicht.

Arbeitskreis Film Regensburg e.V.

Der 21. Dezember ist allerdings nicht der einzige Tag im Jahr, an dem der Arbeitskreis Film Regensburg e.V. (AKF) Interessierte in die Kinosäle bringt. Neben der Kurzfilmwoche im März, veranstaltet der AKF im Sommer die Regensburger Stummfilmwoche – die älteste Stummfilmwoche Deutschlands – und CinEScultura, das Spanische Film- und Kulturfestival in Regensburg. Der AKF betreibt außerdem ganzjährig ein Kino: die Filmgalerie im »Leeren Beutel«. Das Programm der Spielstätte folgt der Tradition von anspruchsvollen, kommunal geförderten Kinos, die abseits des Mainstreams positioniert sind.


Weitere Informationen gibt es unter https://www.kurzfilmwoche.de

Titelbild © Int. Kurzfilmwoche Regensburg

Die Veranstaltung wurde mit Pressekarten besucht.

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