Das Ende einer Ära?
Nichts und niemand hat in den letzten eineinhalb Jahren die Popkultur so in ihren Bann gezogen wie Taylor Swift und ihre Eras Tour. Heute, am 08. Dezember, endet sie: Was war und was bleibt.
von Jule Schweitzer
Daten und Fakten
Taylor Swifts sechste Tour (und zweite Stadiontour) startete am 17. März 2023 in Glendale, Arizona und wird heute, den 08. Dezember 2024 in Vancouver, Kanada enden. In etwas mehr als eineinhalb Jahren wurden auf knapp 150 Konzerten 51 Städte in 20 Ländern bespielt. Insgesamt soll die Tour nicht weniger als siebzig Millionen Tickets verkauft haben. Bei den europäischen Shows variierten die Preise dabei zwischen 49 und 899 Euro – je nach Sitzplatzkategorie und Zusatzleistungen. Bei so vielen Menschen, die die Tour besucht, direkt in Stadien oder in Hotels, Bussen, Zügen oder Flugzeugen gearbeitet, oder, die einfach nur ab und zu mal einen Blick ins Internet geworfen haben, gibt es vor allem eins: Meinungen. Die Internetsuche »Zeitungsartikel über die Eras Tour« allein bringt 44.800 Ergebnisse. Aber wie kam die Eras Tour an?
Öffentliche Meinung
Am wichtigsten bei jeder Tour sind natürlich sie: Die Fans. Taylors Swifties haben sich auf ihre Tour gestürzt, um Tickets gekämpft, sie haben wackelige Livestreams von Shows in anderen Städten geschaut oder sind wie zum Beispiel in München auf dem Olympiaberg vor dem Stadium gestanden, um Konzerte mitzuhören. Fan-Accounts auf Instagram haben sich die Mühe gemacht, Taylor Swifts Outfit-Kombinationen zu dokumentieren, um die nächsten zu erraten. Sie haben auf die sogenannte Surprise Song-Section jedes Konzerts hingefiebert, einen Abschnitt des Konzerts, in dem jeden Abend andere Lieder (manchmal mit speziellen Gästen wie Ed Sheeran, Gracie Abrams oder Sabrina Carpenter) aus der Diskografie gespielt wurden. Einige Fans haben Karten für zwei oder mehr Konzerte ergattert und sind zum Teil in andere Länder gereist, um dort Shows sehen zu können.
Was für die einen eine der tollsten Erfahrungen ihres Lebens war, schien für die anderen völlig unverständlich und übertrieben zu sein. So gab es nicht wenige, die nicht verstanden, warum ein Konzert der Pop-Diva so ein emotionales Ereignis sein kann. Kerle, deren Laune davon abhängt, ob der heiß geliebte Fußballclub Sonntagabend gewonnen oder verloren hat, konnten nicht nachvollziehen, warum sich Taylor-Swift-Fans in den Rängen des Stadions die Seele aus dem Leib schreien, wenn die Sängerin endlich auf die Bühne kommt.
Spaß beiseite: Zu einem Mega-Event wie der Eras Tour gibt es natürlich nicht nur positive Stimmen, sondern auch viel Kritik. Der Großteil davon folgt der Kritik, die Taylor Swift und ihre Fans seit Jahren erhalten: Die Sängerin sei nicht wirklich talentiert genug und würde nur Songs über ihre Beziehungen schreiben. Alles klänge gleich und sie wäre sowieso überbewertet.
Denn, ganz ehrlich, selbst, wenn man der Musik von Taylor Swift nicht viel abgewinnen kann: Fast niemand in der Musikwelt hat so eine große Auswirkung auf unterschiedlichste Bereiche wie Taylor Swift. Und der Versuch, den Swifties ihre Begeisterung abzusprechen, wirkt manchmal wie ein weiterer Versuch, (primär) Frauen darin bremsen zu wollen, zu viel zu sein.
Kein Swiftie zu sein geht auch anders: Spiegel-Autorin Tara Louise Wittwer schreibt in ihrem Artikel »Ich wär so gern ein Swiftie«: »Was so besonders ist, ist dieses Gefühl von ‘Girlhood’, von ‘A Girl’s Girl’, also, dass man sich darüber freut, unter anderen Frauen zu sein, die sich gegenseitig unterstützen«. Sie erkennt weiter einige positive Punkte an, die Taylor Swift für ihre Fans schafft, gibt sogar zu, Swifties zu beneiden, aber kommt letztendlich auf den einen springenden Punkt: Taylor Swifts Musik ist einfach nichts für sie. Und das ist ja auch okay. Niemand muss Taylor Swift mögen. Aber es muss auch niemand Menschen dafür niedermachen, dass sie es tun.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Wo Taylor Swift und ihre Fans hinkamen, erhielt die Wirtschaft für die Zeit um die Konzerte einen riesigen Aufschwung. Zum Beispiel in Toronto, Kanada, wo sechs Shows der Eras Tour gespielt wurden, lässt sich der Einfluss der anreisenden Fans zeigen: In der Zehn-Tage-Spanne der Konzerte erhöhten sich die Ausgaben in Downtown Toronto um 45 Prozent pro Woche. Es wurde 49% mehr für Klamotten ausgegeben und 102% mehr in Accessoire- und Spezialitäten-Läden. Internationale Ausgaben stiegen durch Anreisende von außerhalb Kanadas um knapp die Hälfte.
Klimaauswirkungen
Die Reisen von Taylor Swift, ihrer Crew und ihren Fans haben natürlich auch einen immensen negativen Einfluss auf das Klima. Bereits im März 2024 wurde Swifts Klima-Fußabdruck von der Seite carboncredits.com berechnet. Bezogen wurde sich dabei nur auf die drei Städte, die sie im Februar bespielte: Tokyo, Melbourne und Sydney. Für ihren Flug von New York nach Tokyo stieß ihr Privatjet circa 48 Mt CO2 aus und, da sie nach ihrer letzten Show in Tokyo zum Super Bowl geflogen war, erneute 40 Mt. Der Flug nach Melbourne und zurück bedeutete ganze 147 Mt und, um wieder nach Australien, aber diesmal nach Sydney zu gelangen, stieg sie ein weiteres Mal in den Jet: 141 Mt CO2 obendrauf. Zusammengerechnet produzierte Swifts Privatjet nur im Monat Februar 2023 393 Mt CO2 aus (Achtung – anreisendes Publikum ist hier noch nicht einmal eingerechnet) – eine durchschnittliche amerikanische Person ist im Vergleich über ein ganzes Jahr für 14 Mt verantwortlich.
Bei allem Positiven, das Taylor Swifts Tour vor allem für ihre Fans, aber auch für die Wirtschaft in der jeweiligen Konzert-Stadt mitbringt, wäre es dennoch falsch, die negativen Aspekte zu ignorieren. Eine umweltbezüglich bessere Lösung wäre es gewesen, wie zum Beispiel Adele dieses Jahr, in nur einer Stadt zu spielen und statt selbst zu reisen, Fans aus ganz Europa nach München fliegen und fahren zu lassen.
Fazit und Rückblick auf die Eras Tour Night 2 in München
Als drei Freundinnen und ich ca. ein Jahr vor dem Konzerttermin ein Ticket für München ergatterten, war ich noch ziemlich skeptisch, ob sich das Geld wirklich lohnen würde. Das ist natürlich sowieso subjektiv, aber ich hatte die ganze Zeit im Kopf, dass ich normalerweise für den Preis, den ich für dreieinhalb Stunden Konzert ausgab, auch eine ganze Woche in den Urlaub fahren hätte können. Und das Hotel in München kam ja noch obendrauf. Mitfahren wollte ich natürlich trotzdem, weil man die Chance einfach ergreifen muss, wenn man an heiß begehrte Tickets kommt. Außerdem war ich ein großer Fan von dem Film zur Reputation Tour 2018 (inzwischen leider nicht mehr auf Netflix) und war mir daher doch recht sicher, dass Taylor’s Shows einzigartig sind.
Bis Juli 2023 hatte ich zwar durchaus einige von Swifts Songs in meinen Playlists, als richtigen Fan hätte ich mich öffentlich aber wahrscheinlich nie bezeichnet. Erstens, weil ich einige Alben gar nicht kannte, zweitens aber auch ganz ehrlich, weil ich wahrscheinlich noch mit internalisierter Swiftie-Mysogynie zu kämpfen hatte. Bis zum Konzerttermin veröffentlichte Swift dann die zwei Re-Recordings von Speak Now (Taylor’s Version) und 1989 (Taylors Version) sowie das neue Album The Tortured Poets Department. Ich ließ mich auf eine Zuhörparty zu 1989 ein, hörte The Tortured Poets Department an einem schicksalshaften Wochenende im April und wurde ganz öffentlich zum Fan.
Am Abend des Konzerts in München fiel mir etwas ganz besonderes an der Vorbereitung auf: Normalerweise wählte ich meine Konzert-Outfits zwar schon mit etwas Stilbewusstsein, aber vor allem mit einem Fokus auf Praktik: Wer sich bei Disarstar oder Turnstile in ein Moshpit werfen will, oder bei jedem Song von Fall Out Boy auf und abspringt, braucht feste Schuhe und möglichst leichte Klamotten. Für die Eras Tour stand Praktik an letzter Stelle: Ich saß in blauem Samtkleid und mit neun Zentimeter hohen Absatzstiefeln auf dem Hotelboden, wo mir eine Freundin Glitzersterne in die Haare streute. Die Eras Tour war ein Fest der Verkleidung, eine Einladung für alle, sich so extravagant anzuziehen, wie Taylor selbst es tut, und ich habe wirklich alles daran geliebt. Im Stadion wurden zwischen Fremden Komplimente und sorgfältig gestaltete Freundschaftsarmbänder ausgetauscht, was mich sofort als Teil einer riesigen Gemeinschaft fühlen ließ. Hier war niemand zu laut, zu bunt, trug zu viel Glitzer oder Ausschnitt, hier waren alle so aufgestylt, wie sie es sein wollten – oder auch nicht. Auch meine Angst, im Raum vor der Bühne von fanatischen Taylor-Fans überrannt zu werden, die ihrem Idol so nah wie möglich sein wollten, bestätigte sich nicht. Ich hatte noch nie auf einem Konzert so viel Platz, mir die Seele aus dem Leib zu tanzen oder zu schreien, wie bei Taylor. Die Absätze habe ich am Ende des Abends bereut, aber die Tickets wirklich um keinen Cent.
Für Interessierte:
Kolumnenbeitrag von Tara-Louise Wittwer (Spiegel+): Taylor Swift: Warum ich kein Swiftie bin, obwohl alle sie lieben – und warum ihre Fans großartig sind – DER SPIEGEL
Swifts wirtschaftlicher Einfluss auf Toronto: Taylor Swift’s Eras tour boosts downtown Toronto spending: report – CP24
Berechnungen der Emissionen der Eras Tour: http://Flying High: How Does Taylor Swift’s Eras Tour Impact the Environment?
Alle möglichen Infos zur Tour: The Eras Tour – Wikipedia
Titelbild © Lea Tyroller