TEmpowechsel und Trendanalyse 

TEmpowechsel und Trendanalyse 

NØT Triebwerk, Event im Jala Tour de Triebwerk, 24. Oktober 2024 

Technomainstream. Es war einmal, da ballerte der Bass noch außerhalb der Öffentlichkeit, hinter Fassaden verborgen. In dunklen Kellern, richtig tief, abgeschottet vom Alltag, umringt von Gleichgesinnten. Doch wer hätte gedacht, dass wir elektronische Tanzmusik plötzlich auch in Clubs hören würden, in denen vorher Charts dominierten? Und Techno unsere »ForYouPage« überflutet? 

von Adina Kükelhahn und Olivia Rabe

CHoreografie trifft auf Charakter

Techno war immer mehr als nur Musik. Techno war und ist eine Lebenseinstellung. Sie zeigt, dass wir tanzen können, wie wir wollen, dass es nicht um Labels oder den perfekten Moment für die Kamera geht. Auf Techno-Partys gab es keine Urteile: Man tanzte so, wie man sich fühlte, immer nach vorne, der Zukunft entgegen. Den Blick nicht nach hinten gerichtet, machte der Sound alle gleich, alle frei. Es gab keine Erwartungen, keinen Druck, sondern nur einen kollektiven Puls. 

Keine Handys, keine Selfies, kein »Ich war hier« Moment. Alles, was zählte, war der Moment selbst – ein Rave, der nur für die Eingeweihten und das Flackern der Stroboskoplichter existierte. Heute? Heute hat jede:r diese Musikrichtung entdeckt und teilt Rave-Outfits stolz auf Instagram. Doch mittlerweile sind wir alle ein bisschen Paparazzi: Früher wollte niemand unbedingt die Nacht festhalten. 

Ein Rave war für die Nacht selbst, nicht für die Bilder am Tag danach. Heute wird auf Partys sofort das Handy gezückt, um das Outfit, den DJ*, den Moment zu dokumentieren. Es ist ein bisschen absurd, wenn man daran denkt, dass heute die heilige »no-photos«-Regel an Bedeutung verliert. 

War der Rave früher ein sicherer Rückzugsort für Nachtgestalten, tanzt heute jede:r auf die elektronischen Beats. Selbst im Regensburger Club Heart gibt es immer wieder einen kleinen Technofloor. Techno hat sich verwandelt und das für ein breites Publikum. In Clubs, wo man sich das nie getraut hätte, trägt man heute selbstverständlich eine schwarz gefärbte Sonnenbrille und Netzhemd. Das Outfit zählt, der wertfreie Raum wirkt zerstört. 

NOstalgie in der Gegenwart erhalten 

Die Kommerzialisierung von Techno brachte nicht nur Partys in den Mainstream, sondern auch eine Entfremdung seiner Ursprünge. Wo in Detroit Techno als Ausdruck kultureller Identität galt, wurde er in Europa zur universellen Konsumware. Vielleicht fehlt das Verständnis dafür, was Techno bedeutet? Wie kann die Kultur bestehen bleiben, trotz Trend?

Der Sound entstand von marginalisierten Gruppen, vor allem afro- und latein-amerikanische, aber besonders auch queere Minderheiten, die in der künstlerischen Entfaltung ihren Befreiungskampf auslebten und sich erstmals wohl und akzeptierter fühlen durfte. Ein sicherer Ort war geschaffen, den wir heute im Mainstream vermissen. 

Die Entstehungsgeschichte des Techno reicht weiter zurück, als es vielleicht an der Oberfläche erscheinen mag. »Mitte der 1980er Jahre formt sich in Detroit der minimalistische Techno-Sound, der prägend für den Techno seit den 1990er Jahren wird« (Christian Meyer-Pröbstl, bpb). Von den USA als Vorläufer entwickelte sich der Techno aus den afroamerikanischen und latein-amerikanische Communities in Europa weiter. Nach dem Mauerfall bot Berlin ein ideales Biotop für Techno: leerstehende Gebäude, ein unregulierter Raum und eine Gemeinschaft, die nach neuen Ausdrucksformen suchte. Bis heute bleibt Berlin ein Epizentrum für Technokultur und schreibt am 13. März 2024 Geschichte mit dem Eintrag als immaterielles UNESCO-Kulturerbe. 

Heute steht Techno zwischen zwei Welten. Wenn Techno der offizielle „Club-Soundtrack“ wird und unser Social-Media-Feed mit Rave-Momenten gefüllt ist, bleibt das Gefühl der Urteilslosigkeit, der Freiheit und die Magie der Subkultur dann noch bestehen? Wie können wir bei dem Tempowechsel die erkämpfte radikale Freiheit bewahren?

Unsere Eventtipps für wohltuende Klänge während der kalten Tage:

30. November 2024 SCHAUER | Alte Mälzerei (Galgenbergstraße 20, 93053 Regensburg)

7. Dezember 2024 LOVE SELECTORS  | Apotheke (Rote-Hahnengasse 8, 93047 Regensburg)

14. Dezember 2024 TOUR DE SCHRANCE | Jala (Schottenstraße 4, 93047 Regensburg) 

31. Dezember 2024 TRIEBWERK | Alte Mälzerei (Galgenbergstraße 20, 93053 Regensburg) 

Wer mehr über die Entstehungsgeschichte erfahren möchte, kann sich mit diesen Quellen weiter informieren:

https://www.ravetheplanet.com/kulturerbe-techno/

https://www.stadtrevue.de/artikel-archiv/artikelarchiv/06535-techno-is-black/

https://taz.de/Techno-und-Black-Music-matters/!5846885/

https://www.fazemag.de/unesco-rassismus-debatte-berlin-hat-techno-nicht-erfunden/

https://www.bpb.de/themen/recht-justiz/513688/die-geschichte-von-techno-und-der-loveparade/

Business Teshno: Die Kolonialität von Business Techno

Buchrezension: Assembling A Black Counter Culture


Bilder: Adina Kükelhahn, Olivia Rabe, Luis Biber, Alisa Kurz 

Beitragsbild: Olivia Rabe

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