Er ist Feminist (?)

Er ist Feminist (?)

Tote Bag, Perlenkettchen, Woke, Feminist und sozial engagiert – aber ist das wirklich echter Feminismus?

Von Eleonore Krisa

Ich bin eine Frau, die auch Männer datet. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass das einfach sei. Oft verhalten sich Männer leider immer noch nach patriarchalen und inhärent frauenfeindlichen Strukturen. In letzter Zeit hat sich der Diskurs zum Thema Dating zugespitzt, Begriffe wie “Incel Men”, die unfreiwillig Single sind, weil Frauen Feministinnen sind oder “zu hohe” Dating-Standards haben, werden immer verbreiteter.

Zum Glück gibt es natürlich auch Männer, die sich für Feminismus einsetzen. Natürlich gibt es hier auch eine Bandbreite an Stereotype. Vor allem in der linken Szene gibt es viele Männer, die sich als Feministen bezeichnen. Oft haben sie einen bestimmten Style, der schon ein bisschen vorhersagt, wie sie orientiert sind. Tote Bags, lange Haare, Ohrringe,  Piercings, Mullets, Schnauzer, Tattoos, quasi ein Harry Styles Dupe.

Männer, die ich attraktiv finde, haben meistens zwei Charakteristika: Sie sind nicht toxisch männlich und Feministen. Was manchen selbstverständlich erscheint, ist leider immer noch nicht die Regel.

Es kann aber auch eine Falle sein. Nach einer meiner letzten Dating-Erfahrungen, die ich gerne hier teilen möchte, habe ich ein für mich neues Phänomen entdeckt: Männer, die Feminismus als Tool verwenden, um Frauen zu “kriegen”. Performativität deluxe.

Vor ein paar Monaten habe ich über eine Dating-App jemanden kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und uns gut unterhalten. Schnell haben wir unser erstes Treffen vereinbart. Unser erstes Date hätte besser nicht laufen können: Wir haben uns über Vieles unterhalten und stimmten einander zu. Unsere Gespräche liefen von einem Thema ins nächste, und wir hatten generell dieselben Ansichten. Vor allem was Feminismus anging. Er geht auf feministische Demos? Er reflektiert frauenfeindliche Verhaltensweisen? Er hat viele queere Freund:innen? Er macht sich über toxische Männlichkeit lustig? Er hat kein Problem damit, auch mal einen Rock zu tragen? Es schien fast so, als ob keine Spur von Misogynie in diesem Mann schlummerte. (Ja, ich weiß, die Messlatte liegt niedrig… aber ich bin sicher, das geht nicht nur mir so.) Ich habe mich die ganze Zeit sicher und kein bisschen belächelt oder herabgesetzt gefühlt.

Die Zeit verging, und wir trafen uns weiterhin regelmäßig. Er erzählte mir, wie er mit Frauen aufgewachsen ist und wie sehr ihn die immer noch bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern wütend machen. Ich fühlte mich endlich mal von einem hetero-cisgender Mann verstanden und fand es auch extrem erfrischend, jemanden zu treffen, für den Feminismus ebenfalls ein genauso großes Thema wie für mich ist. Er schien sich sogar aktiv dafür einzusetzen, wir sprachen oft über die Wichtigkeit von Intersektionalität und Mikro-Feminismus im Alltag.

Wir unterhielten uns öfters über unsere Dating Erfahrungen: Als ich ihm erzählte, dass ich oft (von Männern) angelogen, betrogen und schlecht behandelt wurde, zeigte er sich verständnisvoll und emphatisch. Wir unterhielten uns darüber, dass Kommunikation das Wichtigste sei. Wir waren uns einig: Viele Beziehungen scheitern am Mangel an gesunder Kommunikation. Warum verspüren so viele Männer den Drang, Frauen anzulügen? Ich erzählte, dass viele Männer Gedankenspiele mit mir gespielt haben, mir Lügen erzählten, nur um mich dazu zu bringen, mit ihnen zu schlafen. Dies waren natürlich nicht nur meine Erfahrungen, ich erzählte ihm auch von den Erfahrungen meiner Freundinnen. Er schien immer sehr verständnisvoll, seine Gefühle mir gegenüber kommunizierte er direkt. Keine Mindgames in Sicht!

Ich war zu der Zeit noch nicht bereit für eine Beziehung, was ich ihm auch sagte. Allerdings konnte ich mich langsam wieder mit dem Gedanken anfreunden, mehr Zeit mit jemandem zu verbringen. Er gab mir das Gefühl, dass ich mich endlich wieder öffnen konnte, dass ich nicht verrückt war, dass meine Ansichten nicht übertrieben waren, dass ich nicht nur toleriert, sondern sogar geschätzt werden konnte. Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass ich mir vorstellen konnte, mit ihm zusammen zu sein. Ich fühlte mich endlich wieder wohl und verstanden. Zusammen auf Demos gehen, über soziale Ungleichheiten sprechen und uns gegenseitig die Nägel lackieren? Klang wirklich nicht schlecht.

Ich erzählte ihm, wie ich mich in meiner letzten Beziehung toleriert fühlte und wie ich dadurch mein Selbstvertrauen und meine Selbstliebe verloren habe. Und wie mein Ex-Partner mich immer mit feministischen Themen oder Fragen zur Unterordnung von Frauen in Beziehungen mit Männern unter Druck gesetzt hat. Ich erzählte ihm auch, wie ich oft das Gefühl hatte, dass es für mich schwierig wäre, Männer zu daten. Obwohl ich mich zu einigen von ihnen hingezogen fühle, war ich es leid, dass so viele von ihnen Muster und Strukturen widerspiegeln, die Frauen von Natur aus unterordnen. Sei es, dass wir auf ein Podest gestellt werden und Weiblichkeit fetischisiert wird, oder, dass Unterordnung als Voraussetzung dafür angesehen wird, die „perfekte“ Partnerin zu sein.

Als wir über die Osterferien beide zurück in unsere Heimatstädte fuhren, schrieben wir uns weiterhin regelmäßig, erzählten uns von unangenehmen Familientreffen, bei denen die ein oder anderen misogynen Einstellungen rauskamen. Die Tage vergingen und ich merkte immer mehr, wie sehr er mich plötzlich zu vermeiden schien. Manchmal antwortete er mir den ganzen Tag nicht und entschuldigte sich dann. “Sorry, ich hab geschlafen”. 20 Stunden lang? Klar.

Als ich zurückkam, ging alles sehr schnell. Er ignorierte mich weiterhin immer öfter, als ich ihn darauf ansprach, meinte er nur “Wir sollten mal reden”.

Wir trafen uns also (Drei Tage vor meinem Geburtstag, zu dem ich ihn bereits eingeladen hatte). Klipp und klar, teilte er mir mit, dass er denke, wir seien nicht kompatibel und er wolle nicht, dass es an meiner Geburtstagsfeier unangenehm wird. Ich fragte ihn, wie lange er das schon wusste, mindestens zwei Wochen lang, antwortete er mir. Daraufhin war ich verwirrt und fragte, wieso er mir dann weiterhin jeden Tag schrieb wie als ob nichts wäre. Er tue das mit all seinen Freund:innen, aus Nettigkeit. Aha. Hättest du mir das überhaupt persönlich gesagt, wenn ich dich nicht gefragt hätte? Ja klar, Kommunikation ist so wichtig. Aha. Nach einem ziemlich langen Gespräch, nach dem ich immer noch keine klare Antworten bekommen hatte, verabschiedeten wir uns voneinander. Ich lief nachhause, Tränen flossen über meine Wangen, ich war verwirrt. Bald bekam ich jedoch meine Antworten.

Zwei Wochen später, immer noch voller Liebeskummer, stolperte ich wieder über die Playlist, die er mir erstellt hatte. Die perfekte Playlist um seitlich einzuparken, die er mir schickte, als ich erzählte, dass ich die Musik beim Einparken jedes Mal stoppen musste.

Ich wollte sie mir noch einmal anhören, in meinem Herzschmerz schwelgen, mir die Augen ausheulen und meinen Gefühlen nachgehen. Als ich auf sein Spotify-Profil klicke, sehe ich sie plötzlich vor mir: Mehr als 20 (!!!) Playlists. Alle mit zweideutigen Namen, genau wie die, die er für mich erstellt hatte. Die letzte, war eine Playlist für jemanden mit einer Laktoseintoleranz. Die Beschreibung? Ziemlich eindeutig: Mögen deine Bauchschmerzen besser werden und dein Arsch so rund wie eh und je. Ich wusste, dass er nur mit Frauen ausging, also muss diese Playlist wohl für eine Frau gewesen sein. Die Playlist davor hieß Playlist für männliche Männer, die sich über toxische Männlichkeit lustig machte.

So dämmerte es mir langsam. Ich wurde komplett hinters Licht geführt. Aber ich wurde nicht nur mies angelogen, ich wurde manipuliert und zwar auf die schlimmste Art und Weise. Dieser Kerl benutzte Feminismus als Werkzeug, er benutzte seine “Woke” Ästhetik, um sich vom Stereotyp des toxischen „männlichen“ Mannes zu unterscheiden. Sein Feminismus war einzig und allein ein Tool, eine Performance, die er abzog, um mit Frauen zu schlafen. Er sammelt uns, wie Briefmarken. Wir sind doch nur Objekte für ihn. Wir zählen nichts, sein feministisches Auftreten ist nur eine Masche, mit der er uns trügt. Und ich konnte die Nächste nicht einmal davor warnen.

Dass es um sich als Mann als Feminist zu bezeichnen nicht reicht, wenn man pink trägt, sich einen Mullet schneiden lässt und sich die Nägel lackiert, ist mir natürlich bewusst. Allerdings schien es anfangs wirklich so, als ob er das Gesagte auch an den Tag legen würde. Er unterstütze mich bei allen Themen, die Feminismus betrafen, stand an meiner Seite, als ich Opfer von sexueller Belästigung wurde. Was mich an dieser ganzen Geschichte am wütendsten macht, ist nicht die Tatsache, dass ich belogen oder getäuscht wurde, oder dass alles, was er sagte, nicht stimmte, oder dass er mir keine angemessene Erklärung dafür gab, warum er einfach aus heiterem Himmel alles beendete. Er behauptete, ein Gleichgesinnter zu sein, und entpuppte sich als das Gegenteil davon. Wir sprachen über Männer, die Frauen zu Objekten machen, er schien meine Frustration darüber zu teilen. Wie Frauen von der Gesellschaft dargestellt werden, wie wir mies behandelt werden oder wie wir auf unseren Körper reduziert und andauernd herabgesetzt werden. Meine Wut, meine Female Rage, hatte endlich einmal ein offenes Ohr gefunden, nur um zu entdecken, dass es sich um nichts anderes als eine Illusion handelte, die mich täuschen sollte.

Unsere Gespräche über Feminismus, soziale Ungleichheit und die Wichtigkeit von Intersektionalität waren nichts weiter als ein Mittel zum Zweck für ihn. Seine vermeintliche Unterstützung und sein Mitgefühl waren nur eine Maske, hinter der sich die gleichen toxischen und patriarchalen Strukturen verbargen, die er vorgab zu bekämpfen. Ich spürte es in meiner Brust, die Wut die mich überkam, die Enttäuschung, das Gefühl von Ohnmacht. Dasselbe Gefühl, das sich jedes Mal wenn mir auf der Straße hinterhergerufen wird oder wenn jemand einen sexistischen Kommentar macht, breitete sich langsam aus. Wird es jemals jemand verstehen? Kann es nicht einfach sein, dass Feminismus ein kollektives Thema wird und nicht nur ein “Problem”, mit dem sich Frauen, queere Menschen und generell nicht hetero cis-Männer auseinandersetzen?

Männer, deren Feminismus rein performativ ist, schaden den feministischen Bewegung sogar mehr, als offene Opponent:innen. Wir können sie nicht sofort erkennen oder uns von ihnen in Acht nehmen. Sie benutzen feministische Ansichtsweisen für falsche Zwecke und ziehen somit auch diejenigen in den Dreck, die aufrichtig sind. Sie verstärken damit generalisierende Sichtweisen, die alle Männer unter eine Haube stecken und sie verurteilen. Sie sorgen mit ihrem Verhalten dafür, dass anstatt Gleichberechtigung, eine immer tiefere Spaltung zwischen den Geschlechtern stattfindet. Als ob es sich um eine klare Dichotomie handelt, die keine gemeinsamen Nenner findet: Ein so wichtiges Anliegen wie den Feminismus als Mittel zu verwenden, um ein Ziel zu erreichen, das in den Ursprüngen der Objektivierung weiblicher Körper verwurzelt ist, ist eigentlich das Letzte, was passieren sollte. Genauso wie pink–washing, ist diese Art von Feminismus in keinster Weise konstruktiv.

Wenn du vorgibst, Feminist zu sein und feministische Ansichten zu vertreten, nur um Frauen (vorübergehend) für dich zu gewinnen, bist du im Grunde genommen ein Heuchler, ein Spion. Auch wenn du dich nicht offen dazu bekennst, objektivierst du uns, und das macht dich genauso zu einem Teil des Problems wie die Männer, die du vorgibst, zu verachten.

Bildquelle: https://unsplash.com/it/foto/uomini-che-tengono-bianco-nero-e-rosso-uomini-di-qualita-rispettano-la-bandiera-di-uguaglianza-delle-donne-sulla-strada-r1OQfUIw3ns

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