Ein Zeichen für das Argument und nicht die Faust
In Regensburg wurde am Wochenende das Fest der Demokratie gefeiert. Die Auftaktveranstaltung war eine Podiumsdiskussion zum Thema »Mach mit – Für deine Demokratie«. Die Lautschrift war vor Ort und berichtet.
von Anne Nothtroff
Anfang Januar wurde unser gesamtes Land durch eine journalistische Recherche erschüttert. Die Rechercheplattform CORRECTIV enthüllte die Pläne von Rechtsextremen und AFD-Anhängern zur Remigration von Menschen mit Migrationshintergrund. Seitdem gingen tausende Menschen für die Demokratie auf die Straße. Am 23. Mai diesen Jahres wurde das Grundgesetz 75 Jahre alt. Seit ein paar Tagen geht ein Video von feiernden Menschen, die auf Sylt ausländerfeindliche Parolen rufen, viral. In ein paar Tagen stehen die Europawahlen an. Kurz: Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um Demokratie zu feiern, über sie nachzudenken und für sie einzustehen. Dasselbe dachte sich auch das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Gemeinsam mit dem Haus der Bayerischen Geschichte wurde vom 31. Mai bis zum 2. Juni das »Fest der Demokratie« in Regensburg ausgerichtet. Das Programm beinhaltete kostenlose Konzerte, Workshops und Museumsführungen.
Die Auftaktveranstaltung war eine von Nina Poppel moderierte Podiumsdiskussion zum Thema »Mach mit – Für deine Demokratie«. Unter dem Namen »nini_erklaert_politik« informiert die 28-jährige Politikwissenschaftlerin und Influencerin auf Instagram und TikTok täglich über das aktuelle politische Weltgeschehen. Gäst:innen auf dem Podium waren die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, sowie Ludwig Artinger als dritter Bürgermeister der Stadt Regensburg. Stellvertretend für die Medienbranche war der Verleger Prof. Dr. Martin Balle anwesend. Gemeinsam mit Jonas Scherer (Vorsitzender Stadtjugendring Regensburg und stellv. Vorsitzender Bezirksjugendring Oberpfalz), Sofia Pavlenko (Youth Bridge München der Europäischen Janusz Korczak Akademie e.V.) und Viet Shao (Influencer) tauschten sie sich über die Demokratie aus.
Nachdem sie bereits Muffins mit der Aufschrift »Mach mit – Für deine Demokratie« verteilt hat, begrüßt Bayerns Jugendministerin Ulrike Scharf die Anwesenden mit den Worten: »Das Trennende wächst, das Gemeinsame schwindet. Deshalb setzen wir hier heute ein Zeichen«. Sie spricht von einem Zeichen für Vielfalt, für das Argument und nicht die Faust, sowie über Diskussionsbereitschaft bei schwierigen Streitfragen. Ein weiteres Zeichen ist das Demokratiebudget von 2,5 Millionen Euro, das demokratiefördernde Projekte für junge Menschen in Bayern fördern soll.
Zu Beginn der Diskussion führt Moderatorin Nina Poppel in das Verständnis von Demokratie ein. Dabei beruft sie sich auf den Politikwissenschaftler Gerhard Himmelmann. Nach ihm ist Demokratie nicht nur eine Herrschaftsform, sondern auch eine Gesellschaftsform, und meint damit eine Idee des Zusammenlebens. Darüber hinaus ist Demokratie auch eine Lebensform, die demokratische Werte wie Solidarität, Toleranz und Gewaltverzicht beinhaltet. Folglich sei Demokratie kein Selbstläufer, sondern bedarf einer aktiven Mitgestaltung, so Nina Poppel. Mitgestalten durfte das Publikum bei der Podiumsdiskussion auch. Beispielsweise gab es immer kurze Abstimmungen oder Publikumsbefragungen.
Die Podiumsgäst:innen bekamen von Poppel meistens dieselbe Frage gestellt, die jede:r nacheinander beantwortete. Auf die Frage wann man das erste Mal mit der Demokratie in Berührung kam, wurde vielen bewusst, dass sie keinen konkreten Zeitpunkt ausmachen können, da sie bereits in einem demokratischen System aufwuchsen. Auf die Frage nach der größten Gefahr für die Demokratie, erinnert Sofia Pavlenko daran, dass auch wachsender Antisemitismus demokratiefeindlich ist. Jonas Scherer warnt davor, die Demokratie zu selbstverständlich zu nehmen. Bürgermeister Ludwig Artinger mache sich Sorgen, dass seine Enkelkinder nicht mehr in derselben Demokratie leben können wie er selbst.
Das Fest der Demokratie soll aber eine größere Botschaft senden, als nur an das Jubiläum des Grundgesetzes erinnern. Der Termin der Veranstaltung war nicht willkürlich gewählt. In ein paar Tagen finden die Europawahlen statt. Der Appell sich an der Demokratie zu beteiligen und wählen zu gehen war mehrfach aus der Podiumsrunde zu hören. Es soll erinnert und im Hinblick auf die bevorstehende Europawahl zugleich animiert werden.
Ganz nach diesem Motto beendet Nina Poppel die Talkrunde, indem sich jede:n ihrer Gäst:innen den Satz »Mach mit für deine Demokratie, weil…« beenden lässt. Jede Antwort hebt einen bestimmten Aspekt besonders hervor. In Bezug auf die bevorstehende Europawahl ist die Antwort des Influencers Viet Shao besonders erwähnenswert. Für ihn ist das Mitmachen in der Demokratie besonders wichtig, da »sonst jemand anderes sich für etwas einsetzt, dass einem nicht passt, und das muss man verhindern.« Man solle sich in die Demokratie einmischen, Nazis raus und »Bayern ist bunt, nicht braun«, appellierte auch die Jugendministerin in ihrer anfänglichen Begrüßung. Im Gegensatz zu vielen anderen bayerischen Festlichkeiten kann diesmal auf ein Festwochenende zurückgeblickt werden, dass nicht nur Freude bereitet hat, sondern auf dem auch wichtige politische Appelle gesetzt wurden.
Bilder: Anne Nothtroff